
In der 25. Minute wartete eine kommode Aufgabe auf Antonio Grimaldos linken Fuß, jedenfalls gemessen an dessen jüngsten Verdiensten. Grimaldo, so war das zuletzt zu beobachten, ist jederzeit in der Lage, einen ruhenden Ball aus 23 Metern, 25 Metern oder 27 Metern mit messerscharfer Präzision abzufeuern. Oder zu zwirbeln, je nachdem, was der Ball gerade für eine Behandlung benötigt. Nun wartete vergleichbar Machbares auf den Freistoßkünstler Grimaldo: Ein Schuss aus elf Metern, keine Mauer, nur diesen lästigen Torwart galt es noch zu überwinden – aber wie das eben so ist im Fußball, erwies sich das als komplizierter als zunächst angenommen. Grimaldo jagte den Elfmeter an den Pfosten, ein Treffer hätte für Bayer Leverkusen das zwischenzeitliche 1:1 gegen Paris Saint-Germain bedeutet.
Nicht, dass die Leverkusener 2:7-Niederlage anhand dieser Szene zu erklären gewesen wäre, Grimaldos Fehlschuss war letztlich nicht entscheidend. Und doch erzählte diese Szene Relevantes über dieses Fußballspiel. Denn sobald die Werkself einen Moment lang das Gefühl entwickeln konnte, es mit dem haushohen Favoriten und Titelverteidiger aufnehmen zu können, ihn vielleicht sogar ein wenig zu ärgern – da war der Moment auch schon wieder verflogen. Paris war eine andere Liga, obwohl beide Klubs erwiesenermaßen am selben Wettbewerb teilnehmen. Wobei es für die Leverkusener langsam eng wird mit einer Perspektive über die Champions-League-Ligaphase hinaus: drei Spiele, zwei Remis, nun die klare Pleite gegen PSG – wenn es was werden soll mit der K.-o.-Phase der Königsklasse, dann sollte die Werkself spätestens in der nächsten Partie bei Benfica Lissabon mal mit dem Gewinnen anfangen.

:„Manchmal kommen Gegner zu mir und sagen: Bitte, bitte nicht!“
Leverkusens Alejandro Grimaldo ist einer der gefürchtetsten Freistoßschützen der Welt. Er erklärt seine Schusstechnik, welche Rolle Mauer und Torwart spielen, was er sich von Cristiano Ronaldo abgeschaut hat – und er äußert einen kuriosen Verdacht.
In der Bundesliga hat der weiterhin recht neue Leverkusener Coach Kasper Hjulmand durchaus einen Leistungsaufschwung bewirkt, aber für einen Einfluss auf die Nominierungsliste für den Champions-League-Kader kam er zu spät. Für Hjulmand bedeutete das, dass er seine Startelf im Vergleich zum 4:3-Sieg am Samstag gegen Mainz auf einer Position verändern musste: Für Offensivmann Jonas Hofmann, der vor Ankunft des dänischen Trainers zur Randfigur degradiert worden war und sich zuletzt zurückarbeiten konnte, rückte Claudio Echeverri ins Team. Davon abgesehen behielt der Däne sowohl Personal als auch Statik bei – unter anderem mit Robert Andrich als rechtem Abwehrmann und dem jungen Loïc Badé im Zentrum der Leverkusener Dreierkette.
Defensive Solidität war das offenkundige Unternehmensziel. Doch was sich entspann, war eine sagenhaft wilde Partie, in der PSG die Verhältnisse sofort zurechtrückte, wenn das nötig war. Und dieses Prinzip galt quasi von Beginn an. Auch, weil sich schon in der siebten eine entscheidende Lücke für die Franzosen auftat: Nach einem kurz ausgeführten Eckball konnte PSG-Verteidiger William Pacho aus kurzer Distanz einköpfeln, 1:0 Paris. In der Folge ließen die Gäste den Ball zirkulieren, rasant und präzise, während die Leverkusener ihr Möglichstes taten, um den eigenen Strafraum zu verdichten. Die Hjulmand-Elf blieb fest hinten eingeschnürt, bis … ja, bis Grimaldos linker Fuß in der 25. Minute gefragt war. Doch sein Elfmeter (resultierend aus einem fragwürdigen Pariser Handspiel) knallte, wie erwähnt, an den Pfosten. Dennoch schien sich Bayer nun etwas besser einzufinden, bis … ja, bis Andrich in der 31. Minute wegen eines Ellenbogenchecks die rote Karte gezeigt bekam. Und abermals war für die Werkself vorerst nichts verloren gewesen, es gelang sogar das zwischenzeitliche 1:1, nachdem PSG-Mann Illia Zabarnyi wegen einer Notbremse ebenfalls Rot sah und nun nicht mehr Grimaldo, sondern Mittelfeldmann Aleix García zum fälligen Foulelfmeter antrat – und traf (38.).
Andrich fliegt vom Feld, Grimaldo verschießt einen Elfer – Leverkusen gelingt gegen Paris kaum etwas
Es war aber nur ein kurzer Moment der Hoffnung, denn wenn die Pariser wollten, konnten sie auch. Und sie wollten noch vor dem Halbzeitpfiff: Nach einem Doppelpass mit Kvaratskhelia traf Doué zum 2:1 für PSG. Kvaratskhelia wiederum knallte einen Abpraller humorlos in den Winkel, 3:1 PSG. Erneut Doué schlenzte den Ball ins lange Eck, 4:1 PSG. Dieser geballten Spielfreude und Qualität hatten die Leverkusener kaum etwas bis gar nichts entgegenzusetzen, trotz numerischer Ebenbürtigkeit in einem Fußballspiel bei zehn gegen zehn. Und das blieb auch so in Halbzeit zwei, die aus Leverkusener Sicht ebenfalls verloren ging. Für PSG trafen Nuno Mendes, der eingewechselte Weltfußballer Ousmane Dembélé und Vitinha; Urheber des Treffers der Werkself war García, per sehenswertem Distanzschuss aus 25 Metern. Aber der war, wie Grimaldos verschossener Elfmeter, letztlich nicht entscheidend.