Stefan Horngacher stellte sich vor das schwarze Trennband in Nürnbergs Messehalle 12, die Arme wie so oft hinter dem Rücken verschränkt, sein Blick: ernst. Und der Skisprung-Bundestrainer machte gleich deutlich, dass er sich zu einem Thema äußern wolle an diesem Mittwochmorgen, das ihn in den vergangenen Wochen, ja Monaten sehr beschäftigt haben muss. „Bevor ihr die Fragen stellt, wollte ich noch was loswerden, was mir persönlich wichtig ist“, hob Horngacher an – und ließ den Kernsatz fallen: „Das wird jetzt meine letzte Saison werden als Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft.“ Was für ein Paukenschlag bei der offiziellen Einkleidung der Athletinnen und Athleten des Deutschen Skiverbandes (DSV).
Horngacher betonte, er wolle das gleich zu Beginn der Saison so kommunizieren, „damit es keine Fragen gibt, Klarheit herrscht, das ist auch für die Sportler leichter. Und für mich schließt sich der Kreis mit den Olympischen Spielen. Ich habe meine erste Saison in Predazzo begonnen, als Springer bei der Weltmeisterschaft 1991“. Damals gewann er zusammen mit Ernst Vettori, Andreas Felder und Heinz Kuttin, dem aktuellen Bundestrainer der deutschen Skispringerinnen, Gold mit der österreichischen Mannschaft.
Erfolgreicher als in Deutschland war Horngacher in Polen
Horngacher, 56, tritt also ab im kommenden Frühjahr, nach dann sieben Jahren als Bundestrainer der DSV-Skispringer. Zuvor war er von 2011 bis 2016 Co-Trainer unter Werner Schuster, dem er 2019 nachfolgte. Höhepunkte als Cheftrainer waren bislang das Team-Gold bei der Weltmeisterschaft 2021 in Oberstdorf und der Einzeltitel von Karl Geiger bei der Skiflug-WM 2020 in Planica. Den nächsten deutschen Vierschanzentourneesieger nach Sven Hannawald (2002) hat aber auch Horngacher bisher nicht hervorgebracht. Ungleich erfolgreicher war er als Chefcoach der polnischen Männer, die er von 2016 bis 2019 betreute. In seine Zeit, die durch den herausragenden Kamil Stoch geprägt war, fielen ein Olympiasieg im Einzel (2018), WM-Titel im Team (2017) und im Einzel (2019), zwei Gesamtsiege bei der Vierschanzentournee (2017 und 2018) und ein erster Platz im Gesamtweltcup (2018).
Horngacher, der nie wirklich gerne im Rampenlicht stand, wollte in Nürnberg nicht die ständige Präsenz in der Öffentlichkeit und den Erfolgszwang als Erklärung für seinen Schritt anführen. Und doch spürte er eine gewisse Amtsmüdigkeit in sich, anders sind seine Aussagen kaum zu deuten: „Der Druck ist überall gleich groß, aber ich bin zehn Jahre Nationaltrainer, sieben Jahre in Deutschland, drei in Polen, das zehrt schon.“ Es sei dann auch mal genug jetzt, er wolle „einen Schritt zurück“ machen. Zugleich betonte Horngacher, dass er sich die kommenden fünf Monate, die ihren Höhepunkt in den Olympischen Spielen im Februar finden, „noch mal richtig verausgaben“ werde.
Für die Verantwortlichen im DSV kam Horngachers Entscheidung offenbar recht unvermittelt. „Ich muss das erst einmal etwas sacken lassen. Das kam auch für mich etwas überraschend“, sagte Sportdirektor Horst Hüttel, der nun versucht, erneut „eine langfristige Lösung“ zu finden. Mögliche Kandidaten sind Thomas Thurnbichler, der für den B-Kader zuständig ist, oder C-Kader-Trainer Ronny Hornschuh.
Horngacher, Vater dreier Kinder, dürfte sich nach dieser Saison erst einmal wieder in seine Wahlheimat in Titisee-Neustadt im Schwarzwald zurückziehen. Dort wird er sich mit seiner Frau Nicole Hoffmeyer, der einstigen Physiotherapeutin von Sven Hannawald und Martin Schmitt, und der Familie beraten, wie es weitergeht, und Zeit finden, Gitarre und Golf zu spielen. Wenn sich der Kreis geschlossen hat – im besten Fall mit Olympiagold für Deutschland.
