All: Riskante Rückkehr nach Kollision – So steht es um Chinas gestrandete Astronauten

Seit einer Woche können drei chinesische Astronauten nicht zur Erde fliegen, nachdem ihre Kapsel offenbar von Weltraumschrott getroffen wurde. Chinas Büro für Raumfahrt äußert sich nach langem Schweigen nun zur komplizierten Situation im All.

Mission erledigt, zurück zur Erde. So lautete der Plan für Chen Dong, Chen Zhongrui und Wang Jie. Doch dann traf ein „winziges“ Stück Weltraumschrott auf seinem Weg durch den Weltraum die Raumkapsel der drei chinesischen Astronauten.

Die „Shenzhou-20“ sei beschädigt worden, man analysiere die Schäden – und berechne das Risiko für die Rückreise zur Erde, teilte Chinas Weltraumbehörde CSMA daraufhin knapp mit. Der Termin für die Rückkehr wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Das war am 5. November.

Sieben Tage hängen die drei chinesischen Astronauten jetzt schon im All fest; der ständigen Gefahr ausgesetzt, von weiteren Teilen getroffen zu werden – und mit der Aussicht auf einen riskanten Rückflug zur Erde.

Eine Sicherheitsbewertung und weitere Analysen des Raumschiffs „Shenzhou-20“ werden derzeit organisiert, teilte das Büro für bemannte Raumfahrt Chinas in einer Erklärung mit. Am Landeplatz in der Inneren Mongolei finde aktuell zudem eine Generalprobe zur Vorbereitung der Rückkehr der Besatzung statt. „Alle Arbeiten verlaufen planmäßig, stetig und geordnet“, hieß es weiter.

Zum Zustand der Crew erfolgte ebenfalls nur ein kurzes Statement. Die gestrandete Besatzung um Chen Dong, Chen Zhongrui und Wang Jie sei „in gutem Zustand, arbeitet und lebt normal“, so die Behörde. Die Besatzung befindet sich seit Ende April auf Chinas Raumstation „Tiangong“, was so viel heißt wie Himmelspalast. Dort müssen die drei Astronauten nach dem Zwischenfall weiter verharren.

Durch die unerwartete Verzögerung befinden sich derzeit sechs Personen auf der Station, nachdem die Besatzung der „Shenzhou-21“ am 1. November eingetroffen ist, um die Mission zu übernehmen. Laut dem Raumfahrtbüro befindet sich „Tiangong“ in einem „normalen“ Zustand und ist in der Lage, zwei Astronautenteams gleichzeitig zu beherbergen.

Allzu lang ist diese Doppelbelegung für die Technik an Bord allerdings nicht leistbar. Die Atemluft muss stetig gesäubert werden und die Lebensmittel sind in der Regel nicht für einen „Überbelegung“ bemessen.

Gefährlicher Weltraumschrott

„Shenzhou-20“ sollte ursprünglich am 5. November zur Erde zurückkehren, doch dieser Termin wurde verschoben, nachdem das Raumschiff mutmaßlich von kleinen Stücken Weltraumschrotts getroffen wurde. Ob die Raumkapsel auch andere technische Probleme aufweist, kann aufgrund der spärlichen Informationen nicht ausgeschlossen werden.

Die chinesische Raumstation „Tiangong“ fliegt, ähnlich wie die Internationale Raumstation ISS, in rund 400 Kilometer Höhe um die Erde, mit einer ähnlichen Geschwindigkeit von rund 28.000 Kilometern pro Stunde. Auf dieser Umlaufbahn rasen auch Unmengen Weltraumschrott durch den Weltraum. Seit Beginn des Raumfahrtzeitalters in den 1950er-Jahren haben Menschen ausgediente Raketen, abgeschaltete Satelliten und anderer Rückstände im Orbit hinterlassen.

Die Europäische Weltraumorganisation Esa schätzt, dass insgesamt mehr als eine Million Stücke Müll, die größer als ein Zentimeter sind, um die Erde rasen. Dieser Schrott kann bis zu 27.000 Kilometer pro Stunde schnell sein. Bei Kollisionen können bereits millimetergroße Teilchen immense Schäden an Raumfahrzeugen hinterlassen.

Überreste, deren Durchmesser mehr als zehn Zentimeter beträgt, werden von der Erde aus mit Radar- und Lasertechnik überwacht. Droht eine Kollision mit Raumstationen oder aktiven Satelliten, zünden diese kurzzeitig ihre Steuerdüsen und weichen der Gefahr aus. Gegen Teile unter einem Zentimeter sollen spezielle Schutzschilde aus Metall die Raumstationen und ihre Module schützen. Der Weltraumschrott, der zwischen diesen beiden Größen einzuordnen ist, stellt ein Restrisiko dar, dass Weltraumbehörden bei ihren Missionen einkalkulieren.

Allgemein sind kleinere Missionsverzögerungen nicht ungewöhnlich – so wurde die Rückkehr der „Shenzhou-19“ Anfang dieses Jahres wegen schlechten Wetters um einen Tag verschoben –, doch das mögliche Ausmaß der Schäden an „Shenzhou-20“ könnte eine kompliziertere Rückkehr bedeuten. Möglicherweise ist auch eine Ersatzkapsel nötig, die am Boden für Notfälle bereitgehalten wird und die gestrandeten Astronauten im All abholen müsste.

China kann seit dem Jahr 2003 stetige Fortschritte in seinem Raumfahrtprogramm vorweisen. Das Land unterhält mit „Tiangong“ eine eigene Raumstation und verfolgt das ehrgeizige Ziel, bis 2030 einen Menschen auf den Mond zu bringen. Aktuell muss das Büro für bemannte Raumfahrt allerdings erst einmal drei Astronauten sicher zur Erde zurückholen.

mit BLO/AP