Britney Spears und Paris Hilton: Theater trifft Pornographie

In der Hauptstadt konkurrieren jetzt Britney Spears und Paris Hilton um Aufmerksamkeit. Am Berliner Ensemble feiert schon seit einiger Zeit ein Abend über Britney Spears „und die Britney in uns allen“ einen irrwitzigen Erfolg. Nahezu immer ausverkauft, behandelt der Abend das Schicksal jener weltberühmten Sängerin, die ihr Bild in die Welt verkauft hat und darüber an ihr verzweifelt ist.

„Hit me baby one more time“ – die anzüglich anziehende Zeile, die in so vielen Teenager-Zimmern rund um den Globus für sexuelle Erweckung sorgte, hat auch eine traurige Doppelbedeutung: Schläge hat Spears nämlich auch vom Schicksal abbekommen. Und zwar nicht wenige. „Ich hab mich wundgeliebt an der Welt“ ruft sie im Theaterstück einmal voller Entrüstung. Wundgeliebt hat sich auch eine sich anzüglich anziehende Freundin von ihr: Paris Hilton, die 1981, im selben Jahr wie Spears, geboren ist und wie sie in der grellen Klatschwelt der 2000er Jahre aufwuchs und Karriere machte. In jenen Jahren also, als die Paparazzi-Maschinerie auf Hochtouren lief.

Elektronisch vergewaltigt

Eines der ikonografischen Beweisstücke für die Kaltblütigkeit jener Maschinerie ist der Pornofilm „One night in Paris“ aus dem Jahr 2004, den die Dreiundzwanzigjährige beim Sex mit ihrem damaligen Freund Rick Salomon zeigt. Ohne Hiltons Zustimmung gelangte das Video ins Internet und wurde später kommerziell vertrieben. Gegen diese erniedrigende Verletzung ihrer Privatsphäre ging Hilton gerichtlich vor, aber die Welt hatte sich da schon wollüstig an ihr und ihrem Körper satt gesehen. Fortan war sie berühmt, aber auch befleckt. Später hat sie einmal gesagt, jener Moment der Veröffentlichung habe sich angefühlt, als sei sie „elektronisch vergewaltigt“ worden.

Die Frau und ihr Bild: Szene aus „Call me Paris“
Die Frau und ihr Bild: Szene aus „Call me Paris“Schaubühne

Ein Theaterabend an der Berliner Schaubühne geht diesem Gefühl jetzt nach, umkreist den Vorgang aus unterschiedlichen Perspektiven der Moralanklage. Illustriert durch ein einladendes King-Size Bett, kurze Glitzerkleider und String-Tangas, wird die erotische Entseelung einer Frau nachgestellt, ohne dass dabei auch nur ein einziger sexueller Vorgang zu sehen wäre. Es bleibt bei den Worten und den Beschreibungen von Bildern, die wahrscheinlich von Millionen Männern angeschaut und zu ihrer dumpfen Befriedigung benutzt wurden. „Eine Frau wird immer von ihrem Bild begleitet“ – diesen ursprünglich auf John Berger zurückgehenden Satz legt der Schaubühnen-Abend Paris Hilton in den Mund.

Dass ihr eigenes Bild, wenn es von so vielen an- und damit zerschaut worden ist, für eine Frau auch zur Qual werden kann, davon handelt dieser Abend. Davon handelt unsere Zeit. Umfragen zufolge konsumiert ein Drittel deutscher Männer täglich Pornographie. Die Bilder, die durch sie hindurchgehen, hinterlassen auch bei ihnen Spuren. Aber die Frauen, die ihnen ihre Bilder geben, werden dadurch für immer gezeichnet.