Hutmacherin Susanne Schmitt präsentiert ihre Kunst in Darmstadt

Es erinnert an Planeten. Doch schweben diese nicht durch das Weltall, sondern verteilen sich auf Stöcken luftig im Verkaufsraum einer ehemaligen Metzgerei. Hüte. Hier ein heller Strohhut mit breiter Krempe, dort ein brauner Filz-Klassiker im Fedora-Stil, drum herum Schlapphüte und Schirmkappen, bunt, kariert und unifarben. Über allem schwebt ein weißer Riesen-Hut wie eine Sonne. Dass man bei diesem Hut-Universum an Himmelskörper denken muss, kommt nicht von ungefähr. Ihre Erschafferin knüpft daran die Botschaft: „A hat is a message for the sky“ – ein Hut ist eine Botschaft an den Himmel.

Wo beginnt Kunst, und wann hört es auf, Handwerk zu sein? Für die gelernte Hutmacherin Susanne Schmitt ist das nicht schwer zu beantworten. „Ich nutze das Hutmacherhandwerk, um Kunst zu machen“, sagt die 51 Jahre alte Darmstädterin. Seit 25 Jahren ist sie im Geschäft und seit 20 Jahren im Martinsviertel in Darmstadt angesiedelt.

Für ihre Hutkunst hat sie schon jede Menge Anerkennung und Auszeichnungen erhalten. So hat das Leipziger Grassi-Museum für Angewandte Kunst einen ihrer Kunsthüte in die Sammlung aufgenommen und die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar einen Pop-up-Buch-Hut für den Bestand erworben.

„Den gibt es genau einmal“

Wie sehr ihr Geschäft auch Kunstraum ist, verdeutlicht nicht nur das Hutplanetensystem im Zentrum. Am Rande greift Schmitt zu einem kunterbunten Hut, entstanden in Kooperation mit einem Comic-Künstler. „Den gibt es genau einmal“, hebt sie hervor. Pop-Art strahlt auch von der Ausstellungswand dahinter. Schmunzeln lässt einen etwa eine orangefarbene Melone, auf die ein Telefonhörer montiert ist. Oder der Kofferhut mit Griff, den sie oft auf Reisen mitnimmt und demnächst in einem Bildband ehrt. Daneben hängen mehrere gerahmte Hutbilder.

Schmitt greift in einen der Rahmen, holt das flache Filzgebilde heraus und entfaltet es zu einem markanten Napoleon-Hut. „Das funktioniert als Hut und als Bild“, kommentiert sie die Arbeit. Der Gedanke, Hüte zwischen Zwei- und Dreidimensionalität zu entwickeln, verfolge sie eigentlich von Anfang an. „Das ist ein roter Faden, der immer wieder auftaucht.“

Susanne Schmitt ist Hutmacherin in Darmstadt.
Susanne Schmitt ist Hutmacherin in Darmstadt.Michael Braunschädel

Sie macht Hüte, die getragen werden sollen

Gestalt geworden ist das auch in einem faltbaren Comic-Hut aus Papier, mit dem Schmitt kürzlich den Innovationspreis im internationalen Hutkunstwettbewerb des Museums „L’Atelier-Musée du Chapeau“ in Frankreich gewonnen hat. Basis ist ein von dem französischen Comic-Künstler Yvan Guillo gestaltetes Plakat, das zugleich ein Schnittmuster ist und zu einem Hut zusammengesteckt werden kann. Daran angelehnt, hat sie gerade für das Förderprogramm „World Design Capital Frankfurt Rhein/Main 2026“ einen weiteren Plakat-Steckhut entworfen und in Workshops in Frankfurt beim Museumsuferfest und dem Jubiläumsfestival der Stiftung Polytechnische Gesellschaft auf dem Opernplatz zum Basteln angeleitet.

Bei allem Kunstsinn und Design-Denken ist für Schmitt aber stets wichtig: Sie macht Hüte, die getragen werden sollen. „Ein Hut wird Hut, wenn ihn jemand aufhat“, sagt sie. „Es ist ein Kleidungsstück.“

Kreative Stücke: Ein Kofferhut (links) und ein Falthut.
Kreative Stücke: Ein Kofferhut (links) und ein Falthut.Michael Braunschädel

Und in ihrer Kunsthandwerkstatt hinter dem Ausstellungsraum wird greifbar, wie die Kopfbedeckungen entstehen. Stoffballen voller Filz aus Kaninchen- oder Schafwolle türmen sich meterhoch bis unter die Decke. Daneben steht ein Schrank voller Holzformen nebst einem Bügelbrett mit einem Bügeleisen, dessen Hitze zum Formen des Filzes benötigt wird. Dazwischen stehen zwei Nähmaschinen bereit.

Ohne Hut geht es nicht

Einen Bestand ihrer Hutmodelle hat Schmitt stets in ihrem Geschäft vorrätig, zudem fertigt sie auf individuellen Wunsch auch Kopfbedeckungen an. Die Kundschaft ist divers und reicht von distinguierten Seniorinnen bis zu Studenten. Besonders gefreut hat sie sich über einen Zweitklässler aus der Nachbarschaft. „Der hat sich in einen Filzhut verliebt und dafür extra Geld gespart.“

Als sie vor 25 Jahren mit ihrer Hutkunst anfing, seien die Leute noch zurückhaltender gewesen. „Da musste ich schon noch stärker verführen“, sagt Schmitt mit einem Schmunzeln. Dabei funkeln ihre stahlblauen Augen, die perfekt mit ihrem blau karierten Jackett korrespondieren.

Den Satz „Ich habe kein Hutgesicht“ höre sie bis heute leider immer wieder. Für sie ist das „Quatsch“. Man sei sich vielleicht fremd damit, weil man den Anblick nicht gewohnt sei. Doch erinnert sie daran, dass ein Hut einst ein ganz alltägliches Kleidungsstück für alle war. Und sie selbst fühle sich längst unwohl, wenn sie keinen trage. Daher steht für sie jetzt schon fest: „Auf meinem Grabstein wird mal ‚Hutgesicht‘ stehen.“