Wenn der Zugführer schon vor dem letzten Umstieg allen Fahrgästen „hoffentlich drei Punkte“ wünscht, weiß man, wo man gelandet ist: in der Region, die – abgesehen vom Ruhrgebiet – fraglos die fußballverrückteste der Republik ist. Inmitten der Pfalz, in einem Ort, der klingt, als habe ihn sich ein Autor als Schauplatz eines netten Kinderbuches ausgedacht, wuchs einst auch Miroslav Klose auf. Und bevor er von Blaubach-Diedelkopf nach München und Rom aufbrach, zog es ihn zum naheliegenden Ort für fußballinteressierte Teenager aus der Pfalz: in die Lauterer Westkurve. Er war jahrelang Fan des FCK, bevor er dort auf dem Platz zur Ikone wurde.
Klose, der vor dem Spiel betonte, er wisse, „was das Stadion mit einem machen kann“, dürfte auch den 26. Oktober 2025 in guter Erinnerung behalten. War es doch ein Tag, an dessen Ende sich wohl unangenehme Fragen an den Trainer des 1. FC Nürnberg gestellt hätten, wenn Robin Knoche nicht in der dritten Minute der Nachspielzeit einen Elfmeter zum 1:1 verwandelt hätte. Der so gewonnene Punkt war zumindest glücklich, denn Kaiserslautern zwang das Publikum bei seinen Offensivbemühungen zwar auch häufig zu Leidensbekundungen. Die bessere Mannschaft stellten die Pfälzer aber.
Dabei war es mal wieder kein katastrophaler Nürnberger Auftritt – solche zeigt der Club eigentlich fast nie. Aber es war eben auch mal wieder einer, der nachwies, wie weit diese Mannschaft von ihren eigenen Zielen entfernt ist. Es gibt derzeit zwei fränkische Mannschaften, die sich Sorgen um den Zweitligaverbleib machen müssen. Fürth sowieso. Aber eben auch der Club, der bislang kaum eines der Probleme so richtig abstellen kann, die ihn nun schon seit Monaten begleiten. Vor allem in der Offensive bleiben auch nach dem Spiel in Lautern Fragezeichen.
Dabei hatte der FCN im ersten Durchgang immerhin zwei Riesenchancen, und damit eine mehr als der FCK. Dass der Gastgeber dennoch mit einer Führung in die Pause ging, weil Martin Hanslik in der 45. Minute das 1:0 schießen durfte, passte da ins Bild. Zumal in Julian Justvan zuvor der Spieler den Ball verloren hatte, der auch schon die zweitgrößte eigene Chance verschusselt hatte: Beim Versuch, einen Foulelfmeter zu verwandeln, rutschte er auf dem schlüpfrigen Untergrund weg, sodass der Ball über die Latte ging (15.). Die größte Nürnberger Möglichkeit war das allerdings nicht. Die vergab Rafael Lubach, nachdem FCK-Torwart Julian Krahl einen Schuss von Artom Stepanov noch abwehren konnte und den Nürnberger damit in die eigentlich komfortable Lage versetzte, den Ball aus einem Meter Entfernung im Tor unterzubringen (45.+2).
„Da haben wir zu viele lange Bälle gespielt. Dabei stand es nur 0:1“, gibt Justvan zu
Im zweiten Durchgang zeigte der Club dann endgültig, warum er zusammen mit dem 1. FC Magdeburg und Fortuna Düsseldorf die schlechteste Offensive der Liga stellt. Abgesehen von einem Schuss, den Adam Markhiev knapp am Tor vorbeisetzte (55.), hatte er keine wirkliche Chance. Wenn Überzahlsituationen darin münden, dass Justvan seinen Gegenspieler anschießt (49.) oder Mickael Biron seine Hereingabe Lauterns Keeper Krahl in die Arme schießt (78.), ist das kein Qualitätsnachweis.
Dass Lautern im Nürnberger Strafraum vier, fünf Kopfballduelle gewinnen konnte, ist ebenfalls ein Dauerproblem dieser merkwürdigen Nürnberger Mannschaft – die hin und wieder ja durchaus zeigt, dass ihr Klose eine Idee von Fußballspielen implementieren will, die im Idealfall nicht nur Spaß machen, sondern auch Punkte bringen könnte. Justvan gab nach dem Spiel dann auch zu, es sei nicht der Plan gewesen, in der gegnerischen Hälfte kaum noch auf das eigentlich geplante Kurzpassspiel gesetzt zu haben: „Da haben wir zu viele lange Bälle gespielt. Dabei stand es nur 0:1.“
Dass es am Ende 1:1 stand, weil Knoche nach endlos langer Überprüfung durch den VAR immerhin den zweiten Club-Elfmeter des Tages verwandelte, dürfte dann auch niemanden mehr gefreut haben als Klose. Der ging nach dem Spiel mit einer Biografie des FCK-Helden Hans-Peter Briegel zum Bus, die ihm ein einheimischer Journalist überreicht hatte. Und tat erst gar nicht so, als sei das gerade zu Ende gegangene Spiel eines wie jedes andere für ihn gewesen: „Die Jungs wussten, was das heute hier für mich bedeutet.“
