Kolumbien ruft Botschafter aus Washington zurück

Zwischen dem kolumbianischen Präsidenten Gustavo Petro und seinem amerikanischen Amtskollegen Donald Trump herrscht schon länger dicke Luft. Am Wochenende haben die gegenseitigen Provokationen zwischen den beiden eine neue Eskalationsstufe erreicht. Zunächst hatte Petro einen Angriff der amerikanischen Marine auf ein angebliches Rauschgiftschiff in der Karibik verurteilt, bei dem laut Petro ein kolumbianischer Fischer „ermordet“ worden sein soll. Bogotá stufte die Aktion als eine „direkte Bedrohung für die nationale Souveränität“ ein.

Trump reagierte, indem er die Aktion als Teil des Kampfes gegen den Rauschgiftschmuggel in die Vereinigten Staaten verteidigte und Petro als „illegalen Drogendealer“ bezeichnete. Trump drohte damit, Hilfszahlungen an Kolumbien zur Bekämpfung der Kokainproduktion einzustellen und Zolle gegen Kolumbien zu erheben. Außerdem hielt er Petro dazu an, effizienter gegen die Anbaugebiete für Koka in seinem Land vorzugehen, und drohte, dass anderenfalls die Vereinigten Staaten dies tun würden. Als Reaktion darauf hat Kolumbien am Montag seinen Botschafter in in Washington zu Gesprächen nach Bogotá zurückgerufen. Innenminister Armando Benedetti sagte, bei Trumps Äußerungen handle es sich um eine „Androhung einer Invasion oder einer militärischen Aktion gegen Kolumbien“.

Petro, Kolumbiens erster linker Präsident, zählt zu den vehementesten Kritikern der amerikanischen Angriffe auf angeblichen Rauschgift-Boote in der Karibik, bei denen seit Anfang September mindestens 32 Menschen getötet wurden. Am Sonntagabend schrieb Petro in den sozialen Medien, dass der „Krieg gegen Drogen“ der USA lediglich eine „Politik zur Kontrolle“ Lateinamerikas und seiner Ressourcen sei, und argumentierte, dass Angriffe auf Venezuela auf die Sicherung der Erdölvorkommen abzielten.

Kolumbien gilt als einer der engsten Partner in Südamerika

Am Montag goss Petro weiteres Öl ins Feuer, in dem er den Kokainkonsum in den Vereinigten Staaten für den seit Jahrzehnten andauernden bewaffneten Konflikt in Kolumbien verantwortlich machte. Der amerikanische und europäische Konsum von Kokain sei für 300.000 Morde in Kolumbien und 1 Million Tote in Lateinamerika verantwortlich, schrieb Petro, der den amerikanischen Beitrag zur Rauschgiftbekämpfung in Kolumbien zudem als „dürftig“ bezeichnete. Tatsächlich haben die US-Hilfen in diesem Jahr einen markanten Rückgang erlitten.

Kolumbien gilt seit Jahrzehnten als einer der engsten Partner Washingtons in Südamerika. Die Eskalation zwischen den beiden Präsidenten hatte sich jedoch schon seit längerem abgezeichnet. Schon zu Beginn von Trumps zweiter Amtszeit waren die beiden aneinander geraten, als Petro sich weigerte amerikanische Militärflüge mit Deportierten in Kolumbien landen zu lassen. Trump reagierte mit Zolldrohnungen, was Bogotá zum Einlenken bewegte. In einer weiteren Episode widerrief Washington das Visum des kolumbianischen Präsidenten, nachdem dieser bei einer Kundgebung für Palästina im Rahmen der UN-Vollversammlung in New York amerikanische Soldaten aufgefordert hatte, die Befehle Trumps zu ignorieren. Wenig später erkannte Washington erstmals in 30 Jahren die kolumbianischen Bemühungen zur Einhaltung der internationalen Rauschgiftkontrollverpflichtungen nicht an.

Kolumbien ist der weltweit größte Produzent von Kokain. Die Kokaanbaufläche in Kolumbien hat laut den Vereinigten Nationen im vergangenen Jahr einen historischen Höchstwert erricht. Während Petro argumentiert, dass das gewaltsame Vorgehen gegen das organisierte Verbrechen in Kolumbien gescheitert sei, zeigt sich immer deutlicher dass auch seine Strategie des „totalen Friedens“ nicht von Erfolg gekrönt ist. Die Statistiken über die Rauschgiftproduktion sprechen für sich.

In den vergangenen Monaten sieht sich Kolumbien zudem mit einer der ernsthaftesten Sicherheitskrisen seit Jahren konfrontiert. Die Sicherheitslage ist wieder zum dringendsten Problem der meisten Kolumbianer geworden, die in einem halben Jahr an die Urnen gehen, um einen neuen Präsidenten und einen neuen Kongress zu wählen. Tragödien wie das Attentat auf den konservativen Senator Miguel Uribe Turbay, der im Juni während einer Wahlkampfveranstaltung niedergeschossen wurde und zwei Monate später starb, verstärken dieses Gefühl.