Champions League: Eintracht Frankfurt überzeugt in Neapel im Catenaccio-Stil – Sport

Fußball in Italien ist immer auch großes, mourinhoeskes Theater, und so war es am Dienstagabend nur eine Frage der Interpretation, ob Antonio Conte, der Trainer der SSC Neapel, angefressen war oder sotto voce Bewunderung äußern wollte. Vielleicht sogar Neid. „Was hättet ihr nicht alles geschrieben, wenn wir in Deutschland so einen Auftritt hingelegt hätten!“, sagte Conte nach dem 0:0 vom Dienstagabend gegen die Frankfurter Eintracht in der Champions League und lieferte die Antwort gleich mit: „Tutto catenaccio e ripartenze“, „bloß Catenaccio und Konter“. Passt schon, brummte Conte und fügte triumphierend an: „Wir haben den Deutschen Catenaccio beigebracht.“

Contes Kollege Dino Toppmöller nahm Contes Bemerkungen tatsächlich als „Kompliment“ entgegen. Was verriet, dass er sogar regelrecht danach gedürstet haben dürfte. In den vergangenen Wochen war im Zusammenhang mit Eintracht Frankfurt über nichts intensiver gesprochen worden als über die Abwehr oder, genauer, über deren Probleme. Nun also blieb ausgerechnet in Neapel der Kasten sauber. Oder, in crescendo, beim aktuellen italienischen Meister und Tabellenführer, sprich: beim führenden Vertreter des Landes, das „gefühlt das Defensivspiel erfunden hat“, wie Toppmöller sagte.

Auch in den Zeitungen fanden sich Belobigungen: „(Robin) Koch und (Arhtur) Theate ziehen eine perfekte Mauer hoch“, staunte Il Mattino. Und wie in dieser Zeitung aus Neapel wurde Toppmöller auch von der Gazzetta dello Sport mit einer Schulnote bedacht, die besser war als jene, die Conte erhielt. Übersetzt: Toppmöllers Mannschaft setzte dessen Ideen besser um als die SSC Neapel die Vorgaben Contes.

Was diese waren im Fall der Eintracht? „Wir wussten, dass unser Defensivspiel in dieser Partie die wichtigste Spielphase sein würde“, sagte Toppmöller. Es funktionierte. Richtig herausragende Chancen gab es zwar eher für die Neapolitaner – insbesondere für Scott McTominay, der in der zweiten Halbzeit nach großartiger Vorarbeit von Zomba Anguissa einen Ball Richtung Curva B schoss. Es wäre nur leicht übertrieben, behauptete man, dass Eintrachts Torwart Michael Zetterer sich erst in der Nachspielzeit auszeichnen konnte. „Die defensive Stabilität, die eingekehrt ist, liegt wahrscheinlich auch ein Stück weit an ihm“, sagte Toppmöller über seinen Torwart; Zetterer strahle auch mit dem Ball am Fuß „Erwachsenheit“ und „Ruhe“ aus.

Gerüchte über eine Invasion von Eintracht-Fans stellten sich als falsch heraus

Mindestens ebenso wichtig scheint zu sein, dass die Eintracht sich in der vergangenen Länderspielpause dezidiert mit Fragen der Verteidigung beschäftigt hat. Dass sie nun bevorzugt mit einer Fünfer- statt einer Viererkette spielt, habe der Mannschaft ein „in Anführungszeichen größeres Sicherheitsgefühl“ gegeben, sagte Toppmöller. Ein Mann mehr vor dem Strafraum ist ein Mann mehr vor dem Strafraum. Wichtiger aber sei, dass die Mannschaft aktiv „nach vorn verteidigt“ habe und sich auch die offensiv veranlagten Spieler aufopferten. Exemplarisch für die letzte Gruppe stand nicht zuletzt Jonathan Burkardt, der einen „Mittelstürmer im Wasserballstil“ gab, wie Il Mattino beobachtete. Er rieb sich, sollte das heißen, in betont körperlich geführten Duellen mit den neapolitanischen Verteidigern auf. Dass er keine konkrete Torgefahr ausstrahle? Va bene.

Gut aufgepasst: Dino Toppmöller (links) begegnet der SSC Neapel von Trainerkollege Antonio Conte mit typisch italienischer Taktik.
Gut aufgepasst: Dino Toppmöller (links) begegnet der SSC Neapel von Trainerkollege Antonio Conte mit typisch italienischer Taktik. (Foto: Francesco Pecoraro/Getty Images)

Jenseits von alledem blieben die diplomatischen Verwerfungen zwischen der SSC Neapel und der Eintracht übrig, und sie dürften sich auch in Zukunft halten. Unter anderem, weil sich eine Äußerung des für Fanbelange zuständigen Eintracht-Vorstands Philipp Reschke in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Neapel ist im internationalen Fußball eines der gefährlichsten Pflaster“) in eine Generalabrechnung mit einer Gemeinde verwandelte, die langsam anfängt, sich als Tourismuszentrale zu verstehen: „Neapel ist eine gefährliche Stadt.“

Hintergrund waren nicht zuletzt die Zwischenfälle beim nunmehr vorletzten Neapel-Ausflug der Eintracht im März 2023. Seinerzeit hatten zahlreiche Eintracht-Fans ein von der Eintracht als rechtswidrig angesehenes, behördliches Einreiseverbot umgangen – und waren mit Napoli-Fans aneinandergeraten. Dass sich die Bilder von damals nicht wiederholten, löste bei der Eintracht-Expedition Erleichterung aus, andererseits war auch Groll vernehmbar.

Eintracht-Sportgeschäftsführer Markus Krösche regte gar an, die SSC Neapel ganz aus den europäischen Wettbewerben zu verbannen: „Wenn du nicht in der Lage bist als Veranstalter oder als Klub, ein Spiel stattfinden zu lassen, bei dem du Gästefans und Heimfans am Spiel teilnehmen lassen kannst, dann muss man ehrlicherweise sagen, dann dürfen sie an dem Wettbewerb nicht teilnehmen.“ Eine Antwort der SSC Neapel – deren Fans unlängst nicht nach Eindhoven gelassen wurden – stand am Mittwoch aus. Verärgert war die Eintracht aber nicht nur wegen der Ticket- und Einreisesperren für die SGE-Fans. Sondern auch wegen der „Gerüchte“ über eine neuerliche (und schließlich inexistente) Invasion von 500 Eintracht-Fans, die von der Bild verbreitet worden war. Reschke nannte die Darstellung „falsch und auch nicht hilfreich“.

Ansonsten bedauerte Reschke den Ausschluss der Fans vor sportlichem Hintergrund. „Wer weiß, wie es sich in der zweiten Halbzeit mit unseren Leuten im Rücken noch entwickelt hätte“, teilte er mit. Toppmöller wiederum gab sich vergleichsweise zufrieden. „Ich glaube, dass der Punkt sehr, sehr wertvoll sein kann“, sagte der Coach. Nun gehe es darum, „dass er wertvoll wird“ – gegen Atalanta Bergamo (26.11.), in Barcelona (9.12.) und Qarabaq (21.1.) sowie zum Abschluss gegen Tottenham Hotspur (28.1.).