„Hat Spaß gemacht“: Die DFB-Elf kann’s neuerdings auch dreckig

Zwar 0:1 verloren, aber 27:25 „gewonnen“. Den konnte sich Nordirlands Trainer Michael O’Neill nicht verkneifen. „Ich habe auf den Statistikbogen geschaut: Deutschland hat mehr lange Bälle geschlagen als wir“, meinte O’Neill auf der Pressekonferenz in Belfast und freute sich über die kleine, aber feine Retourkutsche gegenüber seinem Kollegen Julian Nagelsmann. In der Tat: Das siegreiche DFB-Team schlug im Windsor Park in der Tat 27 lange Bälle, der Gastgeber 25.

Nach dem 3:1-Erfolg im September in Köln hatte Nagelsmann moniert, dass die Nordiren „viele lange Bälle“ spielen und „diese Art von Fußball nicht besonders schön anzusehen“ sei. Was einen medialen Bumerang auslöste, obwohl der Bundestrainer hinzufügte, dieser Spielstil sei „effektiv und nicht so einfach zu verteidigen“. Anyway: Der Konter saß. Die Punkte aber nahm die deutsche Mannschaft mit.

Nagelsmann: „Es war natürlich kein super schönes Spiel von uns“

Zurück im DFB-Teamhotel gab es für die Spieler und den Trainerstab um Mitternacht landestypisch Burger und Pommes. Dazu das ein oder andere Bierchen oder Glas Wein nach getaner Arbeit, nach harter Arbeit. Das Match zuvor war kein Leckerbissen, eher aus der Abteilung unschöner Schichtdienst. „Es war natürlich kein super schönes Spiel von uns, aber das Annehmen der Emotionalität der Nordiren und des Stadions war gut“ fand Nagelsmann, der bemängelte: „Du musst halt das 2:0 machen, dann ist das Spiel zu. So haben wir dreckig gewonnen.“

Hätte, hätte, Karim Adeyemi. Der Dortmunder Rechtsaußen hatte kurz nach der Pause das 2:0 auf dem Fuß, schob den Ball und damit die Hoffnungen auf einen ruhigeren Verlauf des weiteren Abends am Tor vorbei.

Karim Adeyemi hatte kurz nach der Pause die Großchance auf das 2:0.
Karim Adeyemi hatte kurz nach der Pause die Großchance auf das 2:0.
© Christian Charisius/dpa
Karim Adeyemi hatte kurz nach der Pause die Großchance auf das 2:0.

von Christian Charisius/dpa

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Überhaupt war es spielerisch mau, offensiv ohne Esprit – einer deutschen Nationalelf nicht würdig. Ein Pflichterfolg im Gewand eines Arbeitssieges.

Kimmich über Nordirland-Sieg: „Es ging nur ums Ergebnis“

Das DFB-Team gewann das WM-Qualifikationsspiel in Belfast dank ihrer Basics, hat das Verteidigen verinnerlicht, spielte nun wieder zweimal zu null (zuvor 4:0 gegen Luxemburg), was von November 2024 bis September siebenmal (!) nicht gelungen war. Effizient ja, gab jedoch Abzüge in der B-Note. „Es war nicht möglich, brasilianisch zu spielen“, entschuldigte DFB-Rekordnationalspieler Lothar Matthäus als RTL-Experte. Der Zweck heiligte die Mittel.

Kapitän Joshua Kimmich war „klar, dass es wild wird. Es war ein einziger Kampf und ging nur ums Ergebnis.“ Denn: „Wir wollen alle zum Turnier. Wir haben unsere Ausgangsposition komplett geändert und jetzt alles in der eigenen Hand – das ist das, was wir wollten.“ Tabellenführer sein. Mit zwei Siegen im November in Luxemburg und gegen die Slowakei in Leipzig (erst hier fällt die Entscheidung) wäre die 21. WM-Teilnahme perfekt.

„Fußballerisch müssen wir uns entwickeln, aber es ging erst einmal um andere Tugenden“, wusste Nagelsmann, der sich aber über die Einstellung freute: „Wir können uns auf solche Spiele einlassen. Wenn wir in so einem Spiel ein, zwei Schritte weniger gehen, dann verlieren wir oder spielen unentschieden.“ Also sprach der 38-Jährige zufrieden von „einem Lerneffekt, einem wichtigen Schritt“.

Woltemade durchschlägt den DFB-Knoten

Was den Spielern in der Hitze des Gefechts mehr Spaß gemacht hat als dem bangenden Trainerteam an der Seitenlinie. „So ein ekliges Spiel muss man erst mal gewinnen. Es hat Spaß gemacht“, meinte Siegtorschütze Nick Woltemade, der mit der Schulter traf. Der Newcastle-Profi gestand nach seinem ersten Länderspieltor im sechsten DFB-Einsatz: „Das war sehr wichtig für mich persönlich, meine Spiele waren nicht ganz so glücklich bislang.“

Wie Woltemade freuten sich auch die fünf Bayern-Profis über das enge Match. Ihre zehn Pflichtspiele hatten sie im Verein meist locker-souverän und dominant gewonnen. Mal was anderes. „War ein guter Kampf, haben wir sehr gut gemacht“, meinte Aleksandar Pavlović. Am Samstag empfängt Bayern die Dortmunder zum deutschen Clásico. Wer da wohl wen dominiert?