Bitcoin & Co: So baut Trump das Finanzsystem um

Über Kryptowährungen kann lästern, wer will. Aber sie haben eine Menge Leute zu Millionären gemacht – und einige, die vorher schon Multimil­lionäre waren, noch reicher. Die Zahl der Kryptomillionäre ist im Jahresvergleich um 40 Prozent auf 241.700 gestiegen – angetrieben von der Kursrally des Bitcoin. Das geht aus dem „Crypto Wealth Report 2025“ des Dienstleisters Henley & Partners hervor, der Vermögende berät. Allein der Preis der wichtigsten Kryptowährung Bitcoin legte seit der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten um 55 Prozent zu.

Die Wertentwicklung ist nicht selbstverständlich für ein Produkt, dessen Nutzen nicht direkt auf der Hand liegt. Vereinfacht gesagt, handelt es sich bei Kryptowährungen um virtuelle Geldanlagen, gesichert auf Computern – das technische System dahinter ist die sogenannte Blockchain. Die erste Kryptowährung Bitcoin fand ihre Anhänger zunächst vor allem unter Leuten, die das traditionelle Banksystem umgehen wollten. Bis heute kann man mit Kryptowährungen allerdings keine Brötchen kaufen und keine Miete zahlen.

Das große Versprechen des Internetgeldes lautet, dass es Zahlungen überallhin und rund um die Uhr leicht, billig und anonym ermöglicht; dass es Banken entmachtet, Finanzdienste demokratisiert und die Nutzer von staatlicher Gängelung befreit. Vieles davon ist nicht verwirklicht; doch alles sei nur eine Frage der Zeit, versprechen die Visionäre des Metiers. Bislang erfreuen sich vor allem Anleger an den enormen Kurszuwächsen – und Kriminelle an den neuen Möglichkeiten. Betrüger und Drogenhändler schätzen es, dass Zahlungen nicht zurückverfolgt werden können, und Hacker ausländischer Mächte wittern große Beute. Im März wurde bekannt, dass nord­koreanische Hacker Internetgeld im Gegenwert von 1,5 Milliarden Dollar gestohlen haben.

Neue ETF auf Kryptowährungen verbreiten sich

Gründe, die Finger von Bitcoin und Co. zu lassen, gäbe es also. Stattdessen erleben Kryptowährungen in den USA und vielen anderen Ländern eine Blüte. Vor allem die amerikanische Regierung arbeitet daran, sie hoffähig zu machen. Was eine nicht ganz unwichtige Nebenwirkung mit sich bringt: Je erfolg­reicher die Amerikaner damit sind, umso mehr verändern sie auch das etablierte Finanzsystem. Das muss nicht zwangsläufig schlecht ausgehen. Aber es geht ein enormes Risiko damit einher – ein Kollaps wie im Finanzkrisenjahr 2008 ist zumindest vor­stellbar, sagen Fachleute. Wie sie zu dieser Ein­schätzung kommen, wird noch zu erläutern sein. An dieser Stelle genügt, es zu wissen: Die Gefahr ist zwar nicht offen sichtbar, aber sie existiert. Und sie wird größer, je weiter die USA auf ihrem Weg voranschreiten.

Der Umbau begann im Januar. Seitdem sind in den Vereinigten Staaten ETF auf Kryptowährungen erlaubt – das sind Fonds, welche die Wertentwicklung von Kryptowährungen nachbilden. Das Angenehme für Anleger daran ist: So lässt sich viel unkomplizierter in Bitcoin und Co. investieren. Die Börsenaufsicht öffnete damit eine Schleuse, durch die viel Geld in Kryptowährungen fließen kann. Es ist ein gewal­tiger Strom: Der größte Vermögensverwalter Blackrock allein hat einen Krypto-ETF aufgelegt, dessen Wert inzwischen rund 100 Milliarden Dollar beträgt – dank der Einzahlungen von Kunden und des Wertzuwachses der dafür gekauften Kryptowährungen.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.



Im Juli dann folgte der nächste Schritt. Der Kongress verabschiedete den sogenannten Genius Act, der einen rechtlichen Rahmen für Stablecoins absteckt. Stablecoins sind spezielle Kryptowährungen, deren Wert an traditionelle Währungen oder an Staatsanleihen gekoppelt ist. Oder wie es der Ökonom Luigi Zingales in seinem Podcast anschaulich erklärt: „Sie kaufen eine Menge Dollar, legen sie in einen Tresor und geben dann Stablecoins im Verhältnis eins zu eins zur Zahl der Dollar im Tresor aus.“

Aus Sicht einer amerikanischen Regierung, die sich stark verschulden möchte, erscheint das wie ein genialer Schachzug. Sie schafft sich gewissermaßen ihre eigene Nachfrage: Denn viele Anbieter von Stable­coins wählen US-Staatsanleihen zur Hinterlegung aus. Wer sich wundert, warum Anleger so etwas kaufen, findet schnell eine Erklärung: Die Verbindung aus einer innovativen Idee und einer sicheren Anlageart, als die US-Staatsanleihen gelten, ist attraktiv.

Noch ein dritter Faktor befeuert die Kryptowährungen: Amerikanische Aufsichts- und Ermittlungsbehörden stellten in diesem Jahr rund 30 Ermittlungsverfahren und Prozesse gegen Kryptounternehmen und Unternehmer ein oder ließen sie ruhen. Ein Team im Justizministerium, das seit Jahren Kryptobetrüger jagte, wurde aufgelöst. Unterdessen bekamen die Aufsichtsbehörden kryptofreundliches Führungspersonal, darunter Lobbyisten der Branche. Kryptofreunde wie Handelsminister Howard Lutnick oder Finanzminister Scott Bessent sitzen in Trumps Kabinett.

Trump wurde vom Skeptiker zum Wegbereiter

Die zentrale Figur hinter dieser Entwicklung ist Donald Trump selbst. Während seiner ersten Amtszeit im Weißen Haus hatte er noch gesagt, Krypto bestehe aus heißer Luft. Das ist Geschichte: Trump wurde vom Skeptiker zum Wegbereiter. Über die Gründe kann man munter spekulieren. Keine Branche spendete so viel Geld für den Wahlkampf wie die Kryptofirmen. Nach Auswertungen der Nachrichtenseite Axios und der Organisation Public Citizen stammten 47 Prozent sämtlicher Unternehmensspenden von Kryptounternehmen – insgesamt rund 300 Millionen Dollar.

Trump umgarnte Branchengrößen im Juli 2024 mit dem Versprechen, die USA zur Kryptogroßmacht des Planeten zu machen. Danach floss das Geld. Es half zwar auch Demokraten, wenn sie eine Entfesselung der Kryptowährungen befürworteten; das meiste Geld ging jedoch an Republikaner. Trump dürfte zudem erkannt haben, dass junge Männer überdurchschnittlich stark in Krypto investiert sind und über dieses Thema für ihn zu gewinnen waren.

Vor allem aber darf man den Geschäftssinn des Präsidenten nicht unterschätzen. Zusammen mit seiner Familie entschloss er sich, die Möglichkeiten des Metiers auszukosten. Die „Financial Times“ schätzt, dass die Trump-Familie mit einem Netzwerk an Kryptobeteiligungen binnen zwölf Monaten rund eine Milliarde Dollar Gewinn vor Steuern erzielt hat. Ein Instrument sind sogenannte Memecoins.

Lässt sich der Nutzen von Kryptowährungen noch einigermaßen erklären, ist bei Memecoins selbst das schwer. Sie greifen einen Witz oder einen Internettrend auf und gleichen Gedächtnismedaillen oder limitierten Sammelmünzen. Sie sind mit keinerlei Sicherheiten hinterlegt – nur mit dem Glauben der Anleger an eine Wertsteigerung.

Natürlich hat Donald Trump seine eigenen Memecoins. Beschrieben werden sie als „Ausdruck der Unterstützung und Verbundenheit mit den Idealen und Überzeugungen, die durch das Symbol ‚$TRUMP‘ und die damit verbundenen Kunstwerke verkörpert werden“. Die Nutzungs­bedingungen behaupten, dass die Memecoins „nichts mit politischen Kampagnen oder politischen Ämtern zu tun haben“. Die Memecoins eignen sich allerdings zum Bestechen: Wer sich Trumps Gunst sichern will, kauft $TRUMP-Coins und zeigt ihm die Quittung. Mehrere Unternehmen haben angekündigt, Trump-Memecoins zu kaufen. Die Familie soll damit mehr als 400 Millionen Dollar eingenommen haben.

Auch Trumps Söhne mischen mit. Sie haben das Kryptounternehmen World Liberty Financial (WLF) mitbegründet, das bereits einen Stablecoin herausgegeben hat. Donald Trump, der sich keine Mühe gibt, die Verquickung seiner Politik mit persönlichen Interesse zu verstecken, meldete für 2024 persönliche Einnahmen von 57,3 Millionen Dollar aus World Liberty Financial.

Die Sorgen vor einer Krise

Gar nicht hören mag der Präsident darum eine Befürchtung, die vor allem in Kreisen der Notenbanken diskutiert wird: dass von den neuen Entwicklungen Risiken für die Finanzstabilität ausgehen. Besonders in Europa wird sie in Fachkreisen breit erörtert, weswegen es leicht wäre, ein Motiv zu unterstellen: Weil Europa zu ähnlichen Innovationen auf dem Finanzmarkt bislang nicht in der Lage war, redet man nun die neuen Ideen aus den USA schlecht.

Aber es steckt mehr dahinter. Klaas Knot, lange Jahre Chef der niederländischen Notenbank, sagte jüngst auf einer Konferenz der Europäischen Zen­tralbank, Stablecoins erinnerten ihn an die sogenannten Geldmarktfonds. Das ist ein Geldanlageprodukt, das über viele Jahre als vollkommen sicher galt – und dann 2008 plötzlich und unerwartet eine schwere Krise erlebte. So weit ist es zwar im Falle von Stablecoins noch nicht. Aber auch Angehörige der amerikanischen Notenbank Federal Reserve halten den Gedanken nicht für zu weit hergeholt. Zuletzt warnte der Notenbanker Michael Barr Mitte Oktober in ei­ner Rede davor.

In normalen Zeiten mögen Stablecoins zwar als relativ sicher gelten, weil sie mit Staatsanleihen hinterlegt sind. Wenn Anleger aus den Kryptowährungen aussteigen wollen, können die Anbieter also die Staatsanleihen zu Geld machen, um die Anleger auszuzahlen. Die Notenbanker warnen nun allerdings: In unruhigen Zeiten könnte das ganz anders ausgehen. Es genügen Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit einzelner Anbieter – und schon könnten Anleger aus Kryptowährungen aussteigen wollen.

Was im Falle von Bitcoin lediglich einen deutlichen Kursverfall auslösen würde, könnte im Falle der Stablecoins auf den wichtigsten Anleihemarkt der Welt übergreifen – den Markt für amerikanische Staatsanleihen. Würden diese Anleihen im großen Stil verkauft, weil Stablecoin-Anbieter ihre Anleger auszahlen müssen, fielen die Kurse der Anleihen und bescherten Banken und Finanzinstituten auf der ganzen Welt herbe Verluste. Denn keine Anlage ist auf der Welt verbreiteter als amerikanische Staatsanleihen. Wenn Stablecoins weiter in dem Tempo wachsen sollten, wie Trump dies vorhat, könnten in einer Krise vielleicht sogar grundsätzliche Zweifel an der Stabilität des ameri­kanischen Finanzsystems aufkommen. Das gliche ei­nem Beben, von dem sich die Finanzwelt so schnell nicht wieder erholen würde.

So weit ist es längst noch nicht, die Entwicklung der Stablecoins steht noch am Anfang. Dennoch hält Co-Pierre Georg, Direktor des Frankfurt School Blockchain Center, die Warnungen für angemessen: „Das ist ein bisschen wie beim Brandschutz. Den macht man nicht, wenn das Haus in Flammen steht – sondern am besten schon davor.“ Auch Markus Demary vom Institut der deutschen Wirtschaft, Autor eines umfangreichen Forschungspapiers zu Stable­coins, sagt: „Es gibt zwar aktuell keinen Grund zur Panik. Problematisch ist es aber, wenn man die Gefahr unterschätzt.“ Frühzeitiges Gegensteuern liefe auf mehr Regulierung hinaus. Das allerdings ist das Letzte, was man von Donald Trump erwarten darf.