

Der Medien- und Dienstleistungskonzern Bertelsmann hat die Weichen für einen Generationswechsel gestellt. Der 35 Jahre Thomas Coesfeld, der seit gut zwei Jahren die Musiksparte BMG führt, wurde vom Aufsichtsrat zum Nachfolger des langjährigen Vorstandsvorsitzenden Thomas Rabe bestimmt. Damit wird Bertelsmann ab dem Jahr 2027 erstmals nach fast einem halben Jahrhundert wieder von einem Mitglied der Eigentümer-Familie geführt – denn Thomas Coesfeld ist ein Enkel von Reinhard Mohn, der aus Gütersloh heraus den größten Medienkonzern Europas aufgebaut hat.
Zum Kerngeschäft zählt die RTL Group, die bisher in Personalunion von Thomas Rabe geführt wird. Seine Nachfolge auf diesem Posten übernimmt der 48 Jahre alte Clément Schwebig. Der gebürtige Franzose kommt vom amerikanischen Unterhaltungskonzern Warner Bros. Discovery, war in früheren Jahren aber schon bei RTL tätig.
Thomas Coesfeld war einer von zwei Kandidaten, die als Favoriten für den Posten des Bertelsmann-Chefs gehandelt worden waren. Der andere war sein drei Jahre älterer Bruder Carsten Coesfeld. Beide gehören dem fünfköpfigen Bertelsmann-Vorstand an. Nach dem Studium an renommierten Management-Hochschulen hatten beide ihre Karriere außerhalb des Unternehmens begonnen, Thomas Coesfeld bei McKinsey, Carsten Coesfeld bei Goldman Sachs.
Aus seiner ersten Ehe mit Magdalene Rasfeld
Ein überdurchschnittliches Potential bescheinigte Bertelsmann-Aufsichtsratschef Christoph Mohn den beiden Brüdern, als er im Juni am Rande eines großen Management-Treffens in Gütersloh darauf angesprochen wurde – auch wenn sie noch recht jung seien. Bertelsmann betreibe rund 600 Geschäfte mit 140 verschieden Geschäftsmodellen, gab er zu bedenken: Um so einen komplexen Konzern zu führen, brauche es Empathie und Kreativität, vor allem aber analytische Fähigkeiten, Belastbarkeit, Durchsetzungsfähigkeit.
Wer die richtigen Qualitäten für den Chefposten bei Bertelsmann mitbringe, werde vom Personalausschuss geprüft und in der November-Sitzung des Aufsichtsrats besprochen, kündigte Mohn im Sommer an. Auf jeden Fall werde der Nachfolger für Thomas Rabe aus dem Vorstand herauskommen, eine Besetzung von außen sei zu riskant.
Thomas Coesfeld bringe alle Voraussetzungen mit, um Bertelsmann erfolgreich zu führen und die Kontinuität des Unternehmens zu sichern, schreibt Aufsichtsratschef Christoph Mohn nun nach der Gremiensitzung in einer Mail an die global fast 75.000 Mitarbeiter, die der F.A.Z. vorliegt: „Ich habe ihn in den vergangenen zehn Jahren bei Bertelsmann als unternehmerischen Manager kennengelernt.“
Eine interne Lösung ist für Bertelsmann nicht ungewöhnlich
Thomas Coesfeld habe das Musikgeschäft BMG in den zurückliegenden Jahren auf ein deutlich höheres Umsatz- und Ergebnisniveau gebracht und noch konsequenter auf das Streaming-Zeitalter ausgerichtet, lobt Mohn. Der 60 Jahre alte Aufsichtsratschef ist der Sohn von Reinhard und Liz Mohn. Die Coesfeld-Brüder wiederum sind Enkel von Reinhard Mohn aus seiner ersten Ehe mit Magdalene Rasfeld. Trotzdem genossen die Kinder den Respekt von Liz Mohn, die noch heute, mit 84 Jahren, als Grande Dame der europäischen Medienwirtschaft alle wichtigen Entscheidungen im Konzern begleitet.
Details über die Entscheidungsgründe für die Nachfolge werden nicht mitgeteilt. Der Prozess der Nachfolgeregelung habe sich über mehrere Jahre erstreckt, ist aber zu hören. Auch war eine Personalberatung eingeschaltet. Am Ende spielten möglicherweise nur Nuancen eine Rolle für die Entscheidung. Eine interne Lösung für die Nachfolge Rabes ist für Bertelsmann nicht ungewöhnlich; immerhin werden mehr als 80 Prozent der Führungspositionen im Haus intern besetzt.
Aktuell ist Carsten Coesfeld im Vorstand verantwortlich für Investments und damit für die Weiterentwicklung des Konzerns. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist das noch junge, sehr profitable Geschäftsfeld Education mit regionalem Schwerpunkt in Amerika. Thomas Coesfeld, der ab dem Jahr 2027 den Konzern leitet, wird gleichzeitig seine bisherige Funktion als Vorstandschef der Musiksparte BMG behalten. „Es ist eine Herausforderung, bei der ich auf die Unterstützung des gesamten Vorstands, des Top-Managements und aller Mitarbeitenden setzen werde“, kommentiert er seine Berufung.
Rabe war 15 Jahre lang Bertelsmann-Chef
Mehr als ein Jahr bleibt Thomas Coesfeld noch, um sich an der Seite von Thomas Rabe auf die neue Aufgabe vorzubereiten. „Ich werde alles tun, um einen reibungslosen Führungswechsel sicherzustellen“, verspricht der heute 60 Jahre alte Rabe: „Wir arbeiten seit Jahren eng und vertrauensvoll zusammen. Die Führung von Bertelsmann wird bei ihm und seinem Team in guten Händen liegen.“
Die Herausforderungen im Konzern sind vielfältig. Das klassische Fernseh-Geschäft ist wegen der Streaming-Konkurrenz unter Druck und entsprechend schwierig sind die ohnehin konjunkturanfälligen Geschäfte der RTL Group. Diese trug zuletzt noch ein Drittel zum Umsatz bei, Tendenz sinkend.
Zweitgrößter Umsatzbringer mit einem Viertel Anteil am Gesamtgeschäft ist die Verlagsgruppe Penguin Random House, die allerdings auch Wachstumsgrenzen zu spüren bekommt. Dagegen fällt die Arvato Group durch profitables Wachstum auf. Die drittgrößte Bertelsmann-Sparte hat ihre Wurzeln im Buchvertrieb, wurde aber längst zum breit aufgestellten Logistiker, mit Geschäften weit jenseits des Medienbetriebs.
Wenn Rabe Ende 2026 ausscheidet, wird er 15 Jahre lang Bertelsmann-Chef gewesen sein. Zuvor war er seit dem Jahr 2000 zuerst Finanzvorstand von RTL und dann von Bertelsmann. Unter seiner Ägide hat er den Konzern breiter und internationaler aufgestellt, das Wachstum forciert und die Profitabilität stabilisiert. Mittelfristig könne der Umsatz von zuletzt 19 auf 24 Milliarden Euro steigen, stellte Rabe im Sommer in Aussicht. Grundlage dafür seien Investitionen von 8 Milliarden Euro in seiner letzten Fünfjahresperiode als Vorstandschef.
Den neuesten Coup landete Rabe mit dem Zukauf des Fernsehsenders Sky. Künftig soll aber auch Asien stärker ins Visier genommen werden, wie im Zusammenhang mit der Nachfolgeregelung an der RTL-Spitze unterstrichen wird. Clément Schwebig, den er schon als Führungskraft bei RTL in den Jahren 2002 bis 2013 erlebt habe, wird von Thomas Rabe explizit nicht nur wegen seiner Medienexpertise gelobt. Er bringe „vor allem Kenntnis der Wachstumsmärkte in Asien mit, in denen Bertelsmann auch in Zukunft wachsen will“, erläutert Rabe die mit dieser Personalie verbundene Weichenstellung.
