
Die sportliche Talfahrt beim VfL Wolfsburg hat zur Entlassung von Trainer Paul Simonis geführt, auch Sportdirektor Sebastian Schindzielorz steht vor dem Aus. Intern standen die beiden zuletzt massiv in der Kritik. Es wurden süffisante Spitznamen vergeben, auch für den Geschäftsführer.
Phantom, Miesepeter, Praktikant: Wenn leitenden Angestellten hinter vorgehaltener Hand Spitznamen von der Belegschaft gegeben werden, zeugt das weder von Respekt noch von einem guten Arbeitsklima. Beim VfL Wolfsburg deutet das aber auch an, warum bereits zwei der drei wichtigsten Vorgesetzten der Bundesliga-Mannschaft gescheitert sind und der dritte deutlich angezählt ist.
Nach der Niederlage in Bremen (1:2), der siebten in den vergangenen acht Spielen, musste Paul Simonis als Erster gehen. Dem Trainer, intern bisweilen als „Praktikant“ verspottet, wurde seine Unerfahrenheit zum Verhängnis. Zwar attestierten ihm Spieler und Vorgesetzte eine akribische und meist treffende Spielvorbereitung und menschlich einen Top-Umgang mit der Mannschaft.
Allerdings gab es immer mehr Kritik an seinem In-Game-Coaching, also der Fähigkeit, während des Spiels auf taktische Veränderungen des Gegners richtig zu reagieren. Es gab sogar Partien, in denen die Spieler den Trainer förmlich anbetteln mussten, dass er auswechselt.
In Bremen verspielten die Wolfsburger zum vierten Mal eine Führung. Schon sechs wichtige Gegentore fielen in den letzten zehn Spielminuten. Zudem setzte Simonis trotz der Talfahrt und intern bekannter Mentalitätsprobleme auf eine weiche Führung, weigerte sich zum Beispiel, freie Tage für die Spieler zu streichen.
Bei der Suche nach seinem Nachfolger lässt sich Wolfsburg Zeit. Daniel Bauer, bisher Trainer der U19, springt ein – mit offenem Ausgang. Der Coach, der erst ab Januar seine Pro-Lizenz macht, darf sich beweisen. Es hängt also vom Erfolg ab, ob er zwei Spiele coachen oder bis zur Winterpause oder sogar darüber hinaus weitermachen darf. Möglich, dass die Wolfsburger später aber noch einmal einen neuen Coach suchen. Dieses Mal soll er deutschsprachig und bundesligaerfahren sein.
Sportdirektor Sebastian Schindzielorz – der „Miesepeter“
Dass Sebastian Schindzielorz bei der Pressemitteilung zum Trainerwechsel nicht zu Wort kam, war kein Zufall. Schon da war klar, dass der Sportdirektor seinen bis Saisonende laufenden Vertrag nicht erfüllen darf. Das hat weniger mit der nüchternen, distanzierten Art zu tun – manche sprechen von einem „Miesepeter“.
Vielmehr wurde Schindzielorz die schlechte Kaderplanung der vergangenen Jahre zum Verhängnis. Nicht nur, dass es ihm nicht gelungen war, im Sommer wie gewünscht einen Mittelstürmer und Spieler mit Siegermentalität zu holen. Schon davor hatten die Bosse Schwächen bei der Kader-Zusammenstellung und Fehleinschätzungen über Spieler identifiziert.
Bis zur Winterpause soll ein Nachfolger gefunden sein, der die Bundesliga gut kennt. Nach Informationen von „Sport Bild“ ist der Run auf den Posten groß. Sven Mislintat und Jonas Boldt sollen sich interessieren. Aber auch aktive Manager aus der Bundesliga. Im Umfeld des VfL fallen die Namen Fabian Wohlgemuth (Stuttgart), Christoph Freund (Bayern) und Sebastian Kehl (Dortmund).
Geschäftsführer Peter Christiansen darf vorerst bleiben, obwohl „das Phantom“ zwar intern von einigen als zu wenig präsent empfunden wird und die falschen Kader-Entscheidungen mindestens absegnete. Allerdings wird dem Dänen positiv zugerechnet, dass es bei der Frauenmannschaft und in der Jugend gut läuft und er bei der Verzahnung des Nachwuchses und der Profis richtige Zukunftsentscheidungen getroffen hat.
Bei den Frauen profitiert Christiansen massiv von der jahrelang herausragend guten Arbeit von Boss Ralf Kellermann. Dessen Gespür für den richtigen Kader und den sensiblen Umgang mit Spielerinnen ist nun das Vorbild für den Männerbereich, bei dem Christiansen Entscheidungsmacht an den neuen Sportdirektor abgeben muss.
Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Bild“ veröffentlicht.
