US-Flugzeugträger in Karibik: Wozu diese hohe Schlagkraft?

Nun ist er da. Am Dienstag kündigte das Pentagon die Ankunft des Flugzeugträgers Ford in Lateinamerika an. Das nuklear betriebene Schiff, das mehr als 75 Flugzeuge und 5000 Besatzungsmitglieder transportieren kann, gilt als das größte und modernste seiner Klasse. Der Flugzeugträgerverband um die Gerald R. Ford stößt zu den acht Kriegsschiffen, zehn F-35-Kampfjets, Spionageflugzeugen und zum Atom-U-Boot hinzu, die Washington seit August in die Karibik entsandt hat.

In einer Mitteilung des Pentagons hieß es, der Flugzeugträger würde helfen, „den Rauschgifthandel zu unterbinden und transnationale kriminelle Organisationen zu schwächen und zu zerschlagen.“ Seit Anfang September hat die US-Armee in der Region 19 mutmaßliche Rauschgiftboote zerstört, wobei mindestens 76 Personen getötet wurden.

Das Vorgehen der US-Armee in der Karibik sorgt für wachsende Kritik. Am Rande des G-7-Außenministertreffens in Kanada bezeichnete der französische Außenminister Jean-Noël Barrot die Operationen als völkerrechtswidrig und wies darauf hin, dass in der Region mehr als eine Million französische Staatsbürger lebten, die von einer Eskalation betroffen sein könnten.

Rubio weist europäisches „Diktat“ zurück

Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Operationen hat offenbar auch Großbritannien, das Medienberichten zufolge keine Informationen mehr über mutmaßliche Drogenhandelsschiffe in der Karibik an die Vereinigten Staaten weiterleitet. US-Außenminister Marco Rubio dementierte das am Mittwoch. Die Europäer dürften nicht diktieren, wie Washington seine nationale Sicherheit verteidigt, sagte er ebenfalls auf dem G-7-Außenministertreffen.

Kolumbien hat indes bereits konkrete Schritte bekannt gegeben. Am Dienstag wies Präsident Gustavo Petro die Sicherheitskräfte an, keine Geheimdienstinformationen mehr mit den USA zu teilen, bis diese ihre Angriffe auf mutmaßliche Schmugglerboote einstellen. US-Präsident Donald Trump hatte Petro Ende Oktober als „Rauschgifthändler“ bezeichnet und Sanktionen gegen ihn und seine Familie erhoben. Kolumbien, das seit Jahrzehnten Washingtons wichtigster militärischer Partner in der Region ist, bezeichnet den Marineaufbau als eine Bedrohung für seine eigene Souveränität. Regierungsbeamte sagten, dass die Vereinigten Staaten sich auf Schläge gegen das Regime des venezolanischen Machthabers Nicolás Maduro vorbereiteten.

Größte Mobilisierung seit erstem Golfkrieg

Bei der Ballung von Kriegsschiffen in der Karibik, die durch die Ankunft des Flugzeugträgerverbandes Gerald R. Ford noch eindrücklicher geworden ist, handelt es sich um die größte Mobilisierung der Marine seit dem ersten Golfkrieg und die größte Truppenentsendung in die Karibik seit Jahrzehnten. Viele Beobachter sind sich einig, dass sich dies nur noch schwer mit dem Kampf gegen den Drogenhandel rechtfertigen lässt.

Schläge gegen sein Regime? Der venezolanische Machthaber Nicolás Maduro ruft am 11. November zur Landesverteidigung auf.
Schläge gegen sein Regime? Der venezolanische Machthaber Nicolás Maduro ruft am 11. November zur Landesverteidigung auf.Reuters

Washington arbeitet schon seit Jahren an der Entmachtung des Regimes in Caracas, das sich gewaltsam an der Macht hält und dem zahlreiche Menschenrechtsverletzungen sowie die Verstrickung in den Rauschgifthandel und andere illegale Geschäfte vorgeworfen werden. Venezuela ist überdies zu einem Stützpunkt Moskaus und Teherans in Lateinamerika geworden.

In den letzten Jahren sei Washingtons Politik gewesen, „Werkzeuge“ in der Region zu platzieren, um etwas in Venezuela zu tun, sagte James Story, der frühere Leiter der Abteilung für venezolanische Angelegenheiten in der US-Botschaft in Bogotá, in einem Interview. Präsident Trump könne mehr Schmuggler in der Region angreifen, innerhalb oder außerhalb Venezuelas, oder auch die Führung der venezolanischen Regierung auslöschen.

Story kann sich vorstellen, dass Trump die militärische Kraft nutzen wird. Es sei aber schwer vorherzusehen, auf welche Weise. Christopher Hernández-Roy vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington sprach gegenüber der Agentur Reuters vom Aufbau eines Drohszenarios, um „das Maduro-Regime und die Generäle um ihn herum zu verängstigen, mit der Hoffnung, dass dies Risse schaffen wird“.

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Was Trump tatsächlich vorhat, ist unklar. Seine Aussagen sind widersprüchlich. Zunächst hatte er Bodenoperationen in Venezuela in Betracht gezogen. Später schloss er Militärschläge innerhalb Venezuelas aus. Dabei könnte sich sein Kampf gegen den Rauschgifthandel in Venezuela gegen fast alles richten, auch gegen die Armee und Staatschef Maduro selbst. Er ist laut der US-Justiz einer der Köpfe des sogenannten „Sonnenkartells“, einer Struktur innerhalb des Staates und der Armee, die den Transport von Kokain durch Venezuela ermöglichen und daran mitverdienen soll. In diesem Jahr hat Washington das „Sonnenkartell“ als internationale Terrororganisation eingestuft und die Belohnung für Hinweise, die zu Maduros Festnahme führen, auf 50 Millionen Dollar verdoppelt.

Venezuela bereitet Guerillataktik vor

Die Führungsspitze in Caracas ist seit der Ankunft der ersten Kriegsschiffe in Panik. Seit Wochen führt die venezolanische Armee Übungen durch, um sich gegen mögliche Angriffe zu verteidigen. Die veralteten russischen Kampfflugzeuge und Luftabwehrraketen hätten den US-Streitkräften in der Luft nur wenig entgegenzusetzen. Quellen berichten über Treibstoff- und andere Versorgungsengpässe. Auch die extrem niedrigen Gehälter der Truppen dürften nicht positiv zur Schlagkraft beitragen.

Angesichts der militärischen Unterlegenheit bereitet das Maduro-Regime offenbar eine Art Guerillataktik vor, wie Regierungsvertreter öffentlich ankündigten. Auch von einer „Anarchisierung“ Venezuelas ist die Rede, um das Land unkontrollierbar und unregierbar zu machen.

Wie sich das militärische Drohszenario auf den Zusammenhalt der Armee und der Führungsspitze des Regimes auswirkt, ist schwer einzuschätzen. Die Armee hatte sich in der Vergangenheit immer als sehr loyal zu Maduro erwiesen. Maduro übernahm dabei die Strategie seines Vorgängers Hugo Chávez und überhäufte wichtige Militärs mit Privilegien, Ministerämtern und Chefposten von Staatsunternehmen. Zuletzt stellte die Armee ihre Treue bei der Präsidentenwahl im vergangenen Jahr unter Beweis, bei der Maduro den Sieg für sich beanspruchte, obwohl die Opposition belegen konnte, dass ihr Kandidat deutlich mehr Stimmen geholt hatte. Die anschließenden Unruhen wurden von den Sicherheitskräften gewaltsam niedergeschlagen.

Bauarbeiten an US-Stützpunkten

Während das Maduro-Regime sich über Jahre als Meister der Unterdrückung erwiesen hat, steht es nun erstmals einer konkreten militärischen Bedrohung gegenüber. Und diese dürfte länger anhalten und intensiver sein, als das bisher anzunehmen war. Recherchen von Reuters, die sich auf Satellitenaufnahmen, Flug- und Schiffsdaten sowie verschiedene Quellen stützen, zeigen, dass die US-Armee verschiedene Stützpunkte in der Karibik ausbaut.

Augenfälligstes Beispiel ist der einstige Marinestützpunkt Roosevelt Roads in Puerto Rico, der vor mehr als 20 Jahren von der Marine geschlossen wurde. Seit September werden dort die Rollwege ausgebaut, um die Nutzung durch Kampfjets und Frachtflugzeuge zu ermöglichen. Überdies wird an militärischen Einrichtungen auf zwei zivilen Flughäfen in Puerto Rico und auf den Amerikanischen Jungferninseln gebaut. Flugdaten der letzten Wochen zeigen Dutzende Flüge mit militärischen Transportflugzeugen in der Region.

Während seiner ersten Amtszeit hatte Trump in Bezug auf Venezuela gesagt, dass alle Möglichkeiten auf dem Tisch lägen. Jetzt ist der Tisch so üppig angerichtet wie nie zuvor.