
Dieser Text stammt aus dem Familien-Newsletter der „Süddeutschen Zeitung“, der jeden Freitagabend verschickt wird. Hier können Sie ihn abonnieren.
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich will ja nicht angeben, aber eine Sache kann ich wirklich: Kinder dazu bringen, Berge hochzulaufen. Diese Fähigkeit kam gerade wieder zum Einsatz, wir hatten in Bayern Herbstferien. Sie wissen schon: Die Zeit, in der die Luft so klar ist und das Laub so bunt, in der unerwartet kräftig die Sonne scheint und man eigentlich nicht so recht was anderes zu tun hat. Weshalb Familien juchzend vor Freude in die Alpen ausziehen – so zumindest das Konzept.
Denn natürlich war auch bei uns am Frühstückstisch die Begeisterung überschaubar, als die Kinder den Urteilsspruch: „Wir gehen heute auf eine Alm“ empfingen. Nach kurzer Fahrt dann hingen sie wie Sandsäcke an der elterlichen Hand, sobald sie den Fuß auf den Weg setzten.
Aber dann – Abrakadabra – setzte ich meine Superkraft ein (SZ Plus). Ich habe sie vor mehr als 25 Jahren entwickelt, damals war ich Jugendleiter beim Alpenverein und bin sehr viele Kilometer und Höhenmeter mit sehr quengeligen Kinder bei meist sehr schlechtem Wetter gelaufen. Einen der Menschen, die jetzt in der Druckerei der SZ maßgeblich dafür sorgen, dass Sie morgens eine SZ bekommen, habe ich damals über unzählige Gipfel und Passhöhen gescheucht – und zwei, drei Mal auch in meinem Rucksack getragen, wenn ein Berg noch größer war als meine Superkraft. Er war glücklicherweise ein eher leichtes Kind.
Wie das alles nun funktioniert? Ich verrate es Ihnen: Sie müssen wenig fragen und sich sehr viel vollquatschen lassen. Mit dem uninteressantesten Kram, mit Details, die Sie niemals hören wollten. Ruhe in der Natur? Vergessen Sie es, lassen Sie die Kinder labern, bis Ihre Ohren noch schlimmer bluten als die fiesesten Wanderschuh-Blasen (so lassen sie sich eventuell vermeiden (SZ Plus)). Wenn der heutige Druckerei-Manager als Kind nicht mehr laufen wollte, ließ ich ihn stets erzählen, was er denn so im Fernsehen angeschaut hat. Jede Szene, haarklein, jeder Schnitt – und kaum hatte er die letzte Zeichentrickserie referiert, war er schon wieder zwanzig Wegkehren gelaufen, ohne es zu merken. Eben noch total erschöpft sein, jetzt gleichzeitig laufen, schnaufen, reden: Kinder können das.
Als Belohnung für unsere Söhne für die Wandertour – hier ein paar Tipps für den Winter (SZ Plus) – und als Belohnung für meine Frau und mich für die Aufnahme von Unmengen unnützem Fußball- und „Harry Potter“-Wissen, war ein großer, leckerer, zuckriger, buttriger Kaiserschmarrn geplant. „War geplant“, Sie merken schon: Hat nicht geklappt. Die Hüttenwirtin wollte Bargeld, ich hatte nur eine Karte aus Plastik. Ich habe aber auch nie behauptet, dass ich Menschen glücklich machen kann, wenn sie einmal am Berg oben angekommen sind.
Genießen Sie den Herbst,
Moritz Baumstieger
PS: Wenn Sie mal wie ich zu Hause wieder etwas gutzumachen haben, finden Sie hier das Rezept für den besten Kaiserschmarrn (SZ Plus).
