Neuer Millionen-Prozess: DFB scheitert mit Antrag gegen Richterin – Sport

Der nächste Millionen-Prozess rund um den Deutschen Fußball-Bund (DFB) kann nun doch wie geplant stattfinden. Ein Versuch des Verbandes, den Beginn des Verfahrens kurzfristig platzen zu lassen, ist gescheitert. Das Landgericht Frankfurt lehnte einen Befangenheitsantrag des DFB gegen die Vorsitzende sowie einen Beisitzer der zuständigen zweiten Wirtschaftsstrafkammer ab. Das teilte ein Gerichtssprecher der SZ mit.

Dabei wird durch die Entscheidung des Gerichtes eine weitere bemerkenswerte Unannehmlichkeit für den DFB und seine Anwälte offenbar. Nach Angaben des Gerichtes sei der Antrag zwar ohnehin als unbegründet angesehen worden. Jedoch sei dieser Sachverhalt für die formale Ablehnung gar nicht ausschlaggebend gewesen: Der Antrag des DFB sei ohnehin unzulässig, weil er zu spät eingereicht worden sei.

Es geht um den Vorwurf, dass der DFB 3,5 Millionen Euro Steuern zu wenig gezahlt habe

Bei dem neuen Verfahren, das am 30. Oktober beginnt, geht es um den Vorwurf, dass der Verband Einnahmen aus der Bandenwerbung in den Jahren 2014 und 2015 nicht korrekt versteuert habe. Insgesamt sollen 3,5 Millionen Euro zu wenig bezahlt worden sein. Dem DFB droht dabei, wie schon im „Sommermärchen“-Verfahren um die Millionenschiebereien vor der WM 2006, eine Geldbuße – und in der Folge die finale Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die beiden betreffenden Jahre. Das macht in Summe knapp 30 Millionen Euro.

Zufälligerweise ist für dieses Bandenwerbungsverfahren dieselbe Kammer des Frankfurter Landgerichtes zuständig wie für das WM-2006-Verfahren. Deren Vorsitzende Eva-Marie Distler war mit dem DFB während des Prozesses hart ins Gericht gegangen. Zudem hatte sie mehrfach gezeigt, dass sie sich nicht nur um buchungs- und steuertechnische Fragen kümmert, sondern dass sie, eingedenk einer massiven Schweigemauer aufseiten der Fußballvertreter, auch den Sachverhalt als solchen beleuchten wollte.

Eva-Marie Distler, Vorsitzende Richterin im WM-2006-Prozess und nun auch im Bandenwerbungsprozess.
Eva-Marie Distler, Vorsitzende Richterin im WM-2006-Prozess und nun auch im Bandenwerbungsprozess. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Entsprechend könnte es nun auch im Bandenwerbungsprozess spannend werden. Denn der Zeitraum der verfahrensrelevanten Vorgänge fällt in die große Skandal-Ära des DFB, in der gleich mehrere Präsidenten kamen und gingen. Diverse Ex-DFB-Funktionäre, darunter der langjährige Strippenzieher und mehrmalige Interimspräsident Rainer Koch, sollen als Zeugen vor Gericht aussagen. Hätte sich der DFB mit seinem Befangenheitsantrag durchgesetzt, wäre es dazu nicht oder zumindest nicht so schnell gekommen, weil sich dann erst andere Richter hätten einarbeiten müssen. So aber wird jetzt zum Beispiel Kochs Aussage für den 6. November erwartet – just einen Tag vor dem Bundestag, auf dem sich der DFB-Präsident Bernd Neuendorf wiederwählen lassen will.

Der Verband selbst möchte sich zum Befangenheitsantrag nicht näher äußern. Nach Angaben des Gerichtes knüpfte der DFB bei seiner offiziellen Begründung an die Äußerungen an, die Distler im Rahmen der mündlichen Urteilsverkündung am 25. Juni tätigte. Unter anderem hatte sie da die Zusammenarbeit mit dem DFB als „katastrophal“ bezeichnet. Auch hatte sie dem Verband „Geldverschwendung“ vorgeworfen, weil er zu Beginn des Sommermärchen-Skandals im Herbst 2015 keine Selbstanzeige einreichte, sondern danach einen hohen einstelligen Millionenbetrag für eine Kanzlei und Privatermittler ausgab.

Am 1. September legte das Gericht die Besetzung final fest. Der DFB reagierte erst am 22. September

Bei der Abgabe des Antrages leisteten sich die teuren Anwälte nach Auffassung des Gerichtes aber eine Panne. Denn Befangenheitsanträge können nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt erfolgen. Sie müssen „unverzüglich“ passieren, sobald der Grund für die angebliche Befangenheit bekannt ist. Im Bandenwerbungsfall war im Prinzip schon seit dem vergangenen Jahr klar, dass er von der zweiten Wirtschaftsstrafkammer um Distler behandelt wird; diese Causa wurde sogar eigens bis zum Abschluss des Sommermärchen-Verfahrens zurückgestellt. Formal wurde die Frage, wer das Verfahren leitet, nach Angaben des Landgerichtes mit der sogenannten Besetzungsmitteilung final besiegelt. Diese datiert auf den 1. September und wurde kurz darauf verschickt. Der DFB reichte seinen Antrag laut Gericht aber nicht „unverzüglich“, sondern erst am 22. September ein. Für die Mitglieder der 29. Kammer des Landgerichtes, die sich gemäß den Statuten um den Vorgang und die Befangenheitsanträge kümmern mussten, war das zu spät. Der DFB äußerte sich auf Anfrage konkret dazu nicht, sondern erklärt nur, man nehme die Entscheidung zur Kenntnis.

Zugleich lehnte das Gericht auch den Befangenheitsantrag des einzigen Angeklagten ab: des früheren DFB-Schatzmeisters Stephan Osnabrügge, der den Vorwurf bestreitet. Er hatte sich dem DFB-Antrag angeschlossen. Bei ihm kam das Gericht zwar nicht zum Schluss, dass der Antrag verspätet eingereicht worden sei – denn er erfuhr die Ablehnungsgründe quasi erst aus dem DFB-Schreiben und agierte seinerseits unverzüglich. Aber wie schon beim DFB urteilte das Gericht auch bei Osnabrügge, dass der Antrag auch in der Sache unbegründet sei.