

Nuri Sahin saß auf dem Podium, vor ihm ein Mikrofon, das nicht angehen wollte. Er dehnte seinen Nacken, streckte den Kopf nach links, streckte den Kopf nach rechts, und sagte: Wir haben verkopft verspielt. Wir haben wieder mal eine Partie verloren.
Das war im Januar dieses Jahres, Borussia Dortmund war der Eintracht gerade 0:2 unterlegen, am ersten Spieltag der Rückrunde. Und am letzten Spieltag für Sahin, den die Dortmunder wenige Tage später freistellten. Neben ihm freute sich damals Dino Toppmöller, dass seine Mannschaft auch ohne ihren besten Spieler auskam. 71 Minuten vor Anpfiff hatten die Frankfurter bestätigt, was wochenlang gemunkelt wurde: Sie sprechen mit einem englischen Klub über den Wechsel von Omar Marmoush. Ohne den Ägypter konterten die Eintracht-Spieler munter weiter, einmal traf Hugo Ekitiké, einmal Oscar Hojlund – und sie hätten an diesem Abend noch häufiger treffen können, so locker verteidigte die BVB-Defensive.
Zehn Monate später sitzt auf dem Podium BVB-Coach Niko Kovac. Seine Mannschaft wird am Dienstag (18:30 Uhr, im ZDF und im F.A.Z.-Liveticker) in der zweiten Pokalrunde im Waldstadion spielen. Kovac, der einst bei der Eintracht seine ersten Trainererfolge feierte, sagt das, was er immer sagt, wenn eines seiner Teams in Frankfurt spielt: Er fahre mit einem tollen Gefühl zur Eintracht. Der Trainer der späten Rettung, der Trainer des Pokalsiegs von 2018, schwärmt: „Die Eintracht hat mich dorthin gebracht, wo ich heute bin. Ihr wisst, ich bin Mitglied auf Lebenszeit. Das ist meine fußballerische Heimat. Aber heute bin ich Trainer vom BVB – und möchte das Spiel gewinnen.“
„Die Frankfurter haben zuletzt sehr viele Gegentreffer bekommen“
Also, zurück dorthin, zweite Pokalrunde, Flutlicht: „Die Frankfurter haben zuletzt sehr viele Gegentreffer bekommen, auch in der Champions League.“ Im Dezember, als Kovac beim BVB übernahm, stand der Klub auf Platz elf. Heute ist er Zweiter, und hat in der Bundesliga nur gegen den FC Bayern München verloren. Diesmal sind es die Frankfurter, die unruhige Wochen hinter sich haben.
Kaum eine Mannschaft in der Liga verteidigt schwächer als sie. An wem das liegt, wer am häufigsten patzt, wer doch besser verteidigen sollte – diese Diskussion ist momentan ungefähr so stark in Mode wie Rezepte für die leckerste Kürbissuppe. Die Defensivschwäche der Frankfurter hat auch mit einem alten Spruch von Dino Toppmöller zu tun. Er erklärte einmal sein Verständnis von Fußball so: lieber 5:4 gewinnen als 1:0. Kovac sagte am Montag, jeder wünsche sich ein 3:0, ein 4:0, aber: „Ein 1:0 ist auch wichtig.“
Die Eintracht gewann am Wochenende 2:0 gegen St. Pauli, es war das erste Ligaspiel, in dem sie in dieser Saison kein Gegentor hinnehmen musste. Zweimal überspielte sie die Abwehrkette des Gegners, einmal mit einem hohen Ball, einmal mit einer Kombination durch die Mitte. Seltener aber per Konter. Das Frankfurter Spiel ist ein anderes als das im Januar. Weil ihre besten Offensivspieler heute keine Konterfußballer mehr sind, sondern lieber kombinieren. Statt Marmoush und Ekitiké heißen sie Can Uzun, Ritsu Doan oder Jonathan Burkardt.
Toppmöller muss also einen anderen Weg finden, um eine ungleich stärkere BVB-Elf zu schlagen. Eine typische Kovac-Mannschaft, wie er sagt: laufstark, diszipliniert, mit starkem Zusammenhalt. Bisher ist es Toppmöller in dieser Saison nicht gelungen, stärkere Mannschafte zu schlagen. Gegen München, Liverpool und Madrid verloren die Frankfurter deutlich. Weil sie nicht mehr so schnell kontern, aber dafür flüssiger passen, fallen ihnen Spiele gegen schwächere Mannschaften wie St. Pauli, Freiburg oder Gladbach leichter. Die Eintracht ist nicht mehr das Team, das von den Starken nimmt, um den Schwachen zu geben. Man könnte sagen: Sie ist nicht mehr Robin Hood.
Sie wäre es aber gerne wieder, zumindest was die erste Hälfte von Hoods Aufgabengebiet angeht, den Großen etwas zu nehmen. Wird also wieder gekontert? Was heißt hier wieder, könnte man Toppmöllers Replik deuten. Seine Mannschaft kontere schließlich weiterhin, nur eben anders. Der Trainer sagt: „Es ist nicht mehr erster Ball, zack, tief. Sondern wir spielen mit einer Zwischenstation, einem link player, der den Ball ablegt.“ Dann kämen seine Spieler weiterhin nach vorne, nur eben mit der zweiten Welle, wie Toppmöller sagt. „Das haben wir in dieser Saison auch schon oft gezeigt.“
Nur kontern, das genüge ohnehin selten. Sie werde also in allen Phasen des Spiels, versuchen den BVB zu schlagen. In einer Partie, in der es keine zweite Chance gebe. Der Trainer ist sicher: „Meine Mannschaft ist in der Lage, in solchen Spielen über sich hinauszuwachsen.“
