Ein Ermittler ohne Familiengeheimnis: Das darf nicht sein. Der Schwarzwälder „Tatort“ um den bodenständigen Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) und die unaufgeregte Franziska Tobler (Eva Löbau) bekam deshalb vor einiger Zeit eine Betonplatte spendiert. Sie befindet sich auf dem Grundstück des Elternhauses von Berg, einem Hof, an dem er bekanntlich sehr hängt.
Und diesmal läuft alles auf das Ding zu. In „Der Reini“, einem rauen Thriller von Bernd Lange (Buch) und Robert Thalheim (Regie), die schon den ersten Schwarzwald-„Tatort“ 2017 vorlegten, huschen drei Schatten in nebliger Nacht durch den dunkelsten der deutschen Wälder und erreichen am Morgen den Hof. Sie haben offensichtlich mit dem vorzeitigen Dahinscheiden eines Apothekers zu tun, vielleicht auch mit dem Tod seiner Frau, die bei Eintreffen der Ermittler am Tatort ebenso fehlt wie der dezent goldfarbene Wagen des Apothekers.
Die Neue ist betont unselbständig
Aber diesen Zusammenhang wird die Polizei erst sehr viel später herstellen. Eine Kommissaranwärterin ist mit der Spurensicherung am Ort des Verbrechens befasst: die mit großen Kulleraugen betont unselbständig gezeichnete Ermittlerin Ella Pauls (Luise Aschenbrenner). Sie ist die Vertretung für Tobler, die eine Fortbildung für künftige Führungskräfte besucht. Und verzweifelt daran, dass ihr keiner sagt, was sie als Erstes tun soll.
Der Tote „sieht aus wie mein Opa“ klagt sie, als sich Berg zu ihr bequemt. „Solches privates Zeug musst du raushalten, das macht dich bloß fertig“, rät er – um augenblicklich selbst zu „privatem Zeug“ geklingelt zu werden. Er braust von dannen, weil sein Bruder Reinhard (Felician Hohnloser) aus der Psychiatrie geflohen ist. Berg vermutet „Reini“ ganz richtig im Funkloch auf seinem Hof. Er findet dort den goldenen Wagen und zwei Begleiter, die ebenfalls der Klinik entflohen und nun Kaffee verlangen, den Schnauzbartriesen Luke (Karsten Antonio Mielke) und die zerzauselte Mika (Mareike Beykirch).
Nach Logik fragen wir lieber nicht
Man darf an dieser Stelle nicht danach fragen, wie ein Soziopath mit Lukes Geschichte einer Anstalt entfliehen konnte, ohne dass sein Gesicht auf jedem Polizeirechner auftaucht. Er ist jedenfalls schlechte PR für jeden, der Ängste vor Psychiatrien in der Nachbarschaft zu zerstreuen versucht. Mit vorgehaltener Waffe macht er Berg zum Gefangenen auf dem eigenen Hof. Und Reinhard, ein einfältiger Kerl, der sich aber daran erinnert, dass ihm die Hälfte des Anwesens zusteht, zieht zu dessen Verwunderung mit.

„Reini“ erhofft sich von der Aktion eine klinikfreie Zukunft im fernen Marokko und genießt es, im Verhältnis zum großen Bruder endlich mal der bestimmende Faktor zu sein. Seine Freundin Mika durchstöbert unterdessen das Berg’sche Kindheitsmuseum, bis sie den ganzen Stolz der Produktion, einen Walkman mit orangefarbenem Kopfhörer, aufgespürt hat. Auch sie macht nicht den Eindruck, vom Tod des Apothekers oder der Geiselnahme übermäßig aus der Kurve geschleudert zu sein. Wahrscheinlich gibt es für Leute in ihrem seelischen Zustand keine Eskalationsstufe mehr.
Wohl aber für diesen Thriller. Er eskaliert vor sich hin, weil Luke eine echte Heißdüse ist und bald auch Franziska Tobler in seine Hände gerät. Das Überleben von „Franz“ und „Frieda“ hängt nun fast komplett an den Erkenntnisfortschritten der Gen-Z-Vertreterin Ella.
Thalheims Regie findet inmitten der Daueraufregung erfreulich viel Zeit zur Ausleuchtung des Verhältnisses zwischen den Brüdern. Wir melden trotzdem Zweifel an, ob das Schwarzwälder Team die Auflösung des Betonplattenmysteriums wirklich verträgt. Es gibt im Krimi-Universum mittlerweile einfach zu viele Ermittler, die ein schweres Päckchen zu tragen haben. Ginge es nach uns, hätte es auch eine Belanglosigkeit unter der Platte getan.
Der Tatort: Der Reini läuft am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten.
