
Kipppunkt, das ist ein Begriff, den man aus Klimadebatten kennt. Im Dokumentarfilm Kein Land für Niemand wird er auf das Migrationsthema übertragen. „Es gibt Kipppunkte, die schon überschritten sind“, sagt die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl darin, „wie wir Menschenleben bewerten, was normal ist, was diskutierbar ist.“ Damit ist der Ton des Films gesetzt.
Kein Land für Niemand. Abschottung eines Einwanderungslandes ist das Debüt des Regieduos Max Ahrens und Maik Lüdemann, finanziell gefördert unter anderem von Pro Asyl und den Seenotrettungsorganisationen Sea-Eye und Sea-Watch. Der Film bemüht sich nicht, dokumentarfilmerische Zurückhaltung zu behaupten, sondern ist eine aktivistische Intervention. Das
macht die Frage nicht weniger dringlich, der sich die Filmemacher widmen: Wie
konnte die migrationspolitische Debatte in Deutschland innerhalb eines
Jahrzehnts derart eskalieren? Was ist passiert zwischen Angela Merkels Wir-schaffen-das-Mantra im Sommer 2015 und der gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD für
die Zurückweisung von Asylsuchenden an deutschen Grenzen im Januar 2025?