
Wenn eine Frau am Steuer eines Traktors samt Anhänger über die Dorfstraßen rollt, sorgt das oft noch immer für hochgezogene Augenbrauen. Kein Wunder, denn jahrzehntelang war die Rollenverteilung auf den landwirtschaftlichen Höfen in Stein gemeißelt. Der Mann gab die Richtung vor, die Frau hielt Haus, Kinder und das Drumherum zusammen. Maschinen, Finanzen und große Entscheidungen – Männersache. Doch das vertraute Muster beginnt zu bröckeln. Immer mehr Frauen übernehmen inzwischen Verantwortung, treffen Entscheidungen und führen Betriebe.
Katharina Leyschulte, die in Nordrhein-Westfalen einen Betrieb mit 170 Milchkühen leitet, lässt sich von alten Stereotypen jedenfalls nicht beeindrucken. „Nach außen hin war die Branche immer eine Männerdomäne“, sagt sie. „Aber in Wahrheit galt schon immer: Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau.“ Für ihre Kollegen zähle nicht das Geschlecht, sondern die Qualität der Arbeit. „Es gibt immer ein paar Menschen, die mit ihrem Weltbild noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen sind. Mir fehlen die Zeit und die Buntstifte, um diese Menschen abzuholen, und es ist mir herzlich egal, ob meine Berufswahl das Bild von ein paar Rückwärtsgewandten stört.“ Ihre Mutter habe ihr stets vorgelebt, dass es auf dem Hof keine Arbeit gebe, die eine Frau nicht könne. Das sei wohl der „Scully-Effekt“ gewesen, sagt sie, in Anlehnung an die kluge Ermittlerin aus der Fernsehserie „Akte X“. Die 29 Jahre alte Landwirtin ist Mutter von zwei Kindern. Die Frage, wie sie die Betreuung organisiert, kontert sie mit der Gegenfrage: „Würden Sie einem Mann in meinem Beruf auch diese Frage stellen?“ Die Organisation gelingt ihr und ihrem Mann mit festen Strukturen und mit der Unterstützung von Familie und Freunden, auch wenn sie anfangs beruflich zurückstecken musste.

Die Frau auf dem Hof – und das nicht erst seit gestern
Trotzdem ist Katharina Leyschulte als Betriebsleiterin die Ausnahme. Die Landwirtschaft wird zwar weiblicher, kämpft aber weiter mit ihrem angestaubten Image. Laut Statistischem Bundesamt sind heute etwa ein Drittel der Arbeitskräfte Frauen, in Zahlen rund 275.000. Unter den Auszubildenden liegt der Anteil bei 18 Prozent, Tendenz steigend. Auch Frauen, die nicht selbst vom Hof stammen, entscheiden sich zunehmend für eine landwirtschaftliche Lehre. An Universitäten stellen Frauen sogar die Hälfte der Studenten. Dennoch wird nur gut jeder zehnte Agrarbetrieb von einer Frau geführt. Ein ähnliches Bild zeigt sich in den Agrarverbänden, auch da dominieren Männer. An der Spitze des Deutschen Bauernverbands, dem etwa 90 Prozent der Landwirte angehören, steht ein Mann. Immerhin: Vizepräsident und Generalsekretär sind mittlerweile weiblich.
Die Gründe für die Schieflage liegen tief in der Tradition. Landwirtschaft ist vielerorts ein Familiengeschäft, oft unter einem Dach. Die Regel, dass der erstgeborene Sohn den Hof übernimmt, gilt häufig noch immer. Petra Bentkämper, Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbands, kennt das aus eigener Erfahrung: „Es ist für Frauen viel leichter, einen Hof zu übernehmen, wenn sie Einzelkind sind oder nur Schwestern haben. Sobald ein Sohn da ist, wird es meist schwierig.“ Jungen lernen früh, Trecker zu fahren, während Mädchen oft die Rolle der Helferin zugedacht wird. Noch immer frage der Vertreter für Futtermittel zuerst nach dem Chef, wenn er auf einem Hof zu Besuch ist, und selten nach der Chefin, sagt Bentkämper. Dabei hätten Frauen ihre Kompetenz längst bewiesen.
Bentkämper erinnert an die Zeit des Zweiten Weltkriegs, als Frauen oft ganz selbstverständlich die Höfe ihrer Männer führten, die im Krieg waren. Doch mit deren Rückkehr fiel man wieder in alte Muster zurück. Erst in den Siebzigerjahren begann sich das Bild zu wandeln: Frauen wurden zu Motoren für neue Erwerbszweige, blieben aber meist im Hintergrund. „Bis heute übernehmen Frauen den Großteil der Care-Arbeit auf den Höfen“, sagt Bentkämper. Selbst dann, wenn sie einen eigenen Beruf haben.
Die unsichtbare Arbeit
Doch es gibt auch Betriebe und Unternehmen, in denen die Rollen längst anders verteilt sind. Sabine Eidam zum Beispiel, eine 31 Jahre alte Tierwirtin, leitet eine Agrargenossenschaft in Thüringen. „Viele Mütter arbeiten hier wie ich 40 Stunden oder mehr, und gute Kitaplätze sind selbstverständlich. Das ist in anderen Regionen oft schwieriger“, sagt sie. Im Osten sei es seit Langem normal, dass Frauen genauso arbeiten wie Männer. Als Landwirtin arbeitet Eidam auch an Wochenenden, da unterstützt sie ihr Lebensgefährte in der Betreuung ihres Sohns. Für sie ist das nicht ungewöhnlich. „Meine Mutter und meine Oma waren beide berufstätig, neben Haushalt und Familie. Bei uns gibt es diese typische Rollenverteilung nicht mehr.“
Schon damals fuhren Frauen Traktor und übernahmen anspruchsvolle Aufgaben im Stall. Eidam hat eine Ausbildung zur Tierwirtin gemacht, später Agrarwirtschaft studiert. Heute trägt sie als Aufsichtsratsvorsitzende und stellvertretende Leiterin der Sparte Tierhaltung Verantwortung für 65 Angestellte. „Natürlich muss man sich in jungen Jahren gegenüber den Älteren behaupten, aber ich habe das nie nur am Frausein festgemacht.“ Sie sei schließlich nicht „frisch von der Uni“ in eine Führungsposition gerutscht, sondern habe den Weg „von unten“ genommen. Abwertende Sprüche von älteren Herren gab es sicher, vor allem in der Ausbildung, doch mit dem Generationswechsel werde das immer weniger.
Solche Modelle mit großen Agrargenossenschaften und vielen Angestellten findet man historisch bedingt vor allem in Ostdeutschland. Im Westen dominiert noch immer das traditionelle Bild des Familienbetriebs. Das berge die Gefahr, dass Frauen dort stärker in die Rolle der Hausfrau zurückfallen, warnt Bentkämper. Eine Studie der Universität Göttingen und des Thünen-Instituts zur Lebenssituation von Frauen in landwirtschaftlichen Betrieben untermauert das. Frauen leisten demnach einen erheblichen Beitrag auf den Höfen, sind oft das soziale Bindeglied in Familie und Dorf, engagieren sich ehrenamtlich, schaffen Zusammenhalt. Vieles davon bleibt aber oft unsichtbar, ist nach außen kaum erkennbar.
Stall, Acker, Haushalt, Kind
Dabei reichen die Aufgaben der „Bauersfrauen“ längst weit über Küche und Kinderzimmer hinaus. Das zeigt auch Gesa Langenberg, die seit 2017 den elterlichen Schweinemastbetrieb in Niedersachsen gemeinsam mit ihrem Mann und einem Team aus Mitarbeitern und Auszubildenden führt. Ihre Verantwortung als Unternehmerin reicht von wirtschaftlichen Entscheidungen über Personalführung, strategische Planung und Controlling bis zu Nachhaltigkeit und Tierwohl. Zweifel an ihrer Eignung als Betriebsleiterin habe es in der Familie nie gegeben, sagt sie. Als jüngste von drei Schwestern fiel die Entscheidung zur Hofübernahme erst während ihres Agrarstudiums. Ihr Vater habe sie früh eingebunden, ihr Verantwortung übertragen, sie unterstützt.

„Es geht um persönliche Stärken und Interessen, nicht um das Geschlecht“, sagt sie. Langenberg ist Mutter von zwei Kindern. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist eine tägliche Aufgabe, die mit guter Organisation und Unterstützung aber gelinge. „Oft arbeite ich abends noch am Schreibtisch, um tagsüber mehr Zeit mit den Kindern verbringen zu können“, sagt sie.
Viele Landwirtsfrauen empfinden diese Vielfalt an Aufgaben als Bereicherung. Sie schätzen es, dass ihre Kinder mit der Natur aufwachsen und die Eltern bei der Arbeit begleiten können. Doch die Arbeitsbelastung ist bei all den Vorteilen hoch. Neben Stall, Acker, Haushalt und Kindern bleibt oft wenig Luft zum Durchatmen. Laut der Landfrauen-Studie sind rund 20 Prozent der Landwirtinnen Burnout-gefährdet. Sie fordern bessere Bedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, etwa echten Mutterschutz oder einen finanziellen Ausgleich für selbständige Unternehmerinnen, um nach der Geburt Entlastung zu ermöglichen.
