Daten-Analyse zu Nick Woltemade: So gut ist der DFB-Stürmer wirklich

Nick Woltemade im Trikot der deutschen Nationalmannschaft

Stand: 08.10.2025 13:50 Uhr

Stürmer Nick Woltemade ist bei seinem neuen Club Newcastle United in starker Form. In der deutschen Nationalmannschaft hingegen wurde der gebürtige Bremer zuletzt ausgepfiffen. Dabei zeigen die Daten, dass er auch in der DFB-Elf eine zentrale Rolle einnehmen kann.

von Tobias Knaack

Wer so startet, muss eine Rede halten. Und das, so befand Woltemade mit einem Augenzwinkern, sei dann doch ein bisschen peinlich geworden an einem Tag, der an sich „nicht besser hätte laufen können“. Doch nachdem er seine neue Mannschaft bei seinem Debüt in der Premier League am vierten Spieltag gegen die Wolverhampton Wanderers zum 1:0-Sieg geköpft hatte, ließ die ihn nicht vom Haken.

Eine Rede also. Doch sei er „ziemlich müde“ gewesen „und mein Englisch nicht mehr das Beste“, gestand der 23-Jährige. Und so habe er „den Jungs dann halt gesagt, wie glücklich ich bin, bei ihnen zu sein“.

Woltemade im Wechselbad der Gefühle

In Newcastle, so scheint es, sind sie das mit dem gebürtigen Bremer nach den ersten Wochen bei United allemal. Drei Tore sind es mittlerweile in vier Ligaspielen, eines seit vergangener Woche auch in der Champions League. Und das per Hacke. Die Fans besingen ihn seit seinem ersten Auftritt für die „Magpies“, Coach Eddie Howe war speziell nach dem Königsklassen-Auftritt des Stürmers gegen Union St. Gilloise (4:0), bei dem er auch noch einen Strafstoß herausholte, voll des Lobes: „Er war exzellent heute.“

Im starken Kontrast dazu stehen die Geschehnisse rund um seinen jüngsten Auftritt auf deutschem Boden. Beim mühsamen 3:1-Erfolg der DFB-Elf gegen Nordirland Anfang September in Köln wurde der 23-Jährige, der im Sommer für bis zu 90 Millionen Euro vom VfB Stuttgart in den Nordosten Englands gewechselt war, ausgewechselt und ausgepfiffen. Und der ewig sendungsbewusste Uli Hoeneß tat kund, dass Woltemade die Summe „nicht wert“ sei.

„Die Physis ist das Offensichtliche, aber die Spielintelligenz ist der Unterschied.“

GSN-Analyse

Jenseits des möglicherweise gekränkten Egos des FC-Bayern-Ehrenpräsidenten ob des geplatzten Wechsels nach München stellt sich aber die Frage: Wie gut ist der Spieler, der als Hoffnungsträger bei Newcastle und in der Nationalmannschaft gilt, wirklich?

Die Experten des Global Soccer Networks (GSN) sehen in Woltemade weit mehr als einen (zentralen) Angreifer. Für sie ist der 1,98 Meter große Hüne ein „hybrider Offensivspieler“, der sowohl als „spielmachender Zielspieler oder hängender Mittelstürmer“ agieren könne. Ein Torjäger, der Technik, Raum- und Pressing-Verständnis sowie eine Rolle als Ballverteiler in sich vereine.

„Seltene Kombination“ aus Torjäger und Spielgestalter

Die Analysten sparen in der Bewertung nicht mit Lob: Woltemade sei „einer der wenigen Stürmer“, die diese Facetten verbinden. Das mache „ihn so besonders“ und zu einer „sehr seltenen Kombination“.

Denn seine schiere Physis sei nur „das Offensichtliche, aber die Spielintelligenz ist der Unterschied“. Und die könne ihn von einem Spieler „internationaler Klasse“, als den ihn GSN aktuell bewertet, sogar in Richtung „Weltklasse“ führen.

Für die Daten-Experten ist klar: Während viele Spieler mit seiner Statur „hauptsächlich als Strafraum-Abnehmer wirken, bringt Woltemade Kreativität, Spielübersicht und Offensivintelligenz in das Angriffsspiel ein“.

Der 23-Jahrige sei ein „Stürmer mit Playmaker-Komponenten“ – ähnlich wie Olivier Giroud, Kai Havertz oder Thomas Müller. Und er müsste in dieser Hinsicht, eine konstante Weiterentwicklung der zuletzt gezeigten Leistungen vorausgesetzt, künftig auch Vergleiche mit Harry Kane nicht mehr scheuen.

Dominant in vielen Bereichen

Es sind Einschätzungen, die sich mit den Eindrücken aus den ersten Wochen in England decken – und mit den Erkenntnissen und Erwartungen seines neuen Coaches Howe. Der lobte insbesondere das Kombinationsspiel seines neuen Offensivspielers als „hervorragened“, es sei „ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit“. Und mehr noch: Woltemade überzeugt mit Laufstärke und ist essenziell im Pressing von Howes Equipe.

Nach wenigen Wochen belegt er im Vergleich aller Premier-League-Stürmer in vielen relevanten Statistiken – von Abschlüssen über Dribblings, intensiven Läufen und Zweikämpfen bis hin zu Balleroberungen im gegnerischen Drittel – einen der drei vorderen Plätze. Häufig ist er auf Rang eins.

Woltemades Karriere im zweiten Anlauf

Es ist ein Einstand nach Maß auf der Insel, der keineswegs selbstverständlich ist. Denn hinter Woltemade lagen durchaus komplizierte Wochen und Monate: die Niederlage im Finale der U21-EM gegen England im Juni, der geplatzte Wechsel zu Bayern München, der kurzfristige Transfer, die zuletzt schwachen Auftritte im Trikot der Nationalmannschaft inklusive der Anfeindungen.

Allerdings ist Woltemades Weg auch in der Vergangenheit nicht immer steil bergauf gegangen. Widerstände hat er, obwohl er erst 23 Jahre alt ist, schon mehrfach überwunden. Bei Werder (und bundesweit) galt der Bremer als großes Talent, so wirklich durchsetzen konnte er sich lange Zeit aber nicht. Die Leihe nach Elversberg 2022 in die 3. Liga sowie der Wechsel von der Weser zum VfB Stuttgart im Sommer 2024 erwiesen sich als entscheidende Schritte in seiner Karriere.

Völler und Howe glauben an weitere Entwicklung

Rudi Völler – einer der Vorgänger Woltemades sowohl in Bremen als auch in der Nationalmannschaft – glaubt an den Angreifer, sieht aber auch noch weiteres Potenzial. „Es gibt ein paar Dinge, die er verbessern kann. Er muss beim Körperlichen und im Kopfballspiel zulegen. Da ist noch mehr drin, daran muss er arbeiten. Gerade in der Premier League“, sagte Völler. Er sei überzeugt davon, dass man diese Dinge durch Training verbessern könne: „Gerade deshalb werden wir noch viel Spaß an ihm haben.“

In eine ähnlich Kerbe schlägt auch Howe: „Er hat großes Potenzial. Aber es gibt bestimmte Dinge, die wir noch mehr von ihm sehen wollen“, sagte der 47-Jährige, ohne weiter ins Detail zu gehen. Das Wichtigste sei, dass er arbeiten und sich verbessern wolle. „Da kommt noch mehr“, ist er überzeugt.

„Woran er gemessen wird, ist, wie er im Team spielt und was er dem Verein in Zukunft gibt.“

Newcastles Trainer Eddie Howe

Und auch für die GSN-Experten ist klar: Dass Newcastle in diesem Sommer so viel Geld für Woltemade hinblätterte, ist „eine strategische Investition in die Zukunft“. Der gebürtige Bremer sei zwar noch nicht soweit wie etwa Victor Osimhen (jetzt Galatasaray Istanbul), Bryan Mbeumo oder der Ex-Leipziger Benjamin Sesko (beide Manchester United), die für ähnlich hohe Millionenbeträge transferiert wurden. Zumindest im Vergleich mit Osimhen und Mbeumo steht er mit seinen 23 Jahren aber eben auch noch lange nicht in seinem Leistungszenit.

Einer der nächsten Schritte wäre das Hochschrauben seiner Torquote von zehn bis zwölf in Richtung von 18 bis 20 Toren pro Saison. Woltemade ist auf dem Weg, der Start bei den „Magpies“ geglückt. GSN zufolge wären in diesem Sommer für Woltemade 50 bis 60 Millionen Euro angemessen gewesen. Es gehe aber um ein größeres, um ein mittel- und langfristiges Bild, da Newcastle nicht „nicht für einen ‚fertigen Weltklasseakteur'“ gezahlt habe, „sondern für einen Spieler, dessen Entwicklung in den nächsten Jahren den Unterschied machen könnte“.

Nick Woltemade bejubelt seinen verwandelten Elfmeter

Drittes Tor im dritten Liga-Heimspiel: Nick Woltemade hatte großen Anteil am Sieg von Newcastle United gegen Nottingham Forest – und ist erst der dritte Spieler der Klub-Geschichte mit dieser Tor-Bilanz.

Auch im DFB-Team kann Woltemade zum zentralen Spieler werden

Und diese Perspektive gilt auch für die DFB-Elf. Dort trauen ihm die Analysten zu, „langfristig eine Schlüsselfigur zu werden, insbesondere wenn es darum geht, Physis und Kreativität im Sturmzentrum zu verbinden“. In der Nationalmannschaft wie in Newcastle liege sein besonderer Wert darin, dass er „Struktur im Ballbesitz“ liefere, „Zielspieler bei Flanken und erster Abnehmer bei Kontern“ ist und zudem eminent wichtig im Pressing und Stören des gegnerischen Spielaufbaus.

Nick Woltemade im Trikot der deutschen Nationalmannschaft

Nick Woltemade – hier gegen Nordirland – wartet noch auf sein erstes Tor für die A-Nationalmannschaft.

Darüber hinaus entlaste er Spielgestalter wie Florian Wirtz, Jamal Musiala oder Nadiem Amiri, weil diese „ihre Kreativität in höheren Zonen ausspielen können“. Zumal auch Varianten mit einem zweiten Stürmer – Karim Adeyemi, Jonathan Burkardt oder Maximilian Beier zum Beispiel – für Bundestrainer Julian Nagelsmann denkbar sind, wenn man Woltemades Technik und Taktik mit mehr Tempo „paaren“ möchte.

Gelingt gegen Luxemburg oder Nordirland der erste Treffer?

Wie sehr Nagelsmann auf ihn setzt, zeigte sich dieser Tage auch darin, dass er, als Woltemade wegen eines Infekts seine Anreise zum DFB vor dem Länderspiel am Freitag gegen Luxemburg (20.45 Uhr, live im Ersten und im Livestream auf sportschau.de) verschieben musste, keinen Spieler nachnominieren wollte.

Vielleicht klappt es also gegen Luxemburg oder am Montag gegen Nordirland (20.45 Uhr) mit seinem ersten Tor in der A-Nationalmannschaft. Und sollten seine Teamkollegen von ihm dann eine Rede fordern, müsste die ja auch nicht auf Englisch sein.

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