Lena Oberdorf: Das tut weh

Allein dieser Instagrampost: Until we meet again, schrieb Lena Oberdorf am Montag unter ein Schwarz-Weiß-Bild von sich. Dahinter: ein gebrochenes Herz. Innerhalb weniger Minuten reagierten die Kolleginnen – Giulia Gwinn, Laura Freigang und Alexandra Popp sandten virtuelle Umarmungen. Auch die spanische Weltfußballerin Aitana Bonmatí wünschte Stärke. Das Schicksal von Lena Oberdorf lässt kaum jemanden kalt.

Erst im Juli war Oberdorf auf den Fußballplatz zurückgekehrt, am Freitag hätte sie ihr Comeback in der Nationalelf geben sollen. Im Juli des vergangenen Jahres hatte sie sich das Kreuz- und Innenband im rechten Knie gerissen, ein Jahr lang konnte sie nicht spielen. Nun traf es sie erneut. Am Sonntag, beim 5:1 ihrer Bayern gegen den 1. FC Köln, prallte sie mit einer Gegenspielerin zusammen, blieb liegen, hielt sich das Knie und streckte die Hand in die Luft. Mit Tränen in den Augen humpelte sie vom Platz, das rechte Bein dick bandagiert, immer wieder schüttelte sie den Kopf.

Einen Tag später stand die Diagnose fest: wieder Kreuzbandriss. Wieder rechts. Wieder die schlimmstmögliche Verletzung, die sich eine Fußballerin zuziehen kann – zum zweiten Mal innerhalb von 16 Monaten.

Diese Verletzung ist zuallererst ein Schlag für Lena Oberdorf. Schon am Dienstag soll sie operiert werden, danach wird erneut eine monatelange Reha beginnen. Schon wieder. Jede Reha verlangt enorme Willenskraft – das ewige Schuften in Krafträumen, meist allein, fernab der Kolleginnen. Für eine Mannschaftssportlerin gibt es kaum Schlimmeres. Und über allem steht die Frage, wie der Körper die Verletzung verkraftet. Ob man je wieder so spielen kann, wie man es einst gewohnt war – besonders, wenn das eigene Spiel so sehr von der Körperlichkeit lebt wie das Oberdorfs.

Aber auch für den deutschen Fußball ist es eine der bittersten Nachrichten des Jahres. Schließlich ist eine gesunde Oberdorf die beste deutsche Fußballerin. Bei der EM 2022 wurde sie zur besten jungen Spielerin des Turniers gewählt, ein Jahr später setzte sie der britische Guardian auf Platz fünf der besten Spielerinnen der Welt. Oberdorf ist, obwohl erst 23 Jahre alt, eine Autorität im Mittelfeld ihrer Teams. Sie strahlt eine physische Präsenz aus wie kaum eine andere. Entschlossenheit und Wucht bringt sie ebenso aufs Feld wie ein hervorragendes Gespür für Raum und Timing.

Mit diesen Fähigkeiten sollte sie eigentlich zu einer langjährigen Säule des FC Bayern und des Nationalteams werden – einer Säule, die beide Mannschaften, die international den Anschluss zu verlieren drohen, dringend brauchen. Seit ihrem Comeback im Verein hatte Oberdorf nicht nur überzeugende Spiele gezeigt, sondern sogar dreimal selbst getroffen. Der Bundestrainer Christian Wück nominierte sie deshalb für die Nations-League-Spiele gegen Frankreich am Freitag und Dienstag. Doch während ihre Nationalelfkolleginnen zusammenkamen, erhielt Oberdorf ihre Diagnose.

Kreuzbandrisse sind im Frauenfußball ein großes Problem. Frauen sind häufiger von diesen schweren Verletzungen betroffen als Männer. Orthopäden beziffern das Risiko auf mindestens dreimal so hoch. Das liegt an physiologischen Unterschieden, aber auch daran, dass viele Spielerinnen in Schuhen antreten, die für Männerkörper konzipiert sind – dazu kommen schlechtere Trainingsbedingungen und zu wenig Forschung zum Thema.

Auch die Nationalstürmerin Giovanna Hoffmann und die frühere DFB-Torhüterin Merle Frohms erlitten zuletzt Kreuzbandrisse. „Das macht gerade allen bisschen Angst, wenn man sein Handy öffnet und irgendwie jeden Tag eine neue Verletzung auf seinem Handy hat“, sagte Oberdorfs Bayernkollegin Alara Şehitler. Sie stand am Sonntag, als Oberdorf sich erneut verletzte, mit auf dem Platz. „Als sie auf dem Boden lag und ich sie schreien gehört habe, war bei mir im Kopf schon: ‚Scheiße, bitte nicht schon wieder.‘ Ich glaube, uns ging es allen so“, sagte sie der dpa. Und sie fügte hinzu: „Ich wünsche ihr alles Gute – wir wissen, dass sie es schaffen wird.“

Dass auch Oberdorf daran keinen Zweifel hat, zeigte sie mit ihrem Instagrampost. Nicht: If we meet again. Sondern: Until we meet again.