
Gonzalo Vargas Llosa, Leiter des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) in Syrien, hat vor einer erzwungenen Rückkehr syrischer Geflüchteter aus Deutschland gewarnt. Allein in diesem Jahr würden rund eine Million Syrerinnen und Syrer aus den Nachbarländern in ihre Heimat zurückkehren, für das kommende Jahr werde mit einer weiteren Million gerechnet. Kämen nun auch Rückführungen aus Ländern wie Deutschland hinzu, würde sich die Lage weiter verschärfen, so Vargas Llosa. „Syrien ist am Limit, die Aufnahmekapazität ist bereits erschöpft“, sagte er der Süddeutschen Zeitung.
Mit Blick auf entsprechende Pläne von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte Vargas Llosa, die Lage in Syrien sei weiterhin prekär. Zudem sei „eine erzwungene Rückkehr nur selten nachhaltig“. Solange sich die Situation nicht spürbar bessere, würden viele Rückkehrer das Land erneut verlassen, in Richtung Jordanien, Libanon oder auch zurück nach Europa. Diese Aufnahmeländer seien jedoch bereits stark überlastet.
Dobrindt will Abschiebungen noch dieses Jahr ermöglichen
Der UNHCR-Vertreter kritisiert mit seiner Warnung die Pläne der Bundesregierung. So hatte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) Ende September angekündigt, noch in diesem Jahr eine Vereinbarung mit Syrien treffen zu wollen, um zunächst Straftäter, später aber auch „Personen ohne Aufenthaltsrecht“ abzuschieben. Zur Vorbereitung dieses Schrittes sollten auch ausgesetzte Asylentscheidungen wieder aufgenommen werden.
Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach sich gegenüber dem Münchner Merkur dafür aus, „Straftäter außer Landes zu bringen“. Seiner Ansicht nach zählen dazu auch „junge, arbeitsfähige Syrer, die sich hier nicht integriert haben“. Wer sich gut integriert habe, solle hingegen nicht abgeschoben werden. Gleichzeitig betonte Herrmann, dass weiterhin humanitäre Hilfe geleistet werden müsse.
„Eine der größten Flüchtlingskrisen der Welt“
Neben seiner Warnung vor Abschiebungen kritisierte Gonzalo Vargas Llosa auch die Kürzung humanitärer Hilfen durch viele Staaten – darunter auch Deutschland. Angesichts der Lage in Syrien sei dies ein schwerwiegender Fehler, so der UNHCR-Vertreter. Das Flüchtlingshilfswerk habe bereits 40 Prozent der 122 regionalen Anlaufstellen im Land schließen müssen. Dabei handle es sich um eine der größten Flüchtlingskrisen weltweit. Und dennoch, so Vargas Llosa, gebe es derzeit eine äußerst seltene Chance, die Krise tatsächlich zu entschärfen. „Wir müssen diese Chance ergreifen.“
Nach fast 14 Jahren Bürgerkrieg hatte eine Rebellenkoalition unter Führung der islamistischen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) im Dezember 2024 das diktatorische Regime von Präsident Baschar al-Assad in Syrien gestürzt. Ende Januar wurde HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa zum Interimspräsidenten ernannt.