Siedlergewalt in Palästina: Um drei Uhr nachts rast ein Truck heran

Kurz vor Mitternacht, als ein riesiger, ockerfarbener Mond am Horizont aufzieht und das scheinbar friedliche Jordantal in weiches Licht taucht, murmelt Scharon: „Das ist so ein schönes Land – und so ein hartes Land.“ Dann schläft die Israelin erschöpft auf ihrem Feldbett in dem offenen Zeltquartier ein, von dem aus man das palästinensische Dorf Ras Ain al-Audscha überblickt. In gerade einmal drei Stunden wird sie von Siedlern geweckt werden.

Scharon und zwei weitere Friedensaktivisten sind für „protective presence“ hier: Durch ihre Anwesenheit wollen sie Ras Ain al-Audscha vor Angriffen durch radikale Siedler schützen. Sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag halten sich Aktivisten hier auf, in einem von rund 120 Familien bewohnten, ärmlichen Hirtendorf. Denn das ist stark gefährdet: Seit 2022 haben Siedler Dutzende Dorfgemeinschaften im Westjordanland ver­trieben.

Ein Schwerpunkt liegt dabei genau hier, im Gebiet zwischen dem Jordantal und dem Judäischen Bergland. Auf den hiesigen Hängen ließen die paläs­tinen­sischen Hirten früher ihre Tiere grasen. Erst unterbanden die Siedler das durch Drohungen und Gewalt. Dann begannen sie, die Palästinenser auch in deren Dörfern zu attackieren – bis sie gingen. In einem etwa vierzig Kilometer langen Nord-Süd-Streifen ist Ras Ain al-Audscha inzwischen das letzte palästi­nensische Hirtendorf. Verschwände es, stünde alles Land hier unter der Kontrolle der Siedler.

Knapp 20 Stunden lang bleiben die drei Israelis hier

Verhindern sollen das an diesem Abend drei Israelis: Scharon, Daniel und Avinatan. Die drei, die zum Teil eigentlich anders heißen, sind so unterschiedlich wie die Schar der Aktivisten insgesamt. Scharon und Daniel, 35 und 38 Jahre alt, sind säkulare, linke Israelis. Der 28 Jahre alte Avinatan ist ultraorthodoxer Jude – er trägt schwere schwarz-weiße Gewänder und Hut, ungeachtet der Hitze im tief gelegenen Jordantal.

Knapp 20 Stunden lang bleiben die drei Israelis in Ras Ain al-Audscha. Sie dokumentieren, was geschieht. Und sie versuchen, sich bei Konfrontationen als „Puffer“ zwischen Siedler und Bewohner zu stellen – aber stets gewaltlos. Damit sind ihre Möglichkeiten erschöpft. „Manchmal fühlt es sich hoffnungslos an“, sagt Daniel über ihren Einsatz. „Aber was sonst können wir machen?“

Die Aktivisten übernachten in einem großen, zu einer Seite offenen Zelt. Dort gibt es mehrere Feldbetten, eine kleine Küche und Ausrüstung, etwa Taschen­lampen und Feldstecher. Ein paar Hundert Meter entfernt, am südlichen Ortsrand, sitzen einige palästinensische Jugendliche im Dunkeln beisammen, hören Musik und unterhalten sich. Einer beschreibt mit dem Finger einen Halbkreis und zählt die Siedlungsaußenposten auf, von denen das Dorf umgeben ist.

F.A.Z.-Karte: sie.

Vor allem zwei machen ihm Angst: Zohars Farm und Avischais Farm heißen sie, nach den Gründern. Vor Zohar Sabah fürchten sich alle hier, selbst Kinder kennen seinen Namen. Regelmäßig fahre er mit seinem Truck durch Ras Ain al-Audscha, um die Bewohner einzuschüchtern, heißt es. Der damalige amerikanische Präsident Joe Biden belegte Sabah wegen Gewalt gegen Palästinenser mit Sanktionen, aber Donald Trump hob sie auf.

In letzter Zeit ist die Angst noch gewachsen. Über Monate hinweg kamen Zohar Sabah und seine Leute immer wieder in ein benachbartes Dorf, Muarradschat. Sie attackierten Bewohner, vergifteten Ziegen, zündeten die Moschee an. Anfang Juli konnten die Menschen nicht mehr: Nach einer weiteren Attacke packten sie in Panik ihre Sachen und flohen. Binnen Stunden löste Muarradschat sich auf. In Ras Ain al-Audscha fürchten sie seither, dass jetzt sie an der Reihe sind. „Wir sind jeden Abend hier und bleiben die ganze Nacht, um das Dorf zu bewachen“, sagt der Jugendliche am Ortsrand. „Von fünf Uhr abends bis zum Morgen. Mittags schlafen wir dann.“

Viel mehr als die Siedler zu filmen, können sie nicht tun

Allein hätten die Bewohner von Ras Ain al-Audscha indessen keine Chance, etwas gegen die Siedler auszurichten. Denn hinter denen steht faktisch die ganze israelische Besatzungsmacht. Insbesondere die Polizei arbeite oft mit den Siedlern zusammen, heißt es. Deshalb sind die Aktivisten so wichtig für die Palästinenser. Ihre Anwesenheit hemme die Siedler, sagt Daniel: „Es ist schwieriger für sie, uns anzugreifen. Wir sind immer noch Juden.“ Und wenn sie es doch tun, kann das für die Siedler schwerere Folgen haben, als wenn sie Palästinenser angreifen.

Dennoch häufen sich inzwischen auch Fälle, in denen israelische Unterstützer der Palästinenser von Siedlern blutig geschlagen werden. Kürzlich traf es auch einen Aktivisten in Ras Ain al-Audscha. Festgenommen werden sie ohnehin regelmäßig, bisweilen verhängt die Polizei auch temporäre Zutrittsverbote.

Den Aktivisten steht umgekehrt hauptsächlich ein Mittel zur Verfügung: Videoaufnahmen. Mit ihren Telefonen oder um die Brust geschnallten Körperkameras filmen sie die Siedler. Kommt es zu Übergriffen, können sie so zumindest versuchen, bei der Polizei etwas zu erreichen. Denn die Palästinenser haben praktisch keine Möglichkeit zur Gegenwehr. Reagiert einer von ihnen gewaltsam auf Übergriffe, riskiert er, festgenommen zu werden – oder Schlimmeres. Das ist vor allem dann der Fall, wenn es keine weiteren Zeugen gibt. Viele Siedler sind bewaffnet.

Das letzte palästinensische Hirtendorf in einem etwa 40 Kilometer langen Streifen Land: Ein palästinensischer Junge tränkt in Ras Ain al-Audscha die Ziegen seiner Familie.
Das letzte palästinensische Hirtendorf in einem etwa 40 Kilometer langen Streifen Land: Ein palästinensischer Junge tränkt in Ras Ain al-Audscha die Ziegen seiner Familie.AFP

Die Schicht von Scharon, Daniel und Avinatan hat am Nachmittag begonnen. Schon nach kurzer Zeit fahren Scharon und Daniel an das nördliche Ende von Ras Ain al-Audscha. Etwa zwei Dutzend kleine Wellblechhütten stehen dort in einem kleinen Tal, Kinder spielen neben Ziegenställen Fußball. Alles ist sehr einfach, aber jede Hütte ist mit einer Überwachungs­kamera ausgestattet.

Der Grund befindet sich wenige Hundert Meter oberhalb: Dort liegt Avischais Farm. Von dem Außenposten ist – wie jeden Nachmittag – irgendwann ein junger Siedler mit einer Ziegenherde auf­ge­taucht. Ein palästinensischer Bewohner hat daraufhin die Aktivisten angerufen.

Kurz nach ihrem Eintreffen entfaltet sich vor der Behausung des Palästinensers eine skurrile Szenerie. Der Siedler, ein Teenager mit langen Haaren, wandert auf einem staubigen Feld herum und sieht ungerührt dabei zu, wie seine Ziegen auf das Auto der Aktivisten klettern. Daniel versucht, die Ziegen von dort zu vertreiben, bevor sie Schäden verursachen – aber möglichst ohne sie anzufassen. Denn das könnte der Siedler gegenüber der Polizei vorbringen. Scharon filmt den Siedler, der wiederum Daniel und die Ziegen filmt.

Die Siedler werfen Steine und verängstigen die Kinder

Dieses eigentümliche Schauspiel ist typisch für die Arbeit der Aktivisten. Beide Seiten filmen einander, während sie peinlich darauf bedacht sind, nichts zu tun, was einen Rechtsverstoß darstellen könnte. Haben die Aktivisten ihre Kamera aber nur für einen Moment ausgeschaltet oder filmen sie gerade in eine andere Richtung, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Provokationen kommt.

Der palästinensische Bewohner – er heißt Salman Kaabna und ist 37 Jahre alt – hat sich unterdessen mit seiner Familie ins Zelt verzogen. Von dort sehen sie dem seltsamen Treiben zu. Seit anderthalb Jahren gehe das jetzt so mit den Siedlern, sagt Kaabna. „Es sind wechselnde Leute, aber sie kommen jeden Tag – von sechs bis zehn Uhr am Morgen und von drei bis sieben am Nachmittag.“ Auch nachts gebe es manchmal unerbetene Besuche. „Sie fahren mit ihren Autos herum, werfen mit Steinen und verängstigen die Kinder.“ Kaabna hebt hervor, dass seine Familie seit Jahrzehnten an diesem Ort lebe. „Wir wurden hier geboren.“

Sie wollen durchhalten: Eine Palästinenserin fegt in Ras Ain al-Audscha die Terrasse vor ihrem Haus.
Sie wollen durchhalten: Eine Palästinenserin fegt in Ras Ain al-Audscha die Terrasse vor ihrem Haus.AFP

Eigentlich dürften die Siedler sich Kaabnas Behausung gar nicht über eine Linie hinaus nähern, die durch umgedrehte Futtertröge markiert ist, erzählt Scharon. Das habe die Polizei nach zahlreichen Beschwerden der Aktivisten entschieden. Die Siedler hielten sich aber nicht daran, sie liefen sogar immer wieder in das Zelt des Palästinensers und seiner Familie hinein. Jetzt, wo Aktivisten und ein Jour­nalist anwesend sind, hält der Siedler Abstand zu Zelt und Ziegenstall. Er wandert herum und treibt seine Ziegen zwischen einem Baum und dem Auto der Aktivisten hin und her. Auf Gespräche lässt er sich nicht ein. Scharon und Daniel haben schon mehrmals die Polizei angerufen. Aber die lässt sich Zeit.

Auf einmal kommt Unruhe in die Szenerie. Daniel kommt zu Scharon gelaufen und sagt: Der Siedler habe den Autoschlüssel gestohlen, der im Wagen steckte. Die Tür sei offen gewesen, und Daniel einen Moment lang unaufmerksam. Ge­sehen, gar gefilmt hat das keiner der beiden. Aber der Siedler hat es auf einmal sehr eilig zu gehen. Zielstrebig begibt er sich zu seinem Esel und macht Anstalten fortzureiten. Scharon und Daniel rufen laut, wo der Schlüssel sei, und unternehmen unentschiedene Versuche, dem Teenager den Weg zu versperren. Sie wissen: Gewaltsam aufhalten können sie ihn nicht.

Am Ende stellt Daniel sich auf die Leine des Esels, die am Boden schleift. Der Siedler reißt sie jedoch los, schwingt sich auf den Esel und trabt zügig davon. Seine Ziegen trotten ihm hinterher, verfolgt von bellenden Hunden der Palästinenser. Auch Scharon läuft dem Siedler ein paar Hundert Meter hinterher. Sie kann ihn aber letztlich nicht daran hindern, in aller Ruhe hoch zu Avischais Farm zu reiten.

Ob man gekommen sei, um „Apartheid“ von Juden zu sehen

Daniel, der beim Auto geblieben ist, hat inzwischen Besuch bekommen. In einem Pick-up ist ein älterer Siedler gekommen, der mit einem Sturmgewehr bewaffnet ist. Kurz darauf wackelt ein Geländewagen der Polizei über die bucke­lige Geröllpiste heran. Drei Uniformierte steigen aus, die unterschiedlichen Einheiten angehören: Armee, Polizei, Grenzpolizei.

Während Daniel mit den Uniformierten spricht, kommt der Siedler auf den Journalisten der F.A.Z. zu. Er trägt eine Körperkamera und filmt zusätzlich mit seinem Telefon, während er eindringlich Fragen stellt: Wie heißt du? Wo wohnst du? Ist das dein Auto? Wer hat dich ein­geladen? Seinen Tonfall und seinen starren Blick kann man durchaus als bedrohlich empfinden, seine Bemerkungen sind suggestiv. Ob man gekommen sei, um „Apartheid“ von Juden zu sehen, fragt er beispielsweise. Und auf eine Antwort erwidert er bedeutungsvoll: „Ah – Deutschland . . .“ Dort sei er einmal gewesen. Er habe aber nur „schreckliche Dinge gesehen, die meinem Großvater angetan wurden“. Damit beendet er das Gespräch und wünscht einen schönen Tag, immer noch filmend.

Die Polizisten beschuldigen die Aktivisten

Der Siedler heißt Gabriel Kalisch. Er ist „Sicherheitskoordinator“ einer der Siedlungen in der Umgebung, eine Art Bin­deglied zwischen den Bewohnern und der Armee. Daher darf er eine Armee­waffe tragen und hat bestimmte Befugnisse. Vor allem aber ist Kalisch ein bekannter Siedleraktivist. Er war Aktivisten zufolge eine treibende Kraft, als die Bewohner von Muarradschat vertrieben wurden.

Kalisch entfernt sich, während Daniel und die inzwischen zurückgekehrte Scharon zunehmend erregt mit den Uni­formierten diskutieren. Eine Weile darauf taucht er wieder auf – zusammen mit dem jungen Siedler. Der beantwortet ein paar Fragen des Polizisten und leert seine Hosentaschen. Am Ende ziehen alle ab. Zurück bleiben die frustrierten Aktivisten. Natürlich habe der Teenager geleugnet, den Autoschlüssel mitgenommen zu haben, sagt Daniel. Und der Polizist, ergänzt Scharon, habe ihnen in belehrendem Tonfall erklärt: Bei der Polizei habe er gelernt, „dass jede Geschichte zwei Seiten hat“.

Tatsächlich versuchte der Polizist Daniel zufolge, umgekehrt die Aktivisten zu beschuldigen, dass sie den Esel des Siedlers angefasst hätten. Bei ihm sei eine Beschwerde eingegangen, dass „Anarchisten Tiere belästigt“ hätten. Scharon sagt, vermutlich sei er nur deshalb gekommen, weil der Siedler ihn angerufen habe. Kürzlich seien Aktivisten wegen dieses Vorwurfs sogar festgenommen worden.

Die rund 120 Familien in Ras Ain al-Audscha leben in ärmlichen Verhältnissen; ihre Lebensgrundlage sind die Ziegen und Schafe, die sie hüten.
Die rund 120 Familien in Ras Ain al-Audscha leben in ärmlichen Verhältnissen; ihre Lebensgrundlage sind die Ziegen und Schafe, die sie hüten.Christian Meier

Zumindest treiben Daniel und Scharon einen Ersatzschlüssel auf. So können sie zurück zu ihrer Unterkunft in der Ortsmitte fahren, wo sie Avinatan treffen.

Am Abend sind die Aktivisten gedämpfter Stimmung. Nicht nur wegen des Autoschlüssels – die ganze Lage erscheint derzeit düster. Überall im Westjordanland hat die Gewalt durch Siedler extrem zu­genommen. Im Oktober verzeichneten die Vereinten Nationen 264 Siedlerangriffe, die zu Verletzten oder Sachschäden führten – die höchste Zahl in einem Monat seit dem Beginn der Erfassung vor zwanzig Jahren. Zugleich steigt die Intensität der Gewalt stetig an. Inzwischen gibt es sogar Fälle, in denen Siedler Palästinenser erschießen und dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

Diese Leute „vermischen Judentum mit Terrorismus“, sagt Daniel bitter. Sie zerstörten anderer Leute Leben und behaupteten, das gebiete ihre Religion. Scharon ist skeptisch, ob es ihnen gelingen wird, Ras Ain al-Audscha langfristig zu ver­teidigen. Auf Avischais Farm lebten nur etwa 15 Teenager, glaubt sie – aber das sei genug, um den Dorfbewohnern ständig Ärger zu bereiten. Die Aktivisten könnten nicht viel ausrichten; im Gegenteil fühle es sich an, als spielten die Siedler mit ihnen ein Spiel.

Die Reaktionsbereitschaft der Aktivisten auf die Probe stellen

Es wird Nacht. Nur noch das Bellen von Hunden, das Brummen von Ventilatoren und das Summen von Mücken sind zu hören. Scharon und Daniel gehen schlafen, während Avinatan die erste Nachtwache hält.

Um Punkt drei Uhr nachts fährt ein Pick-up rasch an der Unterkunft der Aktivisten vorbei. „Terroristen!“, ruft Avinatan und weckt Daniel. Sie schnappen sich Taschenlampen und laufen zu ihrem Auto. Als sie einsteigen, düst der Truck schon wieder in umgekehrter Richtung vorbei. Mindestens zwei Per­sonen sieht man durch die dunklen Scheiben. Daniel und Avinatan folgen dem Fahrzeug bis zum Ortsausgang – von dort fährt es hoch zu Avischais Farm. „Ich schätze, sie testen uns“, sagt Daniel. Die Siedler wollten die Reaktionsbereitschaft der Aktivisten auf die Probe stellen. „Es ist aber besser, das ernst zu nehmen, ansonsten fühlen sie sich ermächtigt.“

Um sechs Uhr am nächsten Morgen kommt schon wieder der erste Anruf. Vor Salman Kaabnas Zelt sind Siedler auf­getaucht. Es handelt sich um den Jugendlichen mit den Ziegen vom Vorabend, zudem ist diesmal noch ein weiterer junger Siedler mit Schafen dabei. In dem langen Tal haben sie ihre Tiere genau neben die Behausung des Palästinensers ge­trieben. Kaabnas eigene Tiere sind im Stall. Er traut sich nicht, sie herauszu­lassen, aus Angst, dass sie gestohlen werden.

Das folgt einer Strategie. Praktisch täglich treiben Siedler ihre Schaf- und Ziegenherden ganz nah an die Behausungen der Palästinenser heran – und manchmal auch in sie hinein. So schränken sie den Lebensraum der Menschen ein; manchmal stehlen sie auch deren Tiere. Es geht schlicht darum, den Palästinensern das Leben unerträglich zu machen – und sie so zu vertreiben.

Als die Aktivisten eintreffen, sitzt einer der Siedler auf einem Steinbrocken. Avinatan stellt sich ein paar Meter neben ihn und beginnt laut zu beten. Scharon und Daniel laufen unterdessen dem zweiten Siedler hinterher, der seine Ziegen auf dem öden Feld hin- und hertreibt. Obwohl sie filmen, gelingt es ihm, in unbeobach­teten Momenten erst Scharon und dann Daniel mit seinem Hirtenstock jeweils einen leichten Schlag aufs Bein zu ver­setzen. Der andere Siedler wiederum wirft immer wieder kleine Steine auf Avinatan, der indessen so tut, als bemerke er das nicht.

So geht es mehr als eine Stunde – bis die Polizei eintrifft, die Scharon gerufen hat. Sie seien attackiert worden, beschweren die Aktivisten sich. Der Polizeibeamte, derselbe wie am Nachmittag zuvor, hört sich das an, unternimmt aber nichts weiter. Sie könnten ja zur Polizeistation kommen und Anzeige erstatten, schlägt er vor. Am Ende sagt er zu Scharon: Bei der Polizei habe er eine Sache gelernt – dass jede Geschichte zwei Seiten habe.