Münchner Olympia-Abstimmung: Zustimmung als Auftrag

Was hat der deutsche Sport gehadert mit Volksabstimmungen zu seinen Wünschen. Immer eine Zitterpartie, zuletzt ein Scheitern mit Ansage. Selbst in München bekam er zur Frage, ob olympische Winterspiele nicht mal schön wären in der bayerischen Landeshauptstadt und der Region, eine Watschn.

Und nun? Feiern Politik und Verbände einen grandiosen Erfolg. Fast 67 Prozent der Münchner stimmten am Sonntag für die Ausrichtung von Olympischen und Paralympischen Spielen in ihrer Stadt. Ein Rekordsieg bei einer vergleichsweise hohen Wahlbeteiligung von 40 Prozent. Das ist Gold wert. Aber nicht allein für die Sportfreunde.

Die Münchner trotzen einem gefühlten Trend in der Republik

Zwar beeilten sich Honoratioren des organisierten Sports, noch in der Stunde der Überraschung spezifische Gründe zu nennen: vom überzeugenden Konzept in München bis zur außenpolitischen Wirkung der Agenda des Internationalen Olympischen Komitees, etwa „Nachhaltigkeit“ ins Zentrum von Bewerbungen zu stellen. Aber so ganz ohne Wahlanalyse erscheinen diese Erklärungen vorerst aus der Luft gegriffen.

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Der erste Kurzschluss wirkt charmanter: Die Münchner sehen in Sommerspielen und Paralympics eine Bereicherung für ihre Stadt und ihr Leben. Sie trotzen dem gefühlten Trend in der Republik, Nein zu sagen zu allem, was nicht unrealistisch erscheint, aber Fantasie und Größe verlangt. Und sie sind, gut informiert durch die Gegner Olympischer Spiele schon während des vorletzten Referendums, offenbar bereit, die Risiken in Kauf zu nehmen. Das klingt nach dem, was Siegertypen auszeichnet: Träume ohne Angst vor dem Scheitern mit der Freude am Wettkampf zu realisieren. München könnte einen Ruck auslösen.

Was einen deutschen Bewerber von anderen unterscheidet, liegt auf der Hand

Deshalb wäre es falsch, das Rennen um den besten deutschen Kandidaten als entschieden zu werten. Neben München bewerben sich Berlin, Hamburg und die Region Rhein-Ruhr um die Gunst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Der will im September 2026 den besten Kandidaten auswählen lassen und dem IOC präsentieren. Wobei immer noch nicht klar ist, welche Kriterien bei der nationalen Wahl im Vordergrund stehen.

Nachhaltige Spiele ohne gewaltige Neubauten, ein überzeugendes Verkehrskonzept, kurze Wege, ein solider Finanzierungsplan und eine gute Chance, auch international gewinnen zu können gegen starke Konkurrenz, sind selbstverständlich. Was einen deutschen Bewerber von anderen unterscheiden könnte, liegt auf und in seiner Hand: der dokumentierte Wille seiner Bürger. Niemand hätte das – voraussichtlich – zu bieten: Spiele mehr oder weniger von unten legitimiert und nicht von oben oktroyiert.

Eine Bewerbung im Namen der Deutschen

Es könnte wohl sein, dass das überwältigende Ergebnis von München die Olympiagegner in Berlin, Hamburg und Rhein-Ruhr – mit vermutlich Köln als nomineller Zentrale – alarmiert. Aber es ist auch nicht ausgeschlossen, dass sich die Bürger der nationalen Konkurrenten ermutigt sehen, den Bayern zu folgen, es ihnen gar zu zeigen. Dann käme es zu dem, was Sport und Politik, was der DOSB und die Bundesregierung fordern: zu einem national gestützten Olympia-Projekt, mehr oder weniger zu einer Bewerbung im Namen der Deutschen.

Das mag das IOC nicht sonderlich beeindrucken, weil es zuletzt in Paris landete, bald in Mailand, dann wieder in Frankreich Winter- und Sommer-Sportfeste in europäischen Demokratien platzierte. Aber für das Selbstverständnis der Deutschen wäre es unerhört wichtig. Und für die Entwicklung des Sports im Land entscheidend. Alle loben ihn, jeder will dabei sein, wo es glänzt. Aber für die Sanierung der maroden Sportstätten, für die tägliche Bewegungsstunde in Schulen, für die Absicherung von Athleten und Trainern, um nur ein paar Probleme zu nennen, gibt es keine angemessene Unterstützung.

Selbst wenn die Bürger Münchens den Zusammenhang nicht im Blick gehabt haben sollten, als sie abstimmten: Es gibt ihn. Ohne eine Stärkung der Basis wird es keine guten und vor allem keine nachhaltigen Olympischen Spiele in Deutschland geben.