
Der Sozialflügel der CDU hat Bundeskanzler Friedrich Merz für seine Aussagen zu mutmaßlichen Problemen im Stadtbild im Zusammenhang mit Migration kritisiert und zu mehr Verantwortungsbewusstsein aufgefordert. „Friedrich Merz ist nicht mehr der launige Kommentator am Spielfeldrand, der einen raushaut, sondern ihm kommt als Kanzler eine besondere Verantwortung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, die Debattenkultur und eine positive Zukunftserzählung zu“, sagte Dennis Radtke, Vorsitzender des Arbeitnehmerflügels CDA, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Er finde es gut, dass Merz der AfD eine klare Kampfansage liefere, sagte Radtke. Der Kanzler habe auch recht, wenn er eine optimistische Zukunftserzählung einfordere. „Allerdings erwarte ich, dass er hier als Bundeskanzler vorangeht. Allein die von ihm losgetretene Stadtbilddebatte bewirkt das Gegenteil“, kritisierte er. Die beste Strategie gegen die AfD sei eine Politik, die Probleme löse, Versprechen einhalte und in der Kommunikation ebenso klar wie empathisch sei.
Es gebe zwar an vielen Stellen ein „verstörendes Stadtbild“, sagte Radtke. Doch zu suggerieren, dies würde sich durch Abschiebungen ändern, sei zu kurz gesprungen, erwecke unerfüllbare Erwartungen und werde der Komplexität des Problems nicht gerecht. „Probleme wie Drogensucht, Obdachlosigkeit oder Mackertum bei Jugendlichen lassen sich nicht abschieben, sondern müssen angepackt werden.“
Merz steht trotz Kritik zu seinen Worten
Auch Manfred Hagel, der Landeschef der baden-württembergischen CDU, wies die Formulierung des Kanzlers zurück. „Am Ende geht es nicht um Menschen oder Gruppen“, sagte er im ZDF. Stattdessen müssten Probleme wie innere Sicherheit und Ordnung in Innenstädten angegangen werden. Viele Menschen mit Migrationshintergrund seien Teil der bürgerlichen Mitte. „Und deshalb rate ich da sehr, verbal etwas abzurüsten und sehr differenziert in dieser Debatte auch vorzugehen.“
Der Kanzler war vor einer Woche in Potsdam von einem Reporter auf das Erstarken der AfD angesprochen worden. Merz sagte daraufhin unter anderem, dass man frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik korrigiere und Fortschritte mache. „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen“, sagte der Kanzler.
Zuletzt bekräftigte Merz seine Äußerungen trotz Kritik von der Opposition, Verbänden und dem Koalitionspartner SPD. „Ich habe gar nichts zurückzunehmen“, sagte der Kanzler am Montag. „Im Gegenteil, ich unterstreiche es noch einmal: Wir müssen daran etwas ändern, und der Bundesinnenminister ist dabei, daran etwas zu ändern, und wir werden diese Politik fortsetzen.“
Grüne, Linke und SPD weisen Wortwahl zurück
SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf warf Merz indes Spaltung vor. Es gebe in Deutschland Probleme, die dürfe man auch benennen. „Aber das alles immer wieder auf eine Frage zurückzuführen, auf die Frage der Migration, und da so viel miteinander zu vermengen und zu pauschalisieren – das spaltet und das zerstört Vertrauen“, sagte er in der ntv-Talkshow Pinar Atalay.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, SPD-Politikerin Natalie Pawlik, hatte sich irritiert geäußert: „Migration darf nicht durch verkürzte oder populistische Schnellschüsse stigmatisiert werden – das spaltet die Gesellschaft noch mehr und hilft am Ende den Falschen, statt Lösungen zu fördern.“
Auch Linke und Grüne hatten Merz kritisiert und eine Entschuldigung gefordert. Es sei nicht akzeptabel und unverantwortlich für einen Kanzler, „einfach mal pauschal Millionen Deutsche unter Generalverdacht zu stellen“, sagte Grünenchefin Franziska Brantner.