
Die Zeitumstellung bringt bei vielen Menschen Jahr für Jahr den Biorhythmus durcheinander und beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit. Viele Länder möchten sie abschaffen. Trotzdem hält die EU daran fest. Warum das so ist und weitere Antworten.
Seit 1980 gibt es in Deutschland eine Sommer- und eine Winterzeit. Auch am kommenden Wochenende wird in der Nacht von Samstag auf Sonntag die Uhr wieder auf Winterzeit gedreht; die Uhrzeiger werden eine Stunde zurückgestellt, der Sonntag hat 25 Stunden. Die EU-Kommission wollte das eigentlich längst geändert haben. Die wichtigsten Fragen zur Zeitumstellung.
Was passiert in der Nacht zum Sonntag?
Die Uhren werden um drei Uhr in der Nacht um eine Stunde auf zwei Uhr zurückgestellt. Die Nacht ist also 60 Minuten länger; man kann länger schlafen. Morgens wird es eine Stunde früher hell, abends eine Stunde früher dunkel.
Vor oder zurück? Welche Eselsbrücken gibt es?
Eine bekannte Merkhilfe ist der Vergleich zu Gartenmöbeln. Im Sommer werden diese raus vor das Haus gebracht – so wie auch die Uhr vorgestellt wird. Im Winter stellt man Gartenmöbel zurück ins Haus. Genauso stellt man auch die Uhr zurück.
Wer organisiert die Zeitumstellung eigentlich?
Für alle, die in dieser Nacht eine genaue Unterscheidung der doppelten Stunde benötigen, haben die Experten von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig eine Lösung: Die erste Stunde wird als 2A und die zweite Stunde als 2B bezeichnet. Die Behörde ist für die Verbreitung der exakten gesetzlichen Zeit in Deutschland zuständig.
„Unsere Experten sind regelmäßig vor Ort und prüfen, ob die bevorstehende Umstellung richtig programmiert ist“, sagte PTB-Arbeitsgruppenleiter Dirk Piester. Sie kümmern sich darum, dass über den Langwellensender mit dem Namen „DCF77“ in Mainflingen bei Frankfurt/Main Funkuhren, Bahnhofsuhren und viele Uhren der Industrie mit der gesetzlichen Zeit versorgt werden.
Wie lange gibt es die Zeitumstellung schon?
Im Deutschen Reich gab es erstmals 1893 eine einheitliche Uhrzeit. Damals wurde die sogenannte Mitteleuropäische Zeit festgelegt. Im Zusammenhang mit den beiden Weltkriegen wurde von 1916 bis 1919 und von 1940 bis 1949 allerdings eine eigene deutsche Sommerzeit eingeführt – vor allem, um das Tageslicht in Landwirtschaft und Rüstungsindustrie besser nutzen zu können.
Zwischen 1950 und 1979 drehte Deutschland nicht an den Uhren. Erst im Zuge der Ölkrise führten beide deutschen Staaten wieder eine Sommerzeit ein, um Energie zu sparen. 1996 wurden die unterschiedlichen Sommerzeitregelungen in der Europäischen Union vereinheitlicht. Seitdem stellt Deutschland die Uhren von Ende März bis Ende Oktober um.
Was bedeutet die Zeitumstellung für die Gesundheit?
Kritiker argumentieren, dass die zweimalige Umstellung pro Jahr den Biorhythmus von Menschen und auch von Nutztieren durcheinander bringt, vergleichbar mit einem Mini-Jetlag. Ein Drittel der Deutschen leidet einer Umfrage zufolge unter gesundheitlichen oder psychischen Problemen infolge der Zeitumstellung. Besonders häufig betroffen sind Frauen, wie die Krankenkasse DAK-Gesundheit in Hamburg mitteilte.
Demnach gaben 39 Prozent von ihnen in der repräsentativen Forsa-Umfrage an, schon einmal Beschwerden gehabt zu haben, bei den Männern waren es 24 Prozent. Am häufigsten klagen Betroffene über Müdigkeit (75 Prozent) sowie über Schlafstörungen oder Einschlafprobleme (65 Prozent).
Vier von zehn berichten über Konzentrationsprobleme, ein Drittel fühlt sich gereizt. Zudem leiden 16 Prozent unter depressiven Verstimmungen. Fast jeder Fünfte kam nach eigenen Angaben schon einmal wegen der Zeitumstellung zu spät zur Arbeit.
Welche Position vertritt Brüssel?
Seit Jahren zeigen Umfragen, dass die Zeitumstellung in vielen europäischen Ländern sehr unbeliebt ist. Gerade erst hat Spanien angekündigt, die Zeitumstellung abzuschaffen. Deshalb hatte die EU-Kommission, um vor den Europawahlen 2019 Handlungsfähigkeit und Bürgernähe zu demonstrieren, 2018 eine Online-Umfrage in der EU gestartet. Dabei sprachen sich 84 Prozent der rund 4,6 Millionen Teilnehmer, darunter drei Millionen Deutsche, für eine Abschaffung der Zeitumstellung aus.
Als Konsequenz schlug die Kommission vor, die Zeitumstellung in Europa zu beenden und es den Mitgliedstaaten zu überlassen, zu entscheiden, ob sie dauerhaft die Winter- oder die Sommerzeit haben möchten. Das Europaparlament sprach sich dafür aus, die Umstellung 2021 abzuschaffen – was aber ohne Konsequenzen blieb. Es gibt im Kreis der EU-Staaten keine einheitliche Position, welche Zeit künftig gelten soll.
Zugleich befürchten Beobachter, dass Europa wieder zu einem Flickenteppich mehrerer unterschiedlicher Zeitzonen zwischen Griechenland im Osten und Portugal im Westen zurückkehren könnte – was etwa neue Hindernisse für Wirtschaft, Verkehr und grenzüberschreitenden Alltag bedeuten würde.
Und wie ist die Stimmung in Deutschland?
Die große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland hält die Zeitumstellung für überflüssig. Laut einer Umfrage wünschen sich 76 Prozent deren Abschaffung, nur 22 Prozent befürworten sie weiterhin. Besonders hoch ist die Ablehnung in Ostdeutschland (82 Prozent).
Bringt die Zeitumstellung überhaupt was?
Wissenschaftler unterstreichen, dass die Zeitumstellung, anders als zunächst vermutet, nicht zur Energieeinsparung beiträgt: Zwar werde im Sommer tatsächlich weniger Strom für Licht verbraucht. Im Frühjahr und Herbst werde jedoch in den Morgenstunden auch mehr geheizt.
Welche alternativen Modelle gibt es?
Denkbar ist eine ständige Winterzeit, die über Jahrzehnte bereits die Normalzeit in Deutschland war. Die deutliche Mehrheit der Deutschen ist allerdings laut Umfragen für eine ständige Sommerzeit. Sie würde im Winter abends für längeres Tageslicht sorgen. Viele Befürworter sehen darin einen Gewinn für Gesundheit und Leistungsfähigkeit.
Eine ständige Sommerzeit würde bedeuten, dass es im Winter teilweise erst gegen neun Uhr morgens hell würde. So würden etwa Schüler die ersten Unterrichtsstunden noch im Dunkeln absolvieren. Das erhöht nach Einschätzung mancher Mediziner die Gefahr von Depressionen.
dpa, KNA, ehr