Warum das Frankfurter Schloss Wolfsmünster seit Jahren leersteht

Mit Schlössern hat die vom Bürgertum geprägte Stadt Frankfurt wenig zu tun. Dass Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) dennoch Schlossherr ist, noch dazu 100 Kilometer von Frankfurt entfernt am Rande des fränkischen Spessart, das geht auf eine lange Geschichte zurück. 1912 kaufte die Stadt das im 16. Jahrhundert errichtete Schloss Wolfsmünster im Tal der Fränkischen Saale bei Gemünden im Zuge eines Zwangsversteigerung. Lange war dort ein Kinderheim untergebracht, später eine Heimsonderschule, eine Drogenhilfeeinrichtung und von 1988 an eine Unterkunft für Asylbewerber. Seit 20 Jahren steht die unter Denkmalschutz stehende Immobilie aber leer.

Mit ungenutzten Baudenkmälern kennt sich die Stadt Frankfurt aus. Die Leerstandsliste kommunaler Immobilien ist lang: Die Sachsenhäuser Warte, das Steinerne Haus in der Altstadt oder das zwischenzeitlich beinahe abgebrannte frühere Oberforsthaus in Sachsenhausen warten seit Jahren auf eine Sanierung und eine neue Nutzung. Schloss Wolfsmünster gehört ebenfalls auf diese Liste, steht aber wegen der Lage außerhalb Frankfurts nicht so sehr im Fokus. Der jüngste Bericht darüber, der sich im F.A.Z.-Archiv findet, stammt aus dem Jahr 1990. Schon damals war von einem „vergessenen Frankfurter Besitz in Franken“ die Rede.

Die Bezeichnung Schloss täuscht darüber hinweg, dass es sich um ein eher schlichtes Gebäude handelt. Repräsentative Räume gibt es nicht, niedrige Decken mit Holzbalken prägen das Innere. Von außen wirkt der von einer Ringmauer umgebene Komplex, der aus einem Hauptgebäude und drei Nebengebäuden besteht, trotz des Leerstands nicht verwahrlost, auch wenn an manchem Fenster der Laden fehlt oder herunterhängt.

1975 war in den Räumen eine Drogenhilfeeinrichtung untergebracht.
1975 war in den Räumen eine Drogenhilfeeinrichtung untergebracht.Barbara Klemm

Die Stadt Frankfurt kümmere sich um das Schloss, sagte Johannes Wagenpfahl im Frühjahr der Lokalzeitung „Main-Post“. Er ist Bürgermeister der Gemeinde Gräfendorf, zu der die rund 300 Einwohner des Ortes Wolfsmünster gehören. Vereine und die Kirchengemeinde dürften den Schlossgarten für Veranstaltungen nutzen. Der Bürgermeister spricht von einem „tollen Ambiente“.

Miete für Asylbewerberheim zu hoch

Das wusste offenbar auch der Fabrikant Wilhelm Hanau zu schätzen, der von 1902 bis 1909 Stadtrat in Frankfurt und der letzte Privateigentümer des Schlosses war. Er habe dort einen Teil seiner umfangreichen Kunstsammlung untergebracht, heißt es in der Chronik von Wolfsmünster. Später spielten ästhetische Fragen eine untergeordnete Rolle. In der Zeit des Kinderheims waren dort 40 Jungen und Mädchen untergebracht, von 1974 an betrieb der Verein Jugendberatung und Jugendhilfe im Schloss eine der ersten Drogenhilfeeinrichtungen, bis diese Ende 1987 geschlossen wurde. Anschließend lebten bis zu 35 Asylbewerber in dem Ensemble. Doch zum 31. Mai 2005 kündigte die Regierung von Unterfranken den Vertrag – aus „wirtschaftlichen Gründen“, wie es in einem Bericht der „Main-Post“ heißt. Die Stadt Frankfurt habe die Miete erhöhen wollen.

Seitdem wird eine neue Nutzung gesucht. Die Stadt schaltete Inserate in örtlichen Medien, in Internetportalen und in der „Ärzte-Zeitung“. „Einen Interessenten für das Anwesen zu finden, hat sich aufgrund der abgeschiedenen Lage, der Größe des Objektes und nicht zuletzt aufgrund des schlechten baulichen Zustandes als äußerst schwierig erwiesen“, heißt es in einer Magistratsvorlage von 2008. Eine Bewerbung sei eingegangen, doch das Gebot sei zu niedrig gewesen.

Sonnenuhr mit Sinnspruch: „Gott gab die Zeit – von Eile hat er nichts gesagt.“
Sonnenuhr mit Sinnspruch: „Gott gab die Zeit – von Eile hat er nichts gesagt.“Lucas Bäuml

Immerhin einen ernsthaften Interessenten konnte das Liegenschaftsamt damals dem Stadtparlament präsentieren: Für das insgesamt 3270 Quadratmeter große Grundstück mit Hauptgebäude und drei Nebengebäuden sollte ein Erbbaurecht an einen auf Miniaturbücher spezialisierten Verlag vergeben werden. Er hätte das Gebäude gerne übernommen, erinnert sich Verleger Andreas Wartelsteiner im Gespräch mit der F.A.Z. „Es ist wirklich sehr schön gelegen.“ Er hätte dort nicht nur Räume für den Verlag, sondern auch Wohnungen eingerichtet. Aber das Schloss hätte umfassend saniert werden müssen, am Ende habe er sich mit der Stadt nicht über die Höhe des Erbbauzinses verständigen können.

Kein Zeitplan für neue Ausschreibung

Auch aus dem Vorhaben, im Schloss ein Mehrgenerationenhaus einzurichten, sei nichts geworden, berichtete Bürgermeister Wagenpfahl der „Main-Post“. Vor gut zehn Jahren stellte das Frankfurter Liegenschaftsamt ein Exposé zusammen, um neue Interessenten zu finden. Auch darin heißt es: „Die Gebäude sind stark sanierungsbedürftig.“

Daran dürfte sich nichts geändert haben. Und auch am Leerstand dürfte sich so schnell nichts ändern. „Eine Entscheidung zur Verwendung des Schlosses steht noch aus“, teilt eine Sprecherin von Baudezernentin Sylvia Weber (SPD) mit. Grundsätzlich sei die Stadt aufgrund politischer Vorgaben gehalten, sämtliche Objekte im Rahmen eines Konzeptver­gabeverfahrens auszuschreiben. Zu Schloss Wolfsmünster könnten jedoch noch keine konkreten Angaben gemacht werden – weder zu den inhaltlichen Vorgaben noch zum Zeitplan.

Im beschaulichen Wolfsmünster vergehen die Jahre ohnehin auf eine ganz eigene Weise. Am Giebel eines der Nebengebäude auf dem Schlossgelände ist eine Sonnenuhr angebracht. Darauf ist zu lesen: „Gott gab die Zeit. Von Eile hat er nichts gesagt.“