CH-2900 Porrentruy: vor und an Martini

Die kleine Stadt jenseits der Jurahügel ist für uns immer wieder einen Besuch wert: wenn der Renault von Frau H. zum Doktor muss oder wir uns in der geschätzten Chocolaterie & Patisserie Nora Mario Piccina an süssen Köstlichkeiten trösten müssen. Pruntrut bietet eine hübsche, gut erhaltene Altstadt mit barocken Bürgerhäusern, beherrscht vom Schloss von Porrentruy, der ehemaligen Residenz der Basler Fürstbischöfe. Unter dem Jahr wirkt die Altstadt eher verschlafen und leer. Doch an St. Martin erwacht sie zum Zentrum des Kantons.

In Verdrehung eines Zitates von Bertolt Brecht „Erst kommt die Moral, dann kommt das Fressen“ schrauben wir uns vor lange vor Martini erst auf den Schlosshügel. Gute Kondition empfohlen.

Der Ausgang des fast endlosen Treppenhauses mündet in den Schlosshof.

Vom Schloss aus bietet sich ein guter Überblick auf Stadt und die Jurakette.

Der ursprünglichste Teil des Schlosses ist La Tour Réfous (der Rufusturm), ein runder Bergfried, der 1271 erbaut und auch während der Belagerungen im dreissigjährigen Krieg nie zerstört wurde.

Das heutige Schloss und seine Nebengebäude stammen grösstenteils aus der Zeit nach der Reformation 1524, als die aus Basel vertriebenen Prälaten und der Fürstbischof sich auf ihre Besitztümer zurückziehen mussten. Unter Fürstbischof Jakob Christoph Blarer von Wartensee, der 1575 bis 1608 regierte, erlebte die Stadt eine Blütezeit. Das Schloss wurde renoviert und ausgebaut, ein Jesuitenkollegium, Kirchen und ein Spital gegründet.

Die relative Idylle endete jäh mit dem Ausbruch des 30-jährigen Krieges, während dem Pruntrut mehrmals belagert, besetzt und geplündert wurde. Danach erholte sich das Städtchen langsam wieder. Das Ende der Fürstbischöfe in Pruntrut kam mit der Französischen Revolution. Der letzte Fürstbischof wurde 1792 aus seiner Residenz vertrieben. Die Ajoie wurde von Frankreich annektiert und die raurachische Republik ausgerufen. Nach Napoleons Niederlage wurde das Fürstbistum 1815 dem Kanton Bern als Kompensation für die 1803 «verlorene» Waadt zugesprochen.

Wie das Schloss früher einmal ausgesehen hat zeigt ein rekonstruiertes Modell in der Schlosskapelle:

Blick von der Stadt auf den Rufusturm.

Der Tour de Coq mit dem Hahn und dem Wappen der Fürstbischöfe:

Das Museum de l’Hôtel-Dieu befindet sich in einem ehemaligen Krankenhaus aus dem 18. Jahrhundert, einem der schönsten historischen Gebäude in Porrentruy. Es zeigt historische und künstlerische Exponate zur Rettung des jurassischen Kulturerbes. Besonders sehenswert sind die alte Apotheke und der Kirchenschatz.

Die ehemalige Apotheke des Krankenhauses, Bildausschnitt © Elena Franco

Wie ruhig das Städtchen vor St. Martin wirkt:

Die Porte de France:

Ende Baukultur. Seit Oktober liegen unsere Äpfel als Apfelsaft in 5 Liter bag-in-the-bag Beuteln. Die Quitten sind, soweit möglich, verwertet: Unsere landwirtschaftlichen Arbeiten sind beendet. Martini kann kommen.

Das St. Martinsfest in Pruntrut und der gesamten Region Ajoie ist ein mehrtägiges Fest, das in seiner ursprünglichen Form an die Grablegung des Heiligen Martin von Tours am 11. November erinnern sollte. Das La Saint-Martin in seiner heutigen (vor rund 30 Jahren wiederbelebten) Form ist ein organisiertes, kommerzialisiertes Fest mit einem grossen Markt von meist lokalen, kulinarischen Angeboten wie Wurstwaren, Käsekuchen, Schnaps und Wein (und Falafel) sowie handwerklicher Kunst oder umgekehrt. Die ansässigen Händler locken mit Rabattschlachten. Die Restaurants locken mit Schlachtplatten. In den Strassen dominieren schweinchen-rosafarbene Kopfbedeckungen. Und tout le monde freut sich darüber.

Wir assen einen Käsekuchen (Rezept: etwa wie mein Käsekuchen Berlincourt), tranken ein Glas Glühmost, kauften uns ein paar Saucisses d’Ajoie, fuhren mit der Bahn wieder nach Hause und kochten uns anderntags unseren eigenen Martinsteller:

Salzkartoffeln mit Schnittknoblauch, -Grün und -Samen. Wurst, Weisskraut mit Quittenwürfeln, Zwiebel, Vin jaune und einem Schuss Sojasauce. Im Glas: Süssmost. Das braucht kein Rezept.