Kriminalität auf der Zeil in Frankfurt: Mit der Polizei auf Streife

Der Streifenwagen ist gerade geparkt, die Beamten steigen aus, als ein Mann aus einer Seitenstraße kommt und ruft: „Verpisst Euch, Ihr Bullen“. Es ist 21.30 Uhr, noch früh am Abend. Die meisten Geschäfte sind geschlossen, die Zeil ist trotzdem voll. Und das wird sich auch nicht ändern im Laufe der Nacht.

Junge Frauen in Miniröcken und sandalenartigen Stöckelschuhen ziehen bei kühlen elf Grad über die Einkaufsstraße, sie sehen aus, als wollten sie später noch in einen Club. Männer um die zwanzig, gekleidet mit dunklen Markenjacken, stehen in Gruppen unter den Platanen herum. Manche laufen auch zwischen Hauptwache und Konstablerwache auf und ab. Dazwischen immer wieder Menschen, die die zentrale Einkaufsstraße in der Frankfurter Innenstadt nur queren. Auf dem Weg zu einer Party. Auf dem Weg nach Hause. Gegen Mitternacht werden sie immer weniger. Übrig bleiben die Gruppen junger Männer, die die Zeil als Treffpunkt für sich entdeckt haben. Als ihr Revier. Und dass die Polizei an diesem Abend auch mit Fußstreifen so präsent ist, gefällt ihnen nicht.

Die Polizei kontrolliert in der Nacht verstärkt Personen auf der Zeil.
Die Polizei kontrolliert in der Nacht verstärkt Personen auf der Zeil.Michael Braunschädel [F.A.Z.-Recht

Es ist der erste Abend, an dem das neue Konzept der Polizei greifen soll. Mehr Kontrollen, mehr Präsenz. Aus der Zeil, so hieß es zuvor in der Einsatzbesprechung der Polizei, solle wieder ein Ort gemacht werden, an dem sich jeder aufhalten könne – ohne Furcht. „Die Zeil ist inzwischen ein eigener Einsatzabschnitt geworden“, sagt Patrick Rüter von der Frankfurter Polizei. 4500 Straftaten registriere man dort im Jahr. 1500 davon seien Ladendiebstähle. Unter den übrigen 3000 befinde sich eine hohe Zahl an Gewaltdelikten. Auseinandersetzungen, die oft auch mit Waffen ausgetragen würden. Hinzu kämen Fälle sexueller Belästigung.

Die Einheit, die die Polizei nun ins Leben gerufen hat, um dieser Entwicklung stärker entgegenzusteuern, heißt „BAO Zeil“. BAO steht für „Besondere Aufbauorganisation“. Ein Begriff, den die Polizei immer dann nutzt, wenn es eine „temporäre Sonderlage“ gibt. Die Zeil wird nicht zuletzt wegen der von Bundeskanzler Friedrich Merz angestoßenen „Stadtbild“-Debatte auch über Frankfurt hinaus thematisiert. Sie ist auch in den Fokus gerückt, nachdem Verdachtsfälle von Polizeigewalt im zuständigen 1. Revier öffentlich geworden sind und Beamte des Reviers berichteten, sie seien mit dem „überlastet“, was sie an den Wochenenden erlebten auf der Zeil. Dieser Eindruck wird nach Angaben des Polizeipräsidiums ernst genommen, als Entschuldigung für die Straftaten lassen die Verantwortlichen ihn aber nicht gelten.

Nachtleben mit Blaulicht: Auch nach Geschäftsschluss sind auf der Zeil viele Menschen unterwegs.
Nachtleben mit Blaulicht: Auch nach Geschäftsschluss sind auf der Zeil viele Menschen unterwegs.Michael Braunschädel [F.A.Z.-Recht

Unabhängig davon erhebt die Frankfurter Polizei seit etwa zwei Jahren gezielt Zahlen über die bekannt gewordenen Straftaten, die Aufschluss darüber geben sollen, wie die Kriminalitätslage auf der Einkaufsstraße einzuordnen ist. Patrick Rüter sagt, das Konzept, das nun für die Zeil erarbeitet worden sei, umfasse „viele verschiedene Perspektiven“. So vielfältig die Herausforderungen auf der Zeil seien, so umfassend nehme man sich der unterschiedlichen Problematiken an.

Sexuelle Übergriffe und Gewaltkriminalität

Als Marsel Bakal, der an diesem Freitagabend den Einsatz leitet, an der Konstablerwache steht, kommen zwei Frauen vorbei, die auf dem Heimweg sind. Was hier los sei, fragen sie. Bakal sagt: „Wir führen Kontrollen durch.“ Eine der Frauen sagt: „Das ist gut.“ Sie berichtet davon, dass sie nicht mehr alleine nachts über die Einkaufsstraße laufe. Sie sei zu oft von Männern angesprochen worden. „Die rufen was oder machen Geräusche, wenn man vorbeigeht. Selbst, wenn man es ignoriert – es nervt.“

Auch das gehört zum Nachtleben auf der Zeil: Man trifft sich, man tanzt.
Auch das gehört zum Nachtleben auf der Zeil: Man trifft sich, man tanzt.Michael Braunschädel [F.A.Z.-Recht

Sexuelle Übergriffe sind eines der Delikte, die die Polizei von den insgesamt 4500 Straftaten, die sie im Bereich der Zeil im Jahr erfasst, besonders im Blick hat, wie Rüter sagt. Ebenso wie die Gewaltkriminalität. Die Beamten streifen auch an diesem Abend an der Stelle entlang, an der es vor einer Woche zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei afghanischen Gruppierungen gekommen ist. Schließlich zog einer der Angreifer ein Messer und stach auf einen Widersacher ein.

An diesem Ort hat am Wochenende zuvor ein Mann einen anderen mit dem Messer attackiert.
An diesem Ort hat am Wochenende zuvor ein Mann einen anderen mit dem Messer attackiert.Michael Braunschädel [F.A.Z.-Recht

So schlimm kommt es an diesem Abend nicht. Aber als Bakal und seine Kollegen in eine Nebenstraße einbiegen, stoßen sie auf eine Schlägerei. Vier Männer in den Zwanzigern. Zwei gegen zwei. Einer hat eine Wunde am Kopf. Wie sich herausstellt, kannten sie sich. Die Rede ist von einer Rechnung, die sie offen gehabt hätten. Als sie sich jetzt zufällig über den Weg liefen, ist der alte Streit eskaliert. Drei Personen haben die rumänische Staatsangehörigkeit. Der vierte hat keinen Ausweis dabei. Die Polizei nimmt Fingerabdrücke, um zu sehen, ob er schon erfasst ist im polizeilichen System. Bisher ist er es nicht.

Bakal und seine Kollegen laufen weiter zur Staufenmauer, einem Seitenabschnitt der Zeil, an dem sich vor allem Dealergruppen treffen. „Wir machen alles dicht“, sagt Bakal. Gemeint ist, dass einige Beamte auch von der anderen Seite zu dem kleinen Platz gehen, um zu verhindern, dass tatverdächtige Personen fliehen können. Drei Männer treffen die Beamten an, kontrollieren sie. Drogen finden sie keine. So geht es weiter, die ganze Nacht.

Was Bakal zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß ist, dass ein größerer Einsatz noch kommen wird. Am frühen Morgen geraten mehrere Personen in der B-Ebene der Bahnstation Konstablerwache in Streit, woraufhin einer der Beteiligten mit einer Pfefferpistole Reizgas versprüht. Um fünf Uhr morgens ist die Schicht zu Ende. Aber der nächste Tag wartet schon.