
Trotz des geplatzten Kompromisses zum geplanten neuen Wehrdienst will die Koalition aus Union und SPD den Gesetzentwurf von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nun im Bundestag beraten. Beide Seiten betonten am späten Dienstagabend ihren Willen, das Gesetz wie geplant am Donnerstag ins Parlament einzubringen. Zuvor hatte CDU-Politiker Norbert Röttgen dem Verteidigungsminister vorgeworfen, einen Kompromiss sabotiert zu haben.
Er habe es „noch nie erlebt, dass ein Bundesminister in seinem eigenen Verantwortungsbereich ein wichtiges Gesetzgebungsverfahren frontal torpediert und die eigene Fraktion in Chaos stürzt“, sagte der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Röttgen der Süddeutschen Zeitung. Röttgen hatte den Kompromiss zusammen mit Siemtje Möller, Falko Droßmann (beide SPD) und Thomas Erndl (CSU) ausgehandelt, auch die Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn (CDU) und Matthias Miersch (SPD) unterstützten die Einigung.
„Ich torpediere nicht“
Gegenüber den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland warf Röttgen Pistorius vor, sich „destruktiv“ verhalten zu haben. „Die SPD muss sich jetzt sortieren“, sagte Röttgen. Pistorius wies die Vorwürfe zurück. „Ich torpediere nicht, und ich bin auch nicht destruktiv“, sagte der SPD-Politiker dem Tagesspiegel. „Ich habe nur gewisse Schwierigkeiten damit, dass zwei elementare Stellen meines Gesetzentwurfs geändert werden, bevor dieser überhaupt offiziell in den Bundestag eingebracht worden ist.“
Dem Verteidigungsminister geht es nach eigenen Angaben zum einen um „die flächendeckenden Musterungen ab 2027, die im aktuellen Kompromiss nicht enthalten sind“. Zum anderen werde viel Zeit verloren, „wenn die Truppe bei allen zur Musterung ausgelosten jungen Männern noch einmal aktiv für sich werben soll“. Diese Bedenken habe er „nicht erst heute geltend gemacht“, sagte Pistorius.
Erste Lesung soll am Donnerstag stattfinden
Der Streit zwischen Union und SPD über den neuen Wehrdienst war am Dienstag eskaliert. Die Koalitionspartner ließen eine Pressekonferenz über ein verändertes Modell kurzfristig platzen. Zu den strittigen Punkten zählte der Plan, junge Männer für eine Musterung auszulosen und notfalls per Los zu bestimmen, wer Wehrpflicht leisten muss, wenn sich nicht genügend Freiwillige melden. Dies war auf großen Widerstand in der SPD gestoßen. Pistorius hatte juristische Probleme befürchtet und darauf hingewiesen, dass eine durchgängige Musterung im Verteidigungsfalle einen Überblick gewähren würde, wer für den Wehrdienst tauglich sei.
Nach Angaben des Sprechers von SPD-Fraktionschef Matthias Miersch soll die erste Lesung dennoch wie geplant am Donnerstag stattfinden. Das Parlament sei der richtige Ort, um offene Fragen bei einem so wichtigen Gesetz zu klären, sagte er. Auch CDU-Generalsekretär Linnemann sagte in der am Abend ausgestrahlten ZDF-Sendung Markus Lanz: „Wir wollen unbedingt in dieser Woche in die erste Lesung.“