Neulich gab es ein großes Lob für Juri Knorr, und zwar von Mathias Gidsel, dem Welthandballer. Als Däne bekommt Gidsel natürlich mit, wie sich der deutsche Nationalspieler Knorr nach seinem Wechsel aus der Bundesliga zum Spitzenklub Aalborg Handbold in der dänischen Liga anstellt, und eine Sache hat Gidsel besonders imponiert: „Sie sagen, er lernt Dänisch, und das ganz schnell.“ Die Sprache sei nicht einfach, aber „wenn du das kannst, bist du auf einem guten Weg in Dänemark“.
Nein, einfach ist das Dänische wirklich nicht, es ist ein Kreuz mit all den weichen Vokalen, stummen Buchstaben und Knacklauten. Aber Knorr ist es „extrem wichtig“, dass er sich zeitnah sicher in der neuen Sprache verständigen kann. Er nimmt Unterricht, lernt zusätzlich allein. Im Handballkontext klappt die Verständigung schon gut; schwieriger wird es, wenn die Skandinavier in der Kabine schnell durcheinander plappern.

:Der neue Juri Knorr
Vor einem Jahr drohte Juri Knorr unter der Last der Verantwortung im Handball-Nationalteam zu zerbrechen. Jetzt geht er die Dinge lockerer an – was auch an einem Teamkollegen liegt.
„Ich muss geduldig sein“, sagt Knorr. Er merke schon, wie ihn die Sprachbarriere im sozialen Leben behindere: „Du kannst nicht richtig zeigen, wer du bist und welchen Charakter du hast, wenn du die Sprache nicht sprichst“, sagt er. Ein typischer Knorr. Der Mittelmann ist vornehmlich fürs Handballspielen ins Land des aktuellen Weltmeisters und Olympiasiegers gewechselt, macht sich aber sehr viele Gedanken um das Leben generell.
Der Start im neuen Karriereabschnitt war ohnehin nicht ganz einfach für Knorr, seit er im Sommer nach vier Jahren Abschied von den Rhein-Neckar Löwen genommen hat. Der 25-Jährige verließ nicht nur seine Komfortzone, anfangs schleppte Knorr eine Fußverletzung mit sich herum, musste sich im Spielsystem von Aalborg neben großen Namen wie Sander Sagosen oder Niklas Landin akklimatisieren. Doch in den vergangenen Wochen tauchte Knorrs Name immer häufiger in den Torschützenlisten auf. Er erhält mehr Spielanteile, übernimmt Verantwortung. Es läuft mittlerweile.
Am Donnerstag und Sonntag spielen die deutschen Handballer jeweils gegen Island
Wenn Knorr jetzt bei seiner ersten Rückkehr zum deutschen Nationalteam beim Mediengespräch Platz nimmt, sitzt da ein zufrieden wirkender Mann. Für zwei Länderspiele gegen Island trifft sich das DHB-Team in dieser Woche, am Donnerstagabend in Nürnberg (PSD Bank Arena, 19.30 Uhr, ZDF-Livestream) und am Sonntag in München (SAP Garden, 17.15 Uhr, ZDF). Es sind die letzten beiden Testspiele vor der unmittelbaren Vorbereitung auf die Handball-Europameisterschaft im Januar in Dänemark, Schweden und Norwegen, und Knorr freut sich, im vertrauten Kreis der Kollegen zu sein. „Ich habe mich wirklich gefreut, viele bekannte Gesichter zu sehen“, sagt Knorr, mit denen er sich obendrein noch problemlos unterhalten kann. Er könne „voll teilnehmen am sozialen Miteinander“, sagt Knorr. Das tue ihm nach den Monaten in Dänemark gut.
Knorr ist der einzige sogenannte Legionär der deutschen Handballer, alle anderen Mitspieler sind in der Bundesliga aktiv. Für Nationalmannschaftsmanager Benjamin Chatton ist es absolut positiv, „dass Juri mit einem anderen Erfahrungsschatz zu uns kommt“. Dies könne der Mannschaft nur weiterhelfen, gerade in Knorrs Position als Spiellenker. Auch Bundestrainer Alfred Gislason beobachtet genau, wie es Knorr in Dänemark ergeht. Der Isländer weiß, wie wichtig Knorr für das Nationalteam ist, und dass es verdammt schwer wird, ein europäisches Spitzenteam zu besiegen, wenn Knorr nicht in Form sein sollte. Doch Gislason verspürt wenig Anlass zur Sorge. „Juri macht einen sehr guten Eindruck“, sagt er.
Gegen Island absolviert Knorr bereits sein 80. Länderspiel
Rund um Knorr hat Gislason den bewährten Stamm des Nationalteams beisammen. Da sind die beiden Torhüter Andreas Wolff und David Späth, Kapitän Johannes Golla ist gesetzt, die Rückraumspieler Julian Köster und Marko Grgic ebenfalls, Renars Uscins hat seine Armverletzung aus der Bundesliga kuriert. Auch Kreisläufer Justus Fischer (der gegen Island erkrankt fehlen wird) und Mittelmann Nils Lichtlein gehören mittlerweile zum Establishment. Kleinere Fragezeichen gibt es im rechten Rückraum und auf den Außenpositionen. Aber sonst? Bleibt eine Vielzahl der Spieler gesund, wird Gislason auf große Experimente bei der Kaderverkündung verzichten.
„Wir haben eine sehr gute Mannschaft“, sagt Knorr. Das Team sei immer noch jung, verfüge aber bereits über eine gewisse Erfahrung. Bei Olympia in Paris gewann es Silber. Bei der EM im Januar, die das deutsche Team komplett im dänischen Herning absolvieren wird, kommt Knorr gewiss eine Insiderrolle zu. Er sieht das deutsche Team in der Verfolgerrolle – in dieser fühle er sich aber wohl.
Bis dahin heißt es: Dänisch lernen. Und gesund bleiben. Als Knorr die Information erhält, dass er am Donnerstag gegen Island bereits sein 80. Länderspiel für Deutschland absolvieren wird, huscht ihm ein kurzes Lächeln über das Gesicht. 80 Länderspiele, nicht schlecht für einen Mann von 25 Jahren. Früher hat Knorr häufiger mit seinen Auftritten gehadert, jetzt sagt er, er könne „ziemlich zufrieden und glücklich sein“, wie es in den vergangenen fünf Jahren gelaufen ist. Seine besten Tage als Handballer hat er vermutlich noch vor sich. Seine besten Gespräche auf Dänisch auch.
