
Die Enhanced Games entsetzen Dopingforscher Fritz Sörgel. Er befürchtet sogar Tote und zieht eine Linie zur MAGA-Bewegung in den USA. Die Veranstalter der Anabolika-Spiele machen unterdessen keinen Hehl aus ihren geschäftlichen Zielen – und nennen Red Bull als Vorbild.
Olympische Spiele, bei denen Doping nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht ist. Eine abenteuerliche Vorstellung. Aber genau das findet im nächsten Mai in Las Vegas (USA) statt. Offizieller Name der Veranstaltung: „Enhanced Games“, übersetzt: „Verbesserte Spiele“. Das Motto der Veranstalter: „Der Beginn einer neuen Ära im Elitesport. Eine furchtlose Bühne für Athleten, um Grenzen zu verschieben, Rekorde zu brechen und die Zukunft des Sports neu zu denken.“
Auf dem viertägigen Programm (21. bis 24. Mai 2026) stehen die drei Sportarten Schwimmen (50 und 100 Meter Freistil, 50 und 100 Meter Schmetterling), Leichtathletik (100 Meter Sprint, 100/110 Meter Hürden) und Gewichtheben (Reißen und Stoßen).
Die Veranstalter locken mit gewaltigen Antrittsgagen und Prämien. Pro Wettbewerb wird eine halbe Million Dollar an die Starter ausgeschüttet. Für einen Sieg gibt es 250.000 Dollar (214.000 Euro), für einen Weltrekord – der allerdings vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) nicht anerkannt werden würde – den Bonus von einer Million Dollar. Zum Vergleich: Für einen Olympiasieg bekommt ein deutscher Sportler 20.000 Euro.
Finanziert wird die Veranstaltung von dem Tech-Milliardär Peter Thiel (PayPal-Gründer), dem Pharma-Investor Christian Angermayer, Donald Trump junior, Sohn des US-Präsidenten, und weiteren Investoren aus den USA und Saudi-Arabien. Schauplatz der Veranstaltung ist die Resorts World Las Vegas, eine Hochglanz-Hotelanlage inmitten der Zockermetropole im Bundesstaat Nevada.
Zugesagt haben bereits echte Stars: US-Sprinter Fred Kerley, 100-Meter-Weltmeister 2022 und zuletzt Olympia-Dritter 2024, der dreimalige Schwimm-Weltmeister James Magnussen aus Australien sowie die viermalige Weltmeisterin Megan Romano aus den USA. Auch der deutsche Schwimmer Marius Kusch, Kurzbahn-Europameister über 100 Meter Schmetterling im Jahr 2019, hat zugesagt.
Das Treffen der Spritzensportler – ein absurdes und gefährliches Event? Die Veranstalter sehen das anders. Sie verweisen darauf, dass die Dopingmittel unter ärztlicher Aufsicht verabreicht werden, und behaupten, dass sie der Gesundheit förderlich und nicht schädlich seien.
Mit Testosteron und Anabolika zu Langlebigkeit?
„Wir wollen den Glauben stärken, dass wir alle unsere Grenzen überwinden und übermenschlich werden können“, sagt Enhanced-Games-Gründer Aron D’Souza, ein australisch-amerikanischer Unternehmer. „Bei den Spielen geht es darum, wissenschaftliche Erkenntnisse zu beschleunigen und Potenziale aufzuzeigen. Unsere Athleten sind nicht nur Sprecher, sie sind Pioniere und lebender Beweis dafür, was möglich ist, wenn Leistungssteigerung vom gefährlichen Schwarzmarkt in eine transparente, medizinisch überwachte klinische Umgebung verlagert wird.“
D’Souza weiter: „Was uns motiviert, ist der unerschütterliche Glaube an den wissenschaftlichen Fortschritt und das Bekenntnis zur Autonomie der Athleten. Das derzeitige Anti-Doping-System ist ein gescheiterter, unehrlicher Krieg gegen die Wissenschaft, der Athleten dazu zwingt, im Verborgenen zu betrügen, was gefährliche Gesundheitsrisiken mit sich bringt. Wir existieren, um dieses Problem zu lösen. Wir machen den Wettbewerb sicherer, ehrlicher und viel fortschrittlicher.“
Auf der Veranstalter-Homepage (enhanced.com) werden Dopingmittel zum Verkauf angeboten. Auch die notwendigen Rezepte werden bei Interesse per Mail zugeschickt. Das Vorkaufsrecht auf eine Testosteron-Therapie kostet 19 Dollar. Es gibt Spritzen, Kapseln und Salben. Der Werbetext dazu: „Für die, die sich weigern, Durchschnitt zu fühlen.“ Versprochen wird zudem „Langlebigkeit“. Doch die Sportler nehmen nicht nur Testosteron, sondern auch Anabolika. Das Risiko bei der Einnahme von Muskelaufbaupräparaten bezeichnet D’Souza als „gering“.
Dopingforscher Fritz Sörgel ist entsetzt: „Aus Wissenschaftssicht ist es interessant zu sehen, inwieweit die Dopingmittel die Leistungen steigern. Aber aus ethisch-moralischer Sicht ist das Ganze verantwortungslos und gefährlich. Die Einnahme von Anabolika wird verharmlost.“
Sörgels Sorge: „Alle Sportler bei den Enhanced Games starten ja auf einem ähnlichen Dopinglevel. Trotzdem werden sie sich einen Vorteil verschaffen wollen. Also nehmen sie einfach die doppelte Dosis oder Medikamente, die noch gar nicht erforscht und deren Nebenwirkungen nicht abschätzbar sind. Das grenzt an eine Art Menschenversuch. Wenn es die Sportler übertreiben, wird es irgendwann Tote geben. Schon häufiger wurden junge Radfahrer leblos in ihrem Bett aufgefunden. Man muss das Schlimmste befürchten.“
Herzerkrankungen, Leber- und Nierenschäden, Krebs – all das sind nachgewiesene Folgen von Anabolika-Missbrauch. Testosteron erhöht die Thrombose-Gefahr.
Sörgel kritisiert weiter: „Die Ideologie vom besseren und stärkeren Menschen ist das eine. Nach meiner Einschätzung sind die Enhanced Games Teil der Make-America-Great-Again-Bewegung. Doch die andere Seite ist, dass das Ganze eine reine Geschäftemacherei ist. Die Unternehmen und Investoren, die dahinterstehen, wollen vor allem eines: viel Geld verdienen.“
Daraus machen die Organisatoren gar keinen Hehl. D’Souza sagte der Schweizer Zeitung „Tribune de Genève“: „Unser Ziel ist es, das Leben der Menschen zu verbessern. Wir wollen die Voraussetzungen schaffen, um Rekorde zu brechen, mehr Medikamente zu verkaufen, unsere Forschung und Entwicklung zu intensivieren, bessere Behandlungen zu entwickeln und erneut Rekorde zu brechen. Es ist ein positiver Kreislauf, der die sportlichen Leistungen verbessert, den Verkauf von Medikamenten ankurbelt und die Forschung fördert.“
Auf die Nachfrage, ob es das Ziel sei, Medikamente zu verkaufen, sagt D’Souza weiter: „Im Prinzip ja. Verkaufen und entwickeln. Im Gegensatz zum IOC sind wir weder von Medienrechtlern noch vom Ticketverkauf abhängig. Wir ähneln eher Red Bull, das den Sport nutzt, um seinen Energy-Drink zu vermarkten, und das mit großem Erfolg.“ Dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) wirft D’Souza „Fortschrittsfeindlichkeit“ und „Heuchelei im Anti-Doping-Kampf“ vor.
Größtes Ziel der Enhanced-Games-Veranstalter ist es, den 100-Meter-Weltrekord (9,58 Sekunden) von Usain Bolt zu brechen. Er würde zwar nicht offiziell anerkannt werden, wäre aber ein Marketing-Coup. Fred Kerley liegt mit seiner Bestzeit (9,76 Sekunden) 18 Hundertstelsekunden über dem Bolt-Rekord. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er an die Bolt-Zeit herankommt“, sagt Sörgel. „Bolt hatte mit seinen langen Hebeln den idealen Körper für einen Sprinter.“ Allgemein schätzt Sörgel, dass Doping zwei bis drei Prozent Leistungssteigerung bringt.
Das hohe Preisgeld als Motivation
Im Vorfeld der Enhanced Games schickten die Macher im Juni den griechischen Schwimmer Kristian Gkolomeev ins Becken. Mithilfe der Spritzen unterbot er den Weltrekord des Brasilianers Cesar Cielo (20,91 Sekunden) über 50 Meter Freistil von 2009 um zwei Hundertstelsekunden (20,89 Sekunden). Wie Cielo damals trug Gkolomeev einen Hightech-Anzug, der mittlerweile verboten ist. Als Belohnung strich er eine Million Dollar ein.
Geld ist auch der Hauptantrieb für den deutschen Schwimmer Marius Kusch. „Ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe. Aber die Wahrheit ist, dass mir der Sport nie die finanzielle Stabilität gegeben hat, um mir eine Zukunft aufzubauen. Diese Tatsache war schon immer eine Herausforderung“, schrieb Kusch bei Instagram. Und: „Jetzt ist Zeit für ein neues Kapitel. Die Teilnahme an den Enhanced Games ist eine Chance, an meine Grenzen zu gehen und gegen einige der besten Athleten der Welt um ein beispielloses Preisgeld anzutreten.“
Im kommenden Jahr will Kusch mit dem Dopen beginnen. Von den Ärzten wird er einen genauen Dosierungsplan bekommen. „Ich bin neugierig und will wissen, was es bringt. Das ist auch Teil meiner Motivation“, sagte er dem „Spiegel“. „Das Finanzielle ist ein großer Teil meiner Motivation, da muss ich nicht drum herumreden. Ich müsste einige traditionelle Schwimmkarrieren durchleben, um auf das Geld zu kommen, was ich jetzt verdienen kann.“ Eine Rückkehr in den dopingfreien Sport schließt er nach den Enhanced Games aus.
Hammerwurf-Vizeweltmeister Merlin Hummel sagt über die Doping-Spiele: „Am Ende muss jeder Sportler selbst entscheiden, ob er für Preisgelder oder bessere Leistungen bereit ist, seine Gesundheit und Lebenszeit zu riskieren. Wenn dadurch in den Sportarten, in denen Doping verboten bleibt, weniger Fälle auftreten, könnte das zumindest ein positiver Nebeneffekt sein.“
Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „BILD“, „SPORT BILD“) erstellt und zuerst in der „SPORT BILD“ veröffentlicht.