Der Kick für die Pilzpasta – Stil

Virale Rezepte sind eine zweischneidige Sache. Denn so mitreißend die Begeisterung sein kann, mit der Foodfluencer oder Hobbyköchinnen eine neue Bananenbrot-Variante oder Chili-Öl-Zubereitung anpreisen, als hätten sie gerade das stromfreie Elektroauto erfunden, so weiß man auch: Ein Großteil der gehypten Gerichte sehen auf dem Bildschirm besser aus, als sie später schmecken. Vieles ist nicht neu, sondern höchstens neu verpackt. Außerdem wird man für die Zubereitung locker die 150-fache Zeit der oft im Zeitraffer gezeigten Videosequenz (30–45 Sekunden) veranschlagen dürfen. Und an all dem stört sich auch deshalb kaum einer, weil gefühlte 95 Prozent der Menschen, die Rezeptclips teilen, nicht einmal daran denken würden, die Gerichte auch nachzukochen.

Und dann ist da noch diese Angst, zu kritisch oder unaufmerksam zu sein und so im unendlichen Bilderstrom von Tiktok und Instagram doch etwas zu verpassen. Denn es gibt sie natürlich, die kleinen Perlen unter den Rezept-Tipps, diesen einen wunderbaren Küchenkniff, den man dann dankbar in sein Repertoire aufnimmt.

Einer davon ist der Trick mit der karamellisierten Sahne, die gerade auf vielen Plattformen als Wundermittel angepriesen wird, mit dem sich Soßen und Sugos angeblich mühelos in Götterspeise verwandeln lassen. Was tatsächlich nur ein kleines bisschen übertrieben ist, weil dieses üppige Amalgam aus Fett, Milchigkeit, Süße und Röstaromen wie ein Booster wirken kann, der zum Beispiel eine gewöhnliche Pasta auf ein neues Soulfood-Level hebt.

Boomer kennen den Geschmack von den Desserts ihrer Kindheit

Karamellisierte Sahne herzustellen, ist relativ einfach, wenn man ein wenig aufmerksam ist, damit sie nicht verbrennt. Man gießt normale Sahne in eine (Stahl-)Pfanne und lässt sie dort auf möglichst kleiner Flamme und unter häufigem Rühren (geeignet ist ein Silikonspatel) so lange einkochen, bis sie appetitlich goldgelb aussieht und eine puddingähnliche Konsistenz hat, was etwa zehn bis zwölf Minuten dauert. Nun die Sahne beiseitestellen, um sie später in eine (Pasta-)Soße einzurühren, die dadurch runder, aber auch komplexer wird, einen seidigen Glanz erhält und gut an den Nudeln haftet.

Die Idee dazu wird wahlweise zwei unterschiedlichen schwedischen Starköchen zugeschrieben, dem „Feuergott“ Niklas Ekstedt oder dem frühen Foraging-Guru Magnus Nilsson. Sterneküche und Skandinavien klingt tatsächlich plausibel. Dort arbeiten Köche gern besonders fette Sahne oder „fast verbrannte Milch“ vor allem in Desserts ein, weil der Geschmack die finanzkräftige Boomer-Generation an Nachspeisen aus ihrer Kindheit erinnert. Doch so viel Gourmetgeraune braucht man um karamellisierte Sahne wirklich nicht zu machen. Für die Küche zu Hause funktioniert sie besonders gut in Geflügelsoßen oder in der Pilzpasta.

Dafür (2 Personen) 150 ml Sahne nach der oben beschriebenen Methode einkochen lassen und Wasser für 200 g Pasta aufsetzen (Tagliatelle, Spaghetti). Dann 250 g gemischte Pilze (Champignons, Shitake, Kräuterseitlinge, Pfifferlinge, Steinpilze, hier geht alles, auch nur mit Champignons schmeckt die Soße) putzen, klein schneiden und in einer beschichteten Pfanne in etwas Pflanzenöl anschmoren, bis die Flüssigkeit fast verdampft ist. Kurz vor Ende 1 bis 2 gewürfelte Schalotten und 2–3 Thymianzweige mitgaren lassen. Nun die Pilze mit Noilly Prat oder Weißwein ablöschen, 100 ml Pastawasser oder Geflügelfond sowie die karamellisierte Sahne zugeben und kurz einköcheln lassen, bis die Soße eine seidige Konsistenz hat. Mit Salz und schwarzem Pfeffer abschmecken, geriebenen Parmesan (30–50 g) unterheben, die al dente gekochten Nudeln darin schwenken und mit weiterem Parmesan servieren.

Der Autor weiß, dass es oft ratsam wäre, weniger Sahne und Butter zu nutzen. Leider schmeckt es einfach zu gut.
Der Autor weiß, dass es oft ratsam wäre, weniger Sahne und Butter zu nutzen. Leider schmeckt es einfach zu gut. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))