Wie viele Zuschauer das Spiel zwischen dem VfL Wolfsburg und der TSG Hoffenheim (2:3) am Sonntagabend live gesehen haben, hat der übertragende Streamingdienst Dazn nicht mitgeteilt. Die mutmaßlich überschaubare Zuschauerzahl wäre wohl für keinen der Beteiligten schmeichelhaft, weder für die Klubs noch für das Marketing des Senders. Doch zumindest in Zuzenhausen und anderen Metropolen des Kraichgaus dürfte die Einschaltquote gestimmt haben, denn die hier ansässige TSG erfreut zurzeit ihr Publikum wie lange nicht mehr, zumindest sportlich, sie ziert den sechsten Platz der Bundesligatabelle. Der Verein und seine Organisation geben hingegen ein sowohl dubioses wie undurchsichtiges Bild ab. Das im Fernsehen aber immerhin als Seifenoper taugen würde.
Am späten Montagabend kursierten Medienberichte, die von der Entlassung des Finanzgeschäftsführers Frank Briel, 50, und des Vorsitzenden der Geschäftsführung Markus Schütz, 60, handelten. Briel gehört mit einer kurzen Unterbrechung seit 2006 zum Betrieb des damals noch in der Regionalliga spielenden Vereins, der Jurist Schütz hat bis in die jüngere Zeit hinein dem Vereinspatron und Gründungsstifter Dietmar Hopp zur Seite gestanden. Das vertraute Verhältnis hat sich inzwischen aber zum verkrachten Verhältnis gewandelt.

:Mal wieder Krach im Kraichgau
Mitten im Transfersommer entlässt die TSG Hoffenheim Sport-Geschäftsführer Alexander Rosen, für ihn übernimmt Akademiechef Frank Kramer. Der Zeitpunkt überrascht – obwohl Konflikte schon länger schwelen.
Dies wurde spätestens jüngst vor dem Prozess am Landgericht Heidelberg publik, in dem die TSG-Geschäftsführer dem in Hoffenheim jahrelang außerordentlich aktiven Spielerberater Roger Wittmann als Beklagte gegenüberstanden. Wittmann hatte das Verfahren angestrengt, nachdem ihm die TSG-Manager Hausverbot erteilt hatten, unter anderem weil sie ihm Nötigung und Beleidigung vorwarfen. Letzteres ist vor Gericht zweifelsfrei bestätigt worden. Dass Wittmann den Sportdirektor Frank Kramer als „Affe“ bezeichnet hatte, gehörte noch zu den harmlosen Vorfällen. Auch ein Fall von Bedrohung gegen Schütz durch den für seine robusten Methoden bekannten Wittmann kam zur Sprache.
Doch der 85 Jahre alte Klubgesellschafter Hopp stellte sich nicht auf die Seite der TSG-Funktionäre. Er unterstützt stattdessen weiterhin Wittmann, den er zu seinem Freundeskreis zählt. Aus dem Konflikt resultiert, wie aus dem Klub zu hören ist, auch der neueste Knall bei der TSG. Denn der Verein, vertreten durch die Geschäftsführer Briel und Schütz, hat in der vorigen Woche durch eine juristische Intervention dafür gesorgt, gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg – es erlaubte Wittmann wieder den Zugang zu seiner Stadionloge – Revision einlegen zu dürfen. Hopp hat das offenbar als Affront verstanden.

Ob Briel und Schütz ihre Jobs verlieren, darüber gab es bis Dienstagnachmittag keine offiziellen Angaben. „Das Thema steht im Raum“, hieß es aus dem Haus. Am Morgen hatte die TSG für 9 Uhr eine Mitarbeiterversammlung einberufen, dann aber wieder abgesagt. Die Gespräche dauerten an, wurde mitgeteilt. Hinter den hohen Mauern des Kreml geht es auch nicht viel geheimnisvoller zu als hinter den Wänden der TSG-Geschäftsstelle in Zuzenhausen.
Nicht auszuschließen ist nach Einschätzung von Kennern, dass die Entlassung von Briel und Schütz einen Kollateralschaden in der Unternehmensführung verursachen könnte. Der Geschäftsführer Nummer drei bei der TSG, Sportchef Andreas Schicker, hat nämlich wenig Interesse daran, in einem Verein zu arbeiten, der in Ränkespielen noch größere Meisterschaft entwickelt als im Fußballspiel. Dem aus der Steiermark stammenden Schicker, 39, der sich durch Erfolge mit Sturm Graz für den Wechsel in die Bundesliga empfohlen hatte, steht zudem bereits ein Fluchtweg offen: Red Bull Salzburg würde gern mit ihm die Vakanz besetzen, die Rouven Schröder hinterlassen hat, als er neulich lieber zu Borussia Mönchengladbach wechselte, anstatt in Salzburg seinen langfristigen Vertrag zu erfüllen.
Unter Schickers Aufsicht wurde der Kader verjüngt und verstärkt – ohne ein Minus zu erwirtschaften wie im Vorjahr
Dreimal hintereinander haben die Hoffenheimer zuletzt in der Bundesliga gewonnen, das 3:2 in Wolfsburg bezeugte nicht nur die gute Form der Mannschaft, sondern auch deren gelungenen Umbau unter der Aufsicht Schickers. Er hat den Kader rundum verändert, verjüngt und verstärkt, und anstatt dabei ein Minus von mehr als 40 Millionen anzurichten, wie es im chaotischen Transfersommer des Vorjahres geschehen war, stand diesmal nach Aufrechnung der Einnahmen und Ausgaben ein Plus-Betrag unter dem Strich.
Dabei hat es sich die TSG leisten können, Marius Bülter, 32, für eine geringe Ablöse zum 1. FC Köln gehen zu lassen und den Mittelstürmer Haris Tabakovic, 31, an Borussia Mönchengladbach zu verleihen. Beide werden in ihren neuen Teams mehr als bloß geschätzt – sie sind zentrale Verstärkungen. Doch wären sie noch bei der TSG, hätten sie das Spiel am Sonntag möglicherweise aus dem heimischen Fernsehsessel bei Dazn sehen müssen, denn ein Platz im Kader wäre keineswegs selbstverständlich. Offensiv sind nicht viele Klubs der Liga so variabel besetzt wie Hoffenheim. Spielern mit Perspektive wie Fisnik Asllani, Tim Lemperle, Max Moerstedt und Bazoumana Touré stehen die erfahrenen Angreifer Andrej Kramaric, Ilhas Bebou und Adam Hlozek zur Seite. Nur die Bayern und RB Leipzig haben in der Liga öfter getroffen als Hoffenheim.
Es sei doch logisch, dass Schickers Arbeit auch anderen Klubs auffalle, hat Hoffenheims Trainer Christian Ilzer vor ein paar Tagen gesagt, als er auf das Treffen des TSG-Managers mit den Red-Bull-Fußballbossen Jürgen Klopp und Mario Gomez angesprochen wurde. Schicker möchte zwar, so sagen Kenner, lieber in der deutschen statt in der österreichischen Bundesliga arbeiten. Aber ein Einstieg in Salzburg wäre ein Einstieg in die Red-Bull-Fußballwelt und somit ein potenzielles Sprungbrett zur 1-a-Filiale in Leipzig. Passenderweise ist RB Leipzig am nächsten Samstag in Hoffenheim zu Gast.
