Atlas vs. Chrome: Open AI startet den „Browser-Krieg“ gegen Google

Open AI hat eine neue Front im Wettbewerb mit Google und anderen großen Technologiekonzernen eröffnet. Der Entwickler des mit Künstlicher Intelligenz arbeitenden Programms ChatGPT hat nun erstmals einen Internetbrowser herausgebracht. Er heißt Atlas und ist ein direktes Konkurrenzprodukt zu Googles markt­führendem Internetzugangsprogramm Chrome sowie Alternativen wie Safari von Apple und Edge von Microsoft. Open AI erschließt damit eine Produktkategorie, die ein Dreh- und Angelpunkt für Internetnutzer ist.

Mitgründer und Vorstandschef Sam Altman sagte anlässlich einer Präsentation, KI biete eine „Chance, die einmal im Jahrzehnt kommt“, um eine andere Art von Browser zu entwickeln. Und Open AI habe sehr lange daran gearbeitet. Atlas rückt ChatGPT in den Mittelpunkt, ähnlich wie dies Google bei Chrome mit seiner Suchmaschine tut. Es gibt oben kein traditionelles Adressfeld wie bei anderen Browsern, stattdessen geben Nutzer In­ter­netadressen direkt in der Mitte bei ChatGPT ein – oder sie stellen ChatGPT Fragen. ChatGPT taucht auch noch auf andere Weise auf. Wenn Nutzer auf einer Internetseite sind, können sie über einen „Ask ChatGPT“-Knopf eine Leiste an der Seite öffnen, auf der ChatGPT zum Beispiel Inhalte auf der Seite zusammenfassen kann.

Atlas hat auch einen „Agent-Modus“, der für seine Nutzer verschiedene Dinge erledigen kann, also zum Beispiel Flüge buchen oder Dokumente bearbeiten. Der Browser kann sich auch daran erinnern, welche Internetseiten Nutzer in der Vergangenheit aufgerufen haben, wobei diese „Memory“-Funktion optional ist. Open AI sagte, Atlas bringe seine Nutzer „näher an einen echten Super-Assistenten“.

Chrome dominiert 72 Prozent des Marktes

Der Browser von Open AI ist ein ehrgeiziges Vorhaben, die Marktverhältnisse in diesem Segment sind seit einiger Zeit recht festgefahren. Google ist der do­minierende Anbieter, nach Angaben der Marktforschungsgruppe Statcounter hatte Chrome im September global einen Anteil von fast 72 Prozent am Markt für Internetbrowser. Dahinter folgt Apples Safari mit knapp 14 Prozent, Microsoft liegt mit Edge bei weniger als fünf Prozent, der Fire­fox-Browser bei etwas mehr als zwei Prozent. Allerdings hat es auch Google selbst einst geschafft, die Vormachtstellung eines anderen Browsers zu brechen. Als Chrome 2008 herauskam, hatte Microsoft mit dem damaligen Internet Explorer einen Marktanteil von um die 70 Prozent.

Sam Altman wettet nun darauf, dass es KI ermöglicht, die Karten in dem Markt abermals neu zu mischen. Er ist damit nicht der Einzige. Das KI-Unternehmen Perplexity hat kürzlich ebenfalls einen Browser herausgebracht, bei dem KI-Funktionen eine zentrale Rolle spielen. Er heißt Comet. Google wiederum hat erst vor wenigen Wochen angekündigt, sein KI-Modell Gemini in den Chrome-Browser zu integrieren. Für Open AI ist Atlas die jüngste in einer Serie von Produktoffensiven. Erst vor wenigen Wochen brachte das Unternehmen die Smartphone-App Sora heraus, die dazu gedacht ist, KI-Videos zu erstellen und wie in ei­nem sozialen Netzwerk zu teilen. Sie ar­beitet mit einem KI-System, das Textbefehle in Videos umwandelt. Damit macht Open AI nun Plattformen wie Tiktok oder Instagram Konkurrenz.

Atlas erstmal nur für Mac-Nutzer verfügbar

Das Unternehmen hat kürzlich zudem angekündigt, Apps in ChatGPT zu inte­grieren. Es macht sein KI-Programm auch mehr und mehr zu einer Einkaufsplattform. In der vergangenen Woche kündigte es eine Allianz mit dem Handelskonzern Walmart an. Künftig soll es möglich sein, direkt auf ChatGPT Produkte von Walmart zu kaufen. Open AI will sogar in das Geschäft mit Hardware vorstoßen und ar­beitet an speziellen KI-Geräten. Welche Form diese Produkte annehmen könnten, ist noch ein Geheimnis, aber in der Branche wird mit Spannung darauf gewartet.

Atlas wird sofort auf der ganzen Welt verfügbar sein, allerdings zunächst nur für MacOS, also das Betriebssystem, das in Apple-Computern zum Einsatz kommt. Der Browser soll allerdings auch bald für das Windows-Betriebssystem und für iPhones sowie Handys mit Googles Betriebssystem Android herauskommen. Atlas ist in seiner Basisvariante gratis, allerdings ist der „Agent-Modus“ zunächst Nut­zern der kostenpflichtigen Versionen von ChatGPT wie Pro und Plus vorbe­halten.

Kartellstreit: Google sollte Chrome abgeben

Der Browsermarkt hat zuletzt eine große Rolle in einem bedeutenden Kartellstreit der amerikanischen Regierung mit Google gespielt. In dieser Auseinandersetzung kam ein Richter im vergangenen Jahr zu dem Schluss, Google habe mit seiner marktdominierenden Suchmaschine ge­gen Kartellgesetze verstoßen. Als eine mög­liche Konsequenz stand es zur Debatte, dass Google sich von Chrome trennen müsse. Aber der Konzern kam glimpflich davon, der Richter entschied, Google nicht zu diesem Schritt zwingen zu wollen. Stattdessen verhängte er einige mildere Auflagen.

Zur Begründung verwies der Richter unter anderem darauf, dass KI-Dienste wie ChatGPT oder Perplexity die Ausgangs­lage in dem Markt verändert hätten. Im Laufe dieses Verfahrens kamen auch Vertreter von Open AI und Perplexity zu Wort und bekundeten Interesse an einer Übernahme von Chrome. Perplexity hat sogar ein Kaufangebot in Höhe von 34,5 Milliarden Dollar für Chrome abgegeben.

ChatGPT hat derzeit nach Angaben von Open AI mehr als 800 Millionen Nutzer in der Woche. Das Unternehmen erzielt bislang seine Umsätze mit den kostenpflich­tigen ChatGPT-Versionen, versucht aber schnell, weitere Einnahmequellen zu erschließen, wie sich auch an der Walmart-Allianz zeigt. Offenbar erwägt es auch, künftig Geld mit Werbung zu verdienen. Medienberichten zufolge belaufen sich die Umsätze derzeit auf rund eine Milliarde Dollar im Monat, wobei Open AI noch sehr hohe Verluste erwirtschaften dürfte. Die genauen Zahlen sind nicht bekannt, weil Open AI noch nicht an der Börse ist.

Mit einer Bewertung von zuletzt 500 Milliarden Dollar ist Open AI das teuerste, nicht börsennotierte Unternehmen der Welt. Obwohl die Umsätze von Open AI noch überschaubar sind, investiert das erst im Jahr 2015 gegründete Unternehmen ähnlich aggressiv wie Google oder Meta in den Ausbau seines Netzes an Rechenzentren, die für die Entwicklung und den Betrieb von KI-Systemen notwendig sind. Dazu hat es jüngster Zeit eine Serie von Allianzen geschlossen, zum Beispiel mit Chipanbietern wie Nvidia, Advanced Micro Devices oder Broadcom.