Umzug: Darf man zurückgelassene Gegenstände wegwerfen? – Stil

In Wohngemeinschaften gibt es oft ein Kommen und Gehen. Der eine zieht ein, die andere aus. Häufig bleibt dann ein Sammelsurium an Gegenständen zurück, egal ob es sich um eine Studenten-WG handelt oder um Berufstätige oder Senioren, die in einer Gemeinschaft leben. Im Laufe der Jahre ist manchmal nicht einmal mehr klar, wem all die Sachen gehören: der antike Stuhl in der Küche, der Kunstdruck an der Wand, die Waschmaschine im Keller oder die James-Bond-Tasse im Geschirrschrank. Doch dürfen die neuen Besitzer mit den Gegenständen dann einfach machen, was sie wollen?

Nein, das dürfen sie nicht. Denn es handelt sich bei den Gegenständen um fremdes Eigentum. „Die Besitzer verfügen zwar über die sogenannte Sachherrschaft. Sie haben aber auch eine Obhuts- und Verwahrungspflicht“, erklärt Georg Hopfensperger, stellvertretender Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins München. Die neuen Bewohner dürfen also nicht ohne Weiteres die zurückgelassenen Möbel, das Fotoalbum oder die Waschmaschine verkaufen oder entsorgen. Denn die Eigentümer sind auch weiterhin Inhaber ihrer Gegenstände.

Manchmal kümmern sich die Eigentümer aber gar nicht mehr um die Objekte oder haben sie absichtlich zurückgelassen. Zum Beispiel eine alte Pfanne, die im Küchenschrank liegt, oder ein plattes, verrostetes Fahrrad, das im Hinterhof abgestellt und vergessen wurde. In solchen Fällen kann unter Umständen von „Dereliktion“ ausgegangen werden, sagt Hopfensperger. Dereliktion lässt sich von dem lateinischen Verb „derelinquere“ ableiten, was „verlassen, im Stich lassen“ bedeutet. Gegenstände, die als „herrenlos“ betrachtet werden, kann sich jeder aneignen. Doch dies gilt nur für Dinge von geringem Wert.

Über den Wert einer Sache lässt sich natürlich trefflich streiten. Um Missverständnisse zu verhindern, sollten Mieter beim Auszug ihre Gegenstände kenntlich machen und ankündigen, dass sie diese noch abholen wollen. Vermieter können die Eigentümer grundsätzlich auch anschreiben und ihnen per Mitteilung eine angemessene Frist setzen, bis die Gegenstände entfernt werden müssen. „Bei größeren Sachen kann die Frist bis zu einem Monat andauern, angemessen ist aber in der Regel eine Frist von vierzehn Tagen“, sagt Hopfensperger. Wichtig ist auch der Hinweis, was mit den Dingen nach Ablauf der Frist passiert. Eine Formulierung wie „Danach entsorge ich die Gegenstände“ kann hilfreich sein. Rechtlich zulässig ist eine Entsorgung aber nur, wenn es sich um Müll oder wertlose Gegenstände handelt. Im Zweifelsfall sollte man die Sachen also besser aufbewahren.

Grundsätzlich sollten Vermieter vorsichtig sein. Es komme immer wieder vor, dass Mieter bei Auszug ihren gesamten Hausrat zurücklassen, berichtet Hopfensperger. Ehe Vermieter vermeintlichen Schrott wegwerfen oder Dinge auf Ebay verkaufen, ist es ratsam, ein Inventarverzeichnis mit Fotos zu machen und Zeugen hinzuzuziehen. Sonst kann es unter Umständen für den Vermieter teuer werden. „Wer seine Obhutspflicht verletzt hat, macht sich schadenersatzpflichtig“, sagt Hopfensperger. Zu Streitfällen kann es insbesondere dann kommen, wenn die Gegenstände verkauft oder entsorgt wurden und Mieter beispielsweise eine teure Markenuhr oder andere wertvolle Dinge vermissen. „Der Vermieter muss dann nachweisen, dass die teure Uhr nicht dabei war“, sagt Hopfensperger.

Unangenehm kann es auch werden, wenn alte Kindheitserinnerungen verschwinden. „Dinge von persönlichem Interesse wie Fotoalben oder Tagebücher stellen Kostbarkeiten dar und dürfen nie entsorgt oder veräußert werden“, stellt Hopfensperger klar. Für solche Gegenstände gilt eine Obhuts- und Verwahrungspflicht, wie auch für wertvolle Gegenstände. Ehemalige Mieter oder auch frühere Partner können sich auch noch nach Jahren melden und gemäß Paragraf 985 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Herausgabe der Gegenstände fordern. „Der Anspruch verjährt erst nach 30 Jahren“, sagt Hopfensperger.

Manchmal kann die sorgfältige Verwahrung größerer Gegenstände wie Möbel oder Kunst, aber auch von Wertpapieren relativ kostspielig sein. Hat der rechtmäßige Eigentümer sie auch nach schriftlicher Aufforderung nicht abgeholt, kann der Vermieter sie öffentlich versteigern und den Erlös hinterlegen lassen. Geregelt ist dies in Paragraf 383 BGB. Aufgrund des großen Aufwands, den eine solche öffentliche Versteigerung verursacht, wird dieser Weg jedoch selten gewählt, weiß Hopfensperger.

Eine Freundin schenkte der Autorin ihre Waschmaschine, als sie aus der Nachbarwohnung auszog.
Eine Freundin schenkte der Autorin ihre Waschmaschine, als sie aus der Nachbarwohnung auszog. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))