
Karla Borger versteht sich noch immer als „aktive Beachvolleyballspielerin“. Darauf legt die Sechsunddreißigjährige großen Wert. Nur die Vorzeichen in ihrer Karriere haben sich ein wenig verändert. Wenn am Freitag in Adelaide (Australien) die Weltmeisterschaften beginnen, sind deutsche Teams qualifiziert – doch Borger ist nicht dabei. Das gab es seit 2011 nicht mehr.
Schon 2013 in Stare Jabłonki (Polen) gewann Karla Borger mit Britta Büthe WM-Silber. Es war der frühe Glanzpunkt in ihrer Beachvolleyball-Karriere – und zugleich der Höhepunkt, wie sich herausstellen sollte. Borger wurde noch zweimal deutsche Meisterin, gewann zweimal EM-Bronze und spielte zweimal bei Olympischen Spielen. Zudem vertrat die einstige Studenten-Weltmeisterin bei fünf weiteren Weltmeisterschaften mit vier verschiedenen Partnerinnen die deutschen Farben. Sie erreichte mit Büthe, Margareta Kozuch, Julia Sude und Sandra Ittlinger auch stets die K.o.-Runde, doch ein Coup wie 2013 in Polen sollte der Sportsoldatin nicht mehr gelingen.
„Wir hatten eine gute Zeit“
Dass sie nun bei der WM 2025 nicht dabei ist, lag auch daran, dass sich ihre aktuelle Partnerin Marie Schieder bei den deutschen Meisterschaften am Timmendorfer Strand Anfang September eine schwere Knieverletzung zuzog. Danach war klar, dass Borger/Schieder nicht mehr gemeinsam auftreten werden. „Wir hatten eine gute und intensive Zeit zusammen“, sagt Borger über die zwölf Jahre jüngere, hochtalentierte Angriffsspielerin. Doch die soll sich in Zukunft mit neuer Partnerin beweisen: „Sie soll Flügel bekommen.“

Borger selbst bleibt dagegen eher am Boden. „Ich werde nicht mehr auf der ganz großen internationalen Tour antreten“, kündigt sie an. Bei Future-Turnieren und auf nationaler Ebene aber schon. Die trickreiche Abwehrspezialistin spielt künftig mit Vicky O’Hara – einer sehr jungen Spielerin, die aus der Leichtathletik kommt, „über enorme Sprungkraft und viel Potential“ verfügt, wie Borger sie beschreibt. Nun gelte es, die beachvolleyball-spezifischen Fähigkeiten der Achtzehnjährigen zu verbessern.
„Ich möchte mich einmal frei fühlen“
Als „Win-Win-Situation“ für Spielerinnen und Verband empfindet Karla Borger die Konstellation, die wie ein Mentoren-Programm erscheint. Sie wird selbst weiter am Standort Stuttgart trainieren – und zudem mit Bundesnachwuchstrainer Paul Becker ein Programm erarbeiten, um deutsche Talente aufzubauen. Das Konzept passt zu Borger, die sich in den vergangenen vier Jahren als Präsidentin des Vereins „Athleten Deutschland“ für die Belange der Spitzensportler eingesetzt hat.
Zur jüngsten Wahl vor wenigen Wochen trat sie nach vier Jahren aber nicht mehr an. Ihren Ehrgeiz als Athletin, soviel hat sie in den vergangenen Jahren erlebt, „darfst du nicht auf das politische Feld übertragen“. Die Langsamkeit der Umsetzung sportpolitischer Forderung sei bisweilen schwer mit der eigenen Schnelligkeit in Einklang zu bringen. Gleichwohl bezeichnet sie die abgelaufene Zeit als „vier gute Jahre, in denen ich viel gelernt habe.“

Das Team in Präsidium und Geschäftsstelle habe einiges erreicht, dabei auch Ideen weitergeführt, die ihr Vorgänger Max Hartung angeschoben hatte. Die Anlaufstelle gegen Gewalt im Spitzensport, an die sich Sportlerinnen und Sportler anonym und vertraulich wenden können, wenn sie körperliche, psychische oder sexualisierte Gewalt erlebten, wurde eingerichtet und wird oft angefragt. „Wir stehen im Koalitionsvertrag mit unseren Forderungen. Den Mutterschutz bei Sportlerinnen haben wir vorangetrieben“, zählt Borger zudem auf. Der Verein „Athleten Deutschland“ sei nicht mehr wegzudenken.
Der Grund, warum sie dennoch aufhörte: „Ich möchte mich einmal frei fühlen“. Sie habe „nie Urlaub gemacht“ in den vergangenen Jahren: „Irgendwas war immer.“ Den Gedanken, dass ihr Leben als Beachvolleyball-Profi ohnehin ein einziger langer Urlaub gewesen sei, lacht sie locker weg. „Ja klar, es war eine mega gute Zeit“, erklärt sie: „Ich habe die Welt gesehen, war an vielen Stränden“ und es sei insgesamt „schon ein privilegiertes Leben“. Andererseits sei die Reiserei immer verbunden mit der Hetzerei zwischen Flughafen, Hotel, Kraftraum und Beachvolleyballfeld – sowie dem Gedanken: „Ich muss aber noch trainieren“.
Damit, dass sie nun nicht nach Australien reisen durfte, ist sie im Reinen. „Ich freue mich für die anderen, aber ich würde mich jetzt nicht ready fühlen zum Spielen“. Aus ihrer frühen Profizeit sind nur noch zwei Spitzenspielerinnen übriggeblieben: Die Schweizerin Anouk Vergé-Depré, 33, Olympiadritte von 2021 und Europameisterin 2020, sowie Carol Solberg. Die Brasilianerin, mittlerweile 38, gehört seit zwei Jahrzehnten zur Beach-Elite, jagt aber noch immer einem großen Titel hinterher.
Dass Karla Borger dem Volleyball auf vielfältiger Weise verbunden ist, zeigte sich bei ihrem jüngsten Ausflug. Früher spielte sie als Libera beim VC Wiesbaden und den Allianz Volleys Stuttgart in der Bundesliga. Nun reiste sie als Expertin für einen Monat nach Indien und kommentierte dort Männer-Hallenvolleyball fürs Fernsehen. „Ein tolles Erlebnis“ – aber auch kein Urlaub: „Das war krasse Arbeit“, sagt sie.
