„Sabaton“: Und sofort hat man Lust, Taue zu straffen

Popmusik mit christlichen Themen erfreut sich gegenwärtig ja
großer Beliebtheit. Die katalanische Sängerin Rosalía kündet auf Lux, dem
aufsehenerregendsten Album des Jahres, von ihrem Glauben und ihrer Erweckung
durch weibliche Mystikerinnen. Die Elektro-Pop-Avantgardistin Holly Herndon
lässt in den Berliner Kunst-Werken eine künstliche Intelligenz ein
Mysterienspiel der Benedikterin Hildegard von Bingen aufführen. Ebenfalls in
Berlin war am Wochenende die schwedische Power-Metal-Band Sabaton zu erleben, die
sich besonders für eine spezielle Epoche des Christentums interessiert: für die
Kreuzzüge im Hochmittelalter.

Auf die Bühne der ausverkauften Uber Arena kamen die fünf Mitglieder
von Sabaton – einer der erfolgreichsten europäischen Metal-Bands überhaupt – in
weißen Mänteln mit Kreuzen darauf und Kettenhemden darunter. Dazu trug jeder
zwei Gurte, an einem hing ein Schwert, an dem anderen eine Gitarre. Eine
Imitation des Ornats des Ordens der Tempelritter, der nach dem Ende des ersten
Kreuzzugs gegründet worden war, um fortan die christlichen Pilger auf dem Weg
nach Jerusalem zu beschützen. Nebenbei bauten die Tempelritter eine Festung in
Gaza, belagerten erfolglos Damaskus und beteiligten sich an der Vertreibung der
Mauren von der Iberischen Halbinsel. 

Die Sabaton-Tempelritter jedenfalls
betraten die Konzerthalle durch einen Seiteneingang und schritten als Fackelzug
durchs Publikum. Dann erklommen sie ein Podest mitten im Saal, wo sie von
Julius Caesar, Dschingis Khan und Napoleon Bonaparte empfangen wurden, beziehungswiese von drei Schauspielern, die sich zuvor 20 Minuten darüber
gestritten hatten, wer von ihnen denn der legendärste Typ der Weltgeschichte sei. Der Streit endete damit, dass Dschingis Khan einen Dolch in den Rücken
von Julius Caesar stach.

Den größten Teil des Konzerts bestritten Sabaton auf einer
Bühne, die wie eine Tempelritterburg gestaltet war, mit Ecktürmen, Rundtürmen
und einem Wehrgang dazwischen. Freilich handelte nur das Eröffnungslied Templars auch tatsächlich von den Tempelrittern, die folgenden Stücke waren
allerlei anderen großen Männern und Militärtruppen der Weltgeschichte gewidmet.
Neben Julius Caesar, Dschingis Khan und Napoleon wurden die alliierten Soldaten
geehrt, die 1944 in der Normandie landeten (Primo Victoria), oder der
preußische Militärflieger Manfred von Richthofen (Red Baron)

Die Band „Sabaton“ macht symphonisch angedickten Metal. © Steve Bright

Die Musik von
Sabaton kann man sich grundsätzlich als symphonisch angedickten Metal mit
pseudogregorianisch gegurgelten Chor-Einlagen vorstellen. Daneben fanden sich
beim Berliner Konzert viele Stücke, die an den in Deutschland derzeit äußerst
populären Shanty-Rock von Santiano erinnerten, mit gleichermaßen geschunkelt wie
gestampft wirkenden Rhythmen und Männerchorgesängen;
man bekam sofort Lust, dazu ein paar Taue zu straffen oder sich um eine
Ankerwinde zu drehen.

Ob die Musik nicht etwas kriegsverherrlichend sei, wird die Band gelegentlich gefragt

Enttäuscht wurde eventuell, wer den Sabaton-Auftritt in der
Erwartung aufgesucht hatte, dort in einem Moshpit seine Haarmatte kreisen
lassen zu können; beim Verlassen der Halle hörte man einige Metalkuttenträger ihren
Unmut darüber äußern. Freilich hätten sie wissen können, worauf sie sich
einlassen, Sabaton pflegen ihren pädagogischen Geschichtskunde-Metal schon seit
einem Vierteljahrhundert. Für eine ordentliche Metal-Mosh-Menge hat es der
Musik schon immer an der nötigen Enthemmtheit gefehlt, und vor allem sind die
historisch-pädagogischen Exkurse, die meist der Sänger der Band, Joakim Brodén,
zwischen den Stücken hält, zu lang. Konzerte von Sabaton sind eher
Live-Action-Role-Plays mit Musik, aber gerade deswegen haben sie eine so große
Anhängerschaft: Wer sich auf den vielen Mittelalterfestivals im Land selbst gerne mal als Kreuzritter verkleidet, bekommt hier viele Inspirationen
geschenkt.

Auf der Tempelritterburg brannte es ständig an allen Ecken und
Enden; als preußische lange Kerls verkleidete Statisten feuerten aus Kanonen
ins Publikum; zu dem Stück The Attack of the Dead Man, das sich mit den
Chlorgaseinsätzen im Ersten Weltkrieg befasst, paradierten Sabaton mit Gasmasken
vor dem Gesicht und tragbaren Nebelkanonen durch die Menge. Gelegentlich wurde
die Band schon gefragt, ob ihre Musik etwas Kriegsverherrlichendes habe, was
sie jeweils mit Achselzucken bedenkt: Man mache halt Musik über historische
Themen, und die Geschichte der Menschheit bestehe nun mal vor allem aus Krieg.
Und aus Religion, wie man hinzufügen könnte nach diesem Abend, der in seiner
sonderbaren Mischung aus Pathos, emsiger Geschichtsbeflissenheit und
unbedarfter politischer Wirrnis von äußerster Gegenwärtigkeit war.