Erkältung: Warum bei Fieber die Zahl auf dem Thermometer nicht entscheidend ist

Schnupfen, Halsschmerz, Husten. Die Erkältungszeit ist in vollem Gange. Viele Menschen reagieren mit Fieber auf die Viren, Kinder oftmals heftiger. Wie behandelt man die erhöhte Körpertemperatur richtig – und ab wann wird es gefährlich?

Eltern kennen das: Kinder kränkeln gefühlt immer dann, wenn es am wenigsten passt. Der Klassiker unter den Symptomen ist dabei das Fieber, eine Körpertemperatur ab 38,5 Grad. Ist der Nachwuchs jünger als drei Monate, liegt es schon bei einer Temperatur von 38 Grad vor.

Was tun, wie helfen, wenn das Kind eine glühende Stirn hat? Der Griff zum Fiebersenker sollte dabei nicht vorschnell passieren, sagt der Kinder- und Jugendarzt Tim Niehues vom Helios Klinikum Krefeld. Er hat als Leitlinienbeauftragter der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin eine Leitlinie zum Fiebermanagement bei Kindern mit herausgegeben, an der 15 Fachgesellschaften beteiligt waren. Die Leitlinie soll nicht nur Ärztinnen und Ärzten, sondern auch Eltern dabei helfen, richtig zu handeln.

Die Hauptaussage: Fieber muss nicht um jeden Preis gesenkt werden. „Wir wollen erreichen, dass Eltern ein wenig die Angst vor dem Fieber verlieren“, fasst Niehues zusammen.

Fieber an sich ist keine Krankheit, sondern ein Symptom. Es kann – von der Grippe bis zum Magen-Darm-Infekt – viele Ursachen haben. Wenn der Körper bemerkt, dass er es mit Viren und Bakterien zu tun hat, dreht er den Temperaturregler hoch. Ein bestimmter Botenstoff des Immunsystems sorgt dabei im Gehirn dafür, „dass der Sollwert für die Temperatur, wie bei einem Thermostat, hochgestellt wird – von normalerweise 37 Grad auf zum Beispiel 38,5 oder 39“, sagt Niehues.

Der Körper will es den Krankheitserregern damit möglichst ungemütlich machen. Bei einer höheren Temperatur haben es Bakterien nämlich schwerer, sich zu teilen. Eine Strategie, auf die übrigens auch so manches Tier setzt – wenn auch etwas anders, so Niehues: „Man weiß, dass Fische in wärmeres Wasser schwimmen, wenn sie eine Infektion haben.“

Fieber hat also seinen Sinn, es ist ein cleverer Abwehrmechanismus des Körpers. Daher gilt: Es muss nicht in jedem Falle mit Medikamenten gesenkt werden.

Deutschlands Apotheker warnen derzeit ohnehin vor einem neuen Mangel an Medikamenten in diesem Jahr. Besonders betroffen sind laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände Antibiotika-Säfte für Kinder, das Asthma-Mittel Salbutamol sowie ADHS-Medikamente. Bei Fieber-, Erkältungsmitteln und Hustensäften sei die Versorgung aber erst mal sichergestellt.

Zahl auf dem Fieberthermometer nicht entscheidend

Entscheidend ist nicht die Zahl auf dem Fieberthermometer, sondern der Eindruck, den die Eltern vom Nachwuchs haben. „Es gibt ganz viele Kinder, die 39 Grad Fieber haben, denen es aber gut geht“, sagt Niehues. Dann muss ein fiebersenkendes Medikament nicht sein.

Hat das Kind hingegen Schmerzen, wirkt erschöpft und angeschlagen, kann ein fiebersenkendes Medikament Linderung bringen. Denn typische Wirkstoffe wie Paracetamol und Ibuprofen wirken auch gegen Schmerzen und Entzündungen.

Wichtig: All das gilt für ansonsten gesunde Kinder. „Wenn etwa ein Kind mit einer chronischen oder schweren Erkrankung wie Leukämie Fieber hat, dann muss man natürlich ganz anders handeln“, sagt Tim Niehues.

Auch wenn die elterliche Intuition oft anderes signalisiert: Ein Kind, das 40 Grad Fieber hat, muss nicht schwerer krank sein als eines, das 38,5 Grad Fieber hat. „Es gibt Kinder, die fiebern einfach höher“, sagt der Mediziner Niehues.

Generell gilt: „Es gibt keine Obergrenze der Temperatur, ab der man unbedingt ins Krankenhaus muss.“ Und es gibt auch keinen Wert, ab dem Fieber unbedingt mit Medikamenten gesenkt werden muss.

Eine Ausnahme gibt es aber, in der Fieber Eltern wirklich Sorgen bereiten sollte: nämlich beim Säugling, also einem Baby unter drei Monaten. „Da ist Fieber an sich immer ein Grund, es dem Kinderarzt vorzustellen. Und hier gilt auch: Je höher das Fieber, desto gefährlicher ist das“, sagt Niehues.

Dahinter können bakterielle Infektionen stecken, die sich im Körper der ganz Kleinen besonders schnell ausbreiten. Und das kann lebensgefährlich werden, wenn man nicht rechtzeitig mit Antibiotika gegensteuert.

Wenn das Kind vier Tage in Folge 39 Grad Fieber hat, ist da etwas im Busch

Macht Fiebermessen dann überhaupt Sinn? Durchaus, so der Kinderarzt. Allein schon, weil Fieber ein Zeichen ist, dass bei dem Kind etwas gesundheitlich nicht stimmt. Dauer und Verlauf des Fiebers können zudem wertvolle Hinweise geben, womit genau der Körper zu kämpfen hat. „Wenn das Kind vier Tage in Folge 39 Grad Fieber hat, ist da etwas im Busch. Normalerweise geht ein Infekt innerhalb weniger Tage vorbei“, sagt Niehues.

Um für das Gespräch mit Kinderarzt und Kinderärztin gut vorbereitet zu sein, sollten sich Eltern also die Messwerte notieren. Das geht auch digital, zum Beispiel in der „FeverApp“ (iOS und Android), an deren Entwicklung Verbände aus der Kinder- und Jugendmedizin beteiligt waren.

Wohl kein Kind ist Fan von der rektalen Messung – Thermometer in den Po. Dabei ist sie zumindest bei kleinen Kindern der Goldstandard. Immerhin: Eltern können einiges tun, damit die Messung möglichst angenehm wird. Das BIÖG-Portal „kindergesundheit-info.de“ rät, etwas Creme auf die Spitze des Thermometers zu geben. Sie wird dann ein- bis maximal zwei Zentimeter tief in den After eingeführt, bis ein Widerstand zu spüren ist.

Bei Kindern ab einem Jahr können Eltern der neuen Fieber-Leitlinie zufolge alternativ auch am Ohr messen mit einem Infrarot-Trommelfellthermometer. Bei kleineren Kindern ist der Gehörgang noch zu eng dafür.

Andere Methoden sind weniger verlässlich, die Messung unter der Achsel etwa. Auch die Messung unter der Zunge mit einem Digitalthermometer ist fehleranfällig, weshalb sie der Leitlinie zufolge nur bei Jugendlichen infrage kommt.

Wenn Eltern das Bauchgefühl haben „Hier läuft etwas aus dem Ruder“, ist es sinnvoll, diesen Eindruck abklären zu lassen. Etwa, wenn der Nachwuchs sehr krank, stark schläfrig oder benommen wirkt. Auch sehr schnelles Atmen, Luftnot und Berührungsempfindlichkeit sind Warnzeichen, die rasch abgeklärt werden sollten. Das gilt ebenso beim Verdacht auf Austrocknung, wenn also seit mehr als 12 Stunden kein Urin mehr aus dem Kind gekommen ist.

„Auch wenn die Haut des Kindes verfärbt ist oder es einen unklaren Hautausschlag oder Einblutungen unter der Haut hat, sollten Eltern mit ihm zum Kinderarzt gehen“, sagt Niehues.

Wann Hausmittel wie Wadenwickel helfen

Klar ist: Wenn sich das Kind schlapp fühlt und alles schmerzt, ist die Zuwendung der Eltern Balsam für die Seele. Auch Hausmittel wie Wadenwickel können dem Kind guttun, „allerdings keine kalten“, wie Niehues warnt. Dann fährt der Körper nämlich, bildlich gesprochen, die Heizung umso mehr hoch, um der Kälte an den Waden etwas entgegenzusetzen. Besser: körperwarm.

Fiebert der Körper, setzt er mehr Flüssigkeit um. Die sollte also zugeführt werden, damit das Kind nicht austrocknet. Eine gute Faustregel, die das BIÖG nennt: alle halbe Stunde etwas warmen, milden Tee oder Wasser anbieten.

Und was ist mit Essen? Eltern können dem kränkelnden Nachwuchs immer wieder leicht verdauliche Speisen wie Kompott anbieten, sollten das Kind aber nicht zum Essen zwingen.

Das A und O ist aber, dem Kind das Auskurieren zu ermöglichen. Der Arzt Niehues rät daher auch davon ab, das Kind nachts aufzuwecken, um zu schauen, wie es ihm geht. „Wenn das Kind normal schläft, also vorher nicht dämmerig wirkte, sollte man es schlafen lassen. Schließlich ist das eine gute Form der Regeneration“, sagt er.

dpa/wb