
Wenn Politiker mit fester Stimme von jemandes verdammter Pflicht und Schuldigkeit reden, kann man leider ziemlich sicher sein, dass sie nicht ihre eigene Pflicht und Schuldigkeit meinen. Da macht auch Köln keine Ausnahme. In der Domstadt ist protestantisches Pflichtbewusstsein noch etwas weniger weit verbreitet als in anderen Landesteilen, dafür stehen Klüngel und Schlendrian als ortsspezifische Formen der Brauchtumspflege nach wie vor in einem gewissen Ansehen.
Als die scheidende Oberbürgermeisterin Henriette Reker jetzt bekannt gab, dass die Kölner Oper im September nächsten Jahres endlich wiedereröffnet werden soll, ergriff ihr designierter Nachfolger, der ehemalige Sportfunktionär Torsten Burmester von der SPD, die vermeintlich gute Gelegenheit beim Schopfe. Burmester ließ „die Oper“, womit die gesamte Belegschaft des Hauses gemeint sein dürfte, wissen, dass es nun ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit sei, der Stadt Köln etwas zurückzugeben. Gemeint war, dass die Oper künftig mehr tun müsse, als nur dem „opernaffinen Teil“ der Bevölkerung attraktive Spielpläne und ordentliche Inszenierungen anzubieten.
Populistischer Zungenschlag
Selbst wenn man bereit wäre, über den populistischen Zungenschlag Burmesters hinwegzusehen, wirft seine Einlassung Fragen auf: Wäre es nicht die Pflicht und Schuldigkeit der Kölner Kommunalpolitik gewesen, dafür zu sorgen, dass die Sanierungsarbeiten nicht volle vierzehn Jahre dauern und weit mehr als eine Milliarde Euro verschlingen? Veranschlagt war eine dreijährige Bauzeit mit Kosten in Höhe von 253 Millionen Euro.
Wäre es nicht auch die Aufgabe der Kommunalpolitik gewesen, vorausschauend zu agieren und das vierzehnjährige, erhebliche Anforderungen an die Belegschaft stellende Intermezzo auch dafür zu nutzen, ein neues Nutzungskonzept für das Opernhaus entwickeln zu lassen? In Frankfurt, wo man sich mit der Sanierung der Doppelanlage von Oper und Schauspiel auch nicht leichttut, hat man immerhin frühzeitig über zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten für ein derart kostspieliges Gebäude nachgedacht und dabei über den kommunalen Tellerrand hinaus sogar bis nach Skandinavien geblickt. Multifunktionale Opern- und Schauspielhäuser, die nicht nur während der Abendvorstellung geöffnet sind, weil sie zum Beispiel auch noch eine Stadtbibliothek beherbergen, gibt es nämlich schon.
Die Oper in Oslo wurde 2008 eröffnet, fünf Monate früher als geplant und hat etwa 550 Millionen Euro gekostet. Ihr Foyer ist rund um die Uhr geöffnet, das begehbare Dach hat sich zu einer Attraktion entwickelt. Wer wie Burmester noch keine Taten vorzuweisen hat, muss sich an seinen Worten messen lassen. Daher noch eine letzte Frage: Sollten die Zeiten, in denen das Klopfen dummer Sprüche als Schwund- und Vorform politischen Handelns akzeptiert wurde, etwa noch immer nicht vorbei sein?