

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die Triage-Regelungen des Infektionsschutzgesetzes für nichtig erklärt. Grund seien fehlende Bundeskompetenzen für die konkreten Regelungen des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG).
Bei der sogenannten Triage im Verlauf medizinischer Behandlungen handelt es sich um Prioritätensetzung im Fall zu knapper Kapazitäten. Der Ärzteverband Marburger Bund hatte eine Beschwerde unterstützt, die Ende 2023 von 14 Intensiv- und Notfallmedizinern eingereicht worden war. Sie richtete sich gegen den Paragrafen 5c des Gesetzes, das der Bundestag im Jahr 2022 beschlossen hatte, um Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen oder Alten zu verhindern.
Darin regelte der Bundesgesetzgeber, anhand welcher Kriterien über die Zuteilung überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten bei nicht ausreichenden Ressourcen entschieden werden soll. Das Bundesverfassungsgericht schrieb nun auf seiner Homepage: „Die Verfassungsbeschwerden haben Erfolg, der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Es besteht keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die angegriffenen Regelungen des § 5c IfSG.“ Die Entscheidung sei mit sechs zu zwei Stimmen ergangen.
„Überlebenswahrscheinlichkeit“ entscheidend
Das Wort Triage stammt vom französischen Verb „trier“, das „sortieren“ oder „aussuchen“ bedeutet. Es beschreibt, dass Ärzte in bestimmten Situationen entscheiden müssen, in welcher Reihenfolge sie Menschen helfen. Das Konzept gibt es zum Beispiel bei großen Unglücken mit vielen Verletzten, um meist eine kurzfristige Notlage zu überbrücken. In der Corona-Krise war das Thema angesichts voller Intensivstationen grundsätzlich in den Fokus gerückt.
Noch zu Pandemie-Zeiten hatte der Bundestag 2022 eine Neuregelung beschlossen und war damit einem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen. Es hatte 2021 entschieden, dass der Staat die Pflicht hat, Menschen vor Benachteiligung wegen einer Behinderung zu schützen. Zuvor gab es dazu wissenschaftliche Empfehlungen. Das Gesetz legte fest, dass über eine Zuteilung „nur aufgrund der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit“ zu entscheiden ist, ausdrücklich nicht nach Lebenserwartung oder Grad der Gebrechlichkeit.
Die Beschwerde richtete sich unter anderem gegen ein ebenfalls geregeltes Verbot einer nachträglichen Triage („ex post“), wonach die Behandlung eines Patienten mit geringer Überlebenswahrscheinlichkeit abgebrochen wird, um stattdessen einen Patienten mit besserer Prognose zu versorgen. Der Marburger Bund sah darin einen Konflikt mit dem Berufsethos: Ärzten werde die Möglichkeit genommen, in einer Notlage die größtmögliche Zahl an Menschen zu retten.
