
Im Umgang mit digitalen Technologien lässt sich in der deutschen Politik eine Hilflosigkeit beobachten, die normale Social-Media-Nutzer aus eigener Erfahrung kennen: Im Dilemma, ob man angesichts der Nähe der dominanten Plattformen zur amerikanischen Regierung auf politisch unabhängigere Alternativen umsteigen sollte, siegt die Bequemlichkeit.
Im Unterschied zur Abwägung bei den Bürgern ist es allerdings nicht nur eine der privaten Moral, wenn sich die deutsche Polizei von der Software der Firma Palantir abhängig macht oder Rheinmetall Marschflugkörper bei Anduril kauft. Leider hat man jedoch das Gefühl, dass den verantwortlichen Politikern das Ausmaß des Problems gar nicht bewusst ist. Er könne die Aufregung um Palantir nicht nachvollziehen, sagte neulich Innenminister Alexander Dobrindt, Digitalminister Karsten Wildberger äußerte sich ähnlich.
Infrastruktur der Kontrolle
Man kann Dobrindt, Wildberger und allen anderen, die sich derzeit damit überbieten, die Bedeutung digitaler Souveränität zu betonen, während sie sie gleichzeitig aufgeben, nur empfehlen, einen genauen Blick auf eine Website zu werfen, die vor ein paar Tagen das drastische Ausmaß der Verstrickungen amerikanischer Techfirmen mit der US-Regierung veranschaulicht: Auf authoritarian-stack.info zeigen Wissenschaftler um die Digitalexpertin Francesca Bria, wie ein Netzwerk aus Unternehmen, Investmentfonds und Politikern zentrale staatliche Funktionen privatisiert.

„Authoritarian Stack“ bezeichnet eine umfassende Infrastruktur der Kontrolle, ein System aus Plattformen, KI-Modellen, Finanzsystemen, Drohnennetzwerken und Satellitensystemen.
Zwar sind die zentralen Akteure wie Peter Thiel, Elon Musk oder Alex Karp keine Unbekannten, aber die Dimension ihrer persönlichen und finanziellen Verbindungen zu Ministerien oder dem Militär sollte auch jene Politiker beunruhigen, die ihren Einfluss bisher gerne für eine Verschwörungstheorie gehalten haben. 250 Akteure, Tausende von Verbindungen und Finanzströme in Höhe von 45 Milliarden US-Dollar haben die Wissenschaftler analysiert.
Längst sind die Firmen, die offen die Demokratie ablehnen, dabei, sich auch in Europa unverzichtbar zu machen. „Das Silicon Valley entwickelt keine Apps mehr. Es errichtet Imperien“, heißt es auf der Website. Angesichts der Daten ist das keine Hyperbel.
