Teamaufteilung beim Hobbyfußball: Die Qual bei der Wahl

In unserer Kolumne „Grünfläche
schreiben abwechselnd Oliver Fritsch, Christof Siemes, Stephan Reich und Christian Spiller über die
Fußballwelt und die Welt des Fußballs. Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 46/2025.

Montagabends spiele ich oft Fußball in einer Halle. Wir sind
zehn, manchmal fünfzehn Männer. Wir kicken und schwitzen auf überschaubarem
Niveau. Danach gibt es meist noch ein Getränk, wie es das bei vielen
informellen Fußballrunden gibt. Ich bin seit etwa 15 Jahren Teil dieser Gruppe.
Sie wurde über die Jahre stets etwas jünger (oder genauer: ich etwas älter),
weshalb mir ein Ritual, das ich anfangs noch belächelte, auf das ich mich sogar
freute, mittlerweile Sorgen macht: Wir wählen noch.

Bevor es losgeht, werden ein, zwei oder
drei Spieler auserkoren, die ihre Mannschaftskameraden aus dem Kreis aller
Spieler auswählen. Solange, bis alle verteilt sind. Natürlich werden die Besten
zuerst gewählt, und die Schlechtesten zuletzt. Was oft zu sehr unangenehmen
Situationen führt. Mitten im Berufs- und sonstigen Leben stehende Endvierziger
sind plötzlich mit der Demütigung konfrontiert, als Letzter zu einem Team
gewählt zu werden.

Äußerlich lassen sich diese Männer nichts anmerken, aber ich
vermute, innerlich passiert etwas. Man muss schon höchst resilient sein, um das
nicht persönlich zu nehmen. Ich weiß nicht, ob ich das könnte. Noch war es
bei mir nicht so weit. Aber die Einschläge kommen näher. Schon öfter habe ich, als schon die Hälfte der Spieler vergeben war, innerlich abgezählt, wer
denn nun noch vor mir landen würde, wer nicht. Auf Martin und Sven (Namen zu
meiner Sicherheit erfunden) ist bisher Verlass. Irgendwann aber wird es mich erwischen. Das ist der Lauf der
Dinge. Irgendwann werde ich als Letzter gewählt
werden.

Diese Qual der Wahl ist ein altmodisches Ritual, das archaisch
wirkt und erstaunlich ehrlich ist. Es ist eine soziale Mutprobe im Kleinen, und die hat genau deshalb ihren Reiz: brutal, aber authentisch.

Früher verbuchte man das Wählen noch unter Charakterbildung: Das Leben ist halt so. Aber das Leben als konstante Demütigung? Nicht der
pädagogischste aller Ansätze. Nicht gut fürs Selbstwertgefühl, vor allem, wenn
es sich wiederholt. Nicht ausgeschlossen jedenfalls, dass die Methode mehr
Traumata verursacht hat als Stufenbarren oder 1000-Meter-Läufe.

Völlig richtig also, dass an Schulen oder in
Sportvereinen nicht mehr gewählt wird. Mittlerweile werden Teams entweder
zufällig eingeteilt, durch Abzählen zum Beispiel, oder die Sportlehrer oder
Trainerinnen legen sie fest. Für diese psychisch verträglicheren Formen nimmt
man auch in Kauf, dass die Mannschaften dann oft nicht so gleich gut
zusammengestellt sind wie nach dem Wählen.

Denn das ist das Paradox: Das Wählen mag unfair für den Einzelnen
wirken, produziert oft aber das fairste Ergebnis. An den Abenden, an denen wir
mal die Mannschaften frei Schnauze zusammengestellt haben, endeten die Spiele
mit deutlich größeren Torunterschieden.

Und zeigt sich in diesen wenigen Minuten am Montagabend
nicht auch alles, was uns ausmacht? Der Wunsch, gesehen zu werden, ebenso wie
die Furcht, übersehen zu werden? Die Freude, gebraucht zu werden, die Einsicht,
dass wir alle verschieden sind, und die Erkenntnis, dass es am Ende zusammen
doch geht? Wie viel Wahrheit im Wählen steckt.

Deshalb sollten wir das Wählen unbedingt beibehalten. Immerhin
haben wir neuerdings eine kleine Erleichterung eingeführt. Manchmal lassen wir diejenigen
als Kapitäne wählen, die am ehesten als Letztes gewählt würden. Was erst einmal
nett klingt, verschiebt am Ende nur das Dilemma etwas weiter nach vorn, in
meine Richtung. Wie gesagt: Irgendwann wird es mich erwischen als Letzten. 

Aber vielleicht
wird es gar nicht so schlimm sein.