
Als die EU-Außenminister am Montag in Luxemburg zusammenkamen, waren sie über den Verlauf des jüngsten Treffens der Präsidenten Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus im Bilde. Wieder hatte der US-Präsident das Narrativ des russischen Präsidenten Wladimir Putin übernommen, wieder von der Ukraine verlangt, dass sie kampflos den restlichen Donbass aufgibt. Diesmal zwar nicht vor laufenden Kameras, doch entsprachen interne Berichte der Ukrainer in etwa dem, was die „Financial Times“ darüber offenlegte. Für Staaten, die gehofft hatten, dass Trump nun endlich den Druck auf Putin erhöhen würde, war das eine herbe Enttäuschung. Für jene Woche, in der die EU der Ukraine ihre langfristige Unterstützung im Krieg zusichern will, war das kein guter Auftakt.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas nahm, wie stets, kein Blatt vor den Mund. Die Ukrainer kämpften für ihre Freiheit und Unabhängigkeit, sagte sie, „daher können sie nicht einfach kapitulieren“. Auch für die internationale Ordnung sei es negativ, „wenn der Aggressor bekommt, was er will, denn das sendet ein Signal an alle Aggressoren weltweit, dass man sich einfach nehmen kann, was man will“.
Treffen in Budapest ist ein Stachel im Fleisch
Auch der deutsche Vertreter, der Staatsminister für Europa Gunther Krichbaum (CDU), wurde deutlich: „Es kann Gespräche nur mit der Ukraine geben, aber nicht über die Köpfe der Ukraine hinweg.“ Alles andere wäre „Postkolonialismus“. Das zielte auf Trumps Plan, sich mit Putin in Budapest zu treffen. Krichbaum erinnert daran, dass Russland 1994 am selben Ort der Ukraine Sicherheitsgarantien im Gegenzug dafür gegeben hatte, dass Kiew die Atomwaffen auf seinem Territorium aufgibt. Es sei nicht vergessen, was aus dem Budapester Memorandum geworden sei – Russland hat es mit seinem Krieg gegen die Ukraine gebrochen.
Das Treffen in Budapest, für das es noch kein Datum gibt, ist schon an sich ein Stachel im Fleisch der Europäer: Wladimir Putin, mit internationalem Haftbefehl gesucht, trifft sich auf europäischem Boden mit dem US-Präsidenten, ohne Selenskyj und ohne jede Beteiligung der Europäer. Die hatten schon mit Abscheu das Gipfeltreffen in Alaska verfolgt, Mitte August, als Trump seinem Besucher den roten Teppich ausrollte. Seinerzeit wurde der Groll durch das folgende Treffen mit Selenskyj und einigen europäischen Anführern in Washington gemildert. Der US-Präsident signalisierte den Besuchern eine aktivere amerikanische Rolle bei der Absicherung eines Waffenstillstands. Danach schien er Schritt für Schritt auf Distanz zu Putin zu gehen – bis zu beider Telefonat am vorigen Donnerstag. Es fühle sich an, sagte ein EU-Diplomat, als fange man wieder bei null an.
Die Außenminister hätten am Montag gerne einen Kontrapunkt zu den Nachrichten aus Washington gesetzt: mit dem 19. Sanktionspaket gegen Russland. Doch stellte sich abermals ein Land quer – die Slowakei. Der linkspopulistische Regierungschef Robert Fico verknüpfte seine Zustimmung mit einem ganz anderen Thema. Er sei nicht daran interessiert, ließ Fico schon vorige Woche auf der Plattform X wissen, „mich mit neuen Sanktionspaketen gegen Russland zu befassen, bis ich in den Schlussfolgerungen des EU-Gipfels politische Anweisungen für die Europäische Kommission sehe, wie sie die Krise in der Automobilindustrie und die hohen Energiepreise angehen soll, die die europäische Wirtschaft völlig wettbewerbsunfähig machen“. Damit war klar: Vor dem Europäischen Rat am Donnerstag in Brüssel würde es keinen Durchbruch geben.
Ob und wie die EU-Kommission der Slowakei diesmal entgegenkommen könnte, erschien ungewiss. Die Präsidentin Ursula von der Leyen werde den Staaten vorher einen Brief zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit schreiben, war in Brüssel zu hören. Vielleicht reiche das, um Fico zu besänftigen. Der hatte schon das vorherige Sanktionspaket blockiert, war dann aber im Gegenzug für unverbindliche Zusicherungen von der Leyens doch von seinem Veto abgerückt. Seinerzeit hatte Fico Garantien für den Fall verlangt, dass die Gaspreise bei einem vorgezogenen Ausstieg aus den Lieferverträgen mit Russland steigen und Russland Schadenersatzforderungen stellt.
120 Schiffe sollen auf schwarze Liste kommen
Dieses Aus für Pipeline-Gas bis Ende 2027 wurde am Montag von den EU-Energieministern beschlossen, die ebenfalls in Luxemburg tagten, wobei sie die Slowakei und Ungarn überstimmten. Das Datum hat die Kommission auch im 19. Paket verankert. Sie will damit der Slowakei zumindest deren Besorgnis vor Schadenersatzforderungen nehmen. Denn bei einem Sanktionsbeschluss kann sich das Land auf „höhere Gewalt“ berufen, falls es zu einer rechtlichen Auseinandersetzung mit Gazprom kommt. Gegen dieses Vorgehen hat Fico bisher keine Einwände geäußert, auch Ungarn nicht. Deshalb besteht durchaus Hoffnung, dass er sich am Donnerstag zu einer Zustimmung bewegen ließe. Vielleicht bei einem Gespräch mit Bundeskanzler Friedrich Merz, das Fico sich schon seit Längerem wünscht.
Der wichtigste Punkt im 19. Paket betrifft russisches Flüssiggas, das über EU-Häfen importiert wird. Diese Einfuhren sollen schon Anfang 2027 enden – und damit ein Jahr früher als in dem Ausstiegsbeschluss der Energieminister vorgesehen. Außerdem sollen weitere rund 120 Schiffe der russischen Schattenflotte, die Sanktionen unterlaufen, auf eine schwarze Liste kommen. Es wird auch weitere Strafmaßnahmen gegen Unternehmen in Drittstaaten geben, insbesondere Indien und China, die den russischen Krieg in der einen oder anderen Weise unterstützen.
Im Zentrum der Zusammenkunft des Europäischen Rats soll der Auftrag an die EU-Kommission stehen, einen konkreten Gesetzesvorschlag für ein Reparationsdarlehen an Kiew in Höhe von 140 Milliarden Euro vorzulegen. Die Kommission hat den Staaten dazu inzwischen weitere Erläuterungen vorgelegt, die Vorbehalte Belgiens aufgreifen und entkräften sollen. In Belgien sitzt der zentrale Vermögensverwalter Euroclear, bei dem insgesamt 185 Milliarden Euro eingefroren wurden, die der russischen Zentralbank gehören. Die belgische Regierung verhalte sich konstruktiv, heißt es in Brüssel, sie sei auch von einigen Maximalforderungen wieder abgerückt. Klar ist, dass die Mitgliedstaaten gemeinsam das Risiko tragen müssen, sollte ein internationales Schiedsgericht das Reparationsdarlehen für rechtswidrig erklären. Deshalb sind jederzeit abrufbare nationale Garantien für die Kreditsumme erforderlich, für Deutschland in Höhe von etwa 35 Milliarden Euro. Ein solches Vorgehen wäre auch ohne Ungarn oder die Slowakei möglich.
Allerdings zeichnet sich vor dem Treffen der Regierungschefs am Donnerstag schon ein Konflikt darüber ab, ob die Ukraine mit dem Geld Waffen vor allem in Europa kaufen muss, wie Frankreich es fordert, oder ob sie freie Hand bekommen soll, wie es etwa die Niederlande wünschen. Selenskyj wird wohl selbst wieder nach Brüssel kommen, um persönlich in die Debatte einzugreifen. Forderungen nach Gebietsabtretungen wie von Trump muss er dort nicht fürchten.