Taylor-Swift-Fans im Wiesbadener Museum: Später Hype um Ophelia – Kultur

Nur wenige Augenblicke ist das Jahrhundertwende-Gemälde Ophelia von Friedrich Wilhelm Theodor Heyser im Clip von Taylor Swifts Song „The Fate of Ophelia“ zu sehen, aber im Museum Wiesbaden, wo das Bild hängt, herrscht seitdem reges Treiben. Junge Frauen kommen mit dem Selfiestick, ausländische Gäste fragen sich durch, etwa um ein Drittel ist die Besucherzahl angestiegen. Das Museum selbst ist eine wohlgeordnete Wunderkammer, man findet von allem etwas. Geht man eine Etage zu weit nach oben, steht man zwischen den genialen Fettplastiken und Montagen von Joseph Beuys. Den anderen Flur entlang und man steht zwischen präparierten Tieren und Kindern im Vorswiftalter, die am Wandertag ihrer Grundschule Bilder malen.

Heysers Ophelia hängt ganz am Ende eines verdunkelten Saals, ist dort in guter Gesellschaft mit anderen Werken seiner Zeit, der vorigen Jahrhundertwende, die die Verbindung von Frauen, Wasser und Schicksal, gar Tod thematisieren. Der „Tod der Sappho“ von Charles-Amable Lenoir gruselt durch seine kunstfertige Wasserleichen-Optik und die gelungene Wiedergabe des Lichteinfalls im Wasser. Heyser passt ins Thema, aber andere Werke faszinieren stärker. Seit dem Swift-Lied – dem, wie kann es anders sein, am häufigsten gestreamten Song innerhalb eines Tages – und dem Clip dazu ist es anders, man sieht aufmerksam hin.

In der Geschichte Ophelias, wie Shakespeare sie in seinem Drama Hamlet in Form eines Monologs der Königin Gertrude wiedergibt, ist die Ambivalenz der Handlung spannend. Die junge Frau ist bekannt für ihre eigenwilligen Blumenkränze – fantastic garlands. Beim Pflücken der dafür benötigten Blüten bricht ein Ast, sie stürzt in voller Kleidung ins Wasser, es ist ein Blumenpflückunfall. Aber sie verzichtet darauf, sich zu retten. Hätte sie eine andere Methode des Suizids gewählt, wenn sie nicht verunfallt wäre? Wollte sie sich retten, aber das nasse Kleid wurde zu schwer? Oder war ihr das alles irgendwann egal? Heyser bringt diese Unentschiedenheit und Anleitung zum Selberdenken in ihrer rechten Hand zum Ausdruck. Die erscheint, je nach Betrachtungswinkel, mal wie winkend über dem Wasser, mal schon absinkend unter der Wasseroberfläche.

Heysers Ophelia gehört eigentlich in eine Trilogie, aber der Kölner Sammler, der das Bild in den Dreißigerjahren erwarb, wollte nur dieses, weil die Frauen auf den anderen beiden Werken ihm zu nackt waren. Zum weiteren Verkauf kam Heysers Werk im Juli 2017, damals gab es ganze 12 700 Euro für das heute weltberühmte Jugendstilwerk. Ohne die Sängerin aus Pennsylvania würde das Gemälde des Dresdners Heyser still am Grunde der Kunstgeschichte ruhen. Immerhin das gleichnamige Bild hat Swift vor dem Schicksal der Ophelia bewahrt.

Das Museum Wiesbaden hat natürlich früh verstanden, auf was für einem Schatz es da sitzt, und für Anfang November zu einer Kurzführung zum Werk eingeladen, die „Swifts Song und die Geschichte hinter der Figur der Ophelia verbindet“. Besucherinnen und Besucher, die als Swiftie oder Ophelia verkleidet kommen, sollen freien Eintritt erhalten. Einziger Haken: Die Veranstaltung ist längst ausgebucht. Als einzige auf der Museums-Seite.