Der amerikanische Präsident Donald Trump reagiert mit seiner Ankündigung, wieder Atomwaffen zu testen, insbesondere auf die jüngst mit Vehemenz zurückgekehrten nuklearen Drohgebärden des russischen Herrschers. Sie begannen am vergangenen Wochenende, als Wladimir Putin zum wiederholten Male behauptete, der nuklear angetriebene Marschflugkörper „Burewestnik“ sei erfolgreich getestet worden; neu war, dass Putin nun von „entscheidenden Tests“ sprach, die „beendet“ worden seien.
Der neue Marschflugkörper soll der russischen Darstellung zufolge dank eines Minireaktors eine potentiell unbegrenzte Reichweite haben, dürfte aber, wenn die Angaben stimmen, deutlich langsamer fliegen als herkömmliche Marschflugkörper. Am Mittwoch schwärmte Putin dann abermals von seiner neuen Waffe, deren Atomreaktor nicht wie ein gewöhnlicher Reaktor „im Laufe von Stunden und Tagen“ starte, sondern „im Laufe von Minuten und Sekunden. Das ist eine enorme Errungenschaft.“
Putin wird als künftiger Sieger präsentiert
Den Rahmen von Putins Einlassungen bildete einer seiner sorgsam choreografierten Auftritte mit Soldaten, dieses Mal auch mit Ärzten in einem Moskauer Militärkrankenhaus. Der Präsident bedankte sich bei den ihn umringenden, demütig blickenden, dabei körperlich unversehrt aussehenden Soldaten (einer von ihnen trug einen Verband an der Hand) einer Aufklärungsbrigade für zwei religiös bemalte Schutzplatten. Putin sprach von „Ikonen“, die er von ihnen erhalten habe und die Spuren von Kugeln aufwiesen. Dann sprach er mit den Soldaten in einer Runde, zu der Tee und Gebäck gereicht wurden, von einer „für uns günstigen Situation“ im Ukrainekrieg. Es geht dem Kreml mit solchen Inszenierungen darum, Putin nah bei seinen Kriegern und als kommenden Sieger zu porträtieren. Auch dank der Nuklearwaffen, auf die Putin alsbald zu sprechen kam.
So habe man am Dienstag „noch einen Versuch eines weiteren aussichtsreichen Komplexes durchgeführt“, und zwar die ebenfalls nuklear angetriebene Unterwasserdrohne namens „Poseidon“ getestet. Erstmals sei es gelungen, sie von einem Unterseeboot nicht nur mit einem herkömmlichen Motor zu starten, sondern auch den Atomreaktor in Gang zu bringen, mittels dessen der Apparat dann „eine bestimmte Zeit“ angetrieben worden sei.

Sei der Reaktor des „Burewestnik“-Marschflugkörpers tausendmal kleiner als der eines Nuklearunterseeboots, sei der von „Poseidon“ hundertmal kleiner. Doch sei die Unterwasserdrohne, die „in nächster Zeit erscheinen wird und die nicht abzufangen ist“, bedeutend stärker „als sogar unsere aussichtsreichste Interkontinentalrakete ‚Sarmat‘“. Letztere sei weltweit unvergleichlich, schwärmte Putin, sei aber noch nicht in den Dienst gestellt, das werde „bald“ geschehen.
Wunderwaffenschau im Ringen mit dem Westen
Wie von dem nuklear angetriebenen Marschflugkörper, hatte Putin von der „Poseidon“-Drohne erstmals in seiner großteils als Wunderwaffenschau im Ringen gegen den Westen konzipierten Rede zur Lage der Nation vor siebeneinhalb Jahren gesprochen. Sie geht auf Ideen aus sowjetischer Zeit zurück, einen nuklear angetriebenen Torpedo zu entwickeln, der gegen die USA eingesetzt werden könnte. Vor bald drei Jahren hatte der amerikanische Sender CNN berichtet, vermutlich seien Versuche mit „Poseidon“ im Nordpolarmeer gescheitert.
In seiner Rede zur Lage der Nation im vergangenen Jahr hatte Putin dann gesagt, Tests seien in der letzten Phase. An sich eine Vergeltungswaffe im sogenannten „Gleichgewicht des Schreckens“, nutzten Putins Propagandisten gleichwohl die Aussicht, irgendwann „Poseidon“ zu erhalten, schon 2022, um Großbritannien damit zu drohen, mittels der Drohne eine Atombombe zu zünden, die eine 500 Meter hohe Flutwelle auslösen werde, „die zudem Trägerin extremer Strahlungsdosen ist“, wie der Fernsehscharfmacher Dmitrij Kisseljow seinerzeit sagte. Das hohe Risiko, nach solchen Angriffen selbst vernichtet zu werden, erwähnen Putins Leute in solchen Fällen nicht.
Auch mit Blick auf die „Sarmat“-Interkontinentalrakete, welche die NATO „Satan 2“ nennt, fallen Widersprüche auf. So hatte Putin schon vor gut zwei Jahren in Aussicht gestellt, die Waffe werde „in nächster Zeit“ in Dienst genommen. Letzteres hatte Putin zuvor schon im Dezember 2022 angekündigt, dann wieder im Februar und im Juni 2023. Anfang September jenes Jahres hieß es vonseiten der Raumfahrtbehörde Roskosmos gar, „Sarmat“ sei schon in Dienst genommen worden, im Dezember 2023 wiederholte das der damalige Verteidigungsminister Sergej Schojgu. Im Februar 2024 sagte Putin dann, die ersten in Serie produzierten „Sarmat“-Raketen seien den Truppen schon übergeben worden und würden bald gezeigt.
Doch im September 2024 explodierte Datenanalysten zufolge eine „Sarmat“-Rakete bei einem Test, laut westlichen Medienberichten war dies sogar schon der fünfte missglückte Test. Russlands regelmäßige Ankündigungen im Bereich Nuklearwaffen mögen oft nicht der Wahrheit entsprechen, ihr politischer Zweck ist hingegen offenkundig: Es geht darum, Stärke zu demonstrieren und äußere Gegner einzuschüchtern, insbesondere über Putins diffuse Drohungen, Kernwaffen auch einzusetzen.
Dabei beschreitet Putin einen schmalen Grat, will einerseits seinen Gegnern Angst machen und von der Unterstützung der Ukraine abbringen, andererseits aber nicht als unkontrollierter, verantwortungsloser Hasardeur erscheinen. Diese Rolle spielen im Moskauer System andere, sodass Putin vergleichsweise gemäßigt wirkt. Beispielsweise forderte Putins Weggefährte Michail Kowaltschuk, der ein Forschungsinstitut leitet, Ende September 2023 einen russischen Nukleartest, und zwar wie zu sowjetischer Zeit auf Nowaja Semlja, der Doppelinsel im Nordpolarmeer, um die Amerikaner „auf ihre Plätze“ zu weisen.
Putin wählte kurz darauf eine mildere Variante: Er kündigte den Ausstieg aus dem Kernwaffenteststopp-Vertrag an, der alsbald vollzogen wurde. Die Sowjetunion hatte den letzten solchen Test im Oktober 1990 abgehalten. Putin wollte es dann aber vorerst bei diesem Ausstieg bewenden lassen und berief sich auf die USA, die den Kernwaffenteststopp-Vertrag zwar unterzeichnet, aber nie ratifiziert hatten, im Unterschied zu Russland, das dies im Jahr 2000 während Putins erster Präsidentschaft getan hatte.
Auch bei der Frage, ob Russland wieder Atomwaffen testen wird, steht Putin bisher auf der Position, sich „spiegelbildlich“ zu den USA zu verhalten. Sollte Trump wirklich bald wieder erstmals seit 33 Jahren Nuklearwaffen testen lassen, dürfte Putin nicht lange hintanstehen.
