
Die Geschwindigkeit, mit der sich das erste stille Sehnen der Deutschen nach dem Krieg ins massenhafte Drauflosstürmen entwickelt hatte, ist aus heutiger Sicht frappierend. Die Berichte der SZ spiegeln diese rasante Entwicklung wider.
Der erste Reiseteil war bereits am 14. April 1949 erschienen: zwei redaktionelle Seiten mit drei Fotos, die allesamt Kirchen zeigten. Der Krieg war erst vier Jahre vorbei, die Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegründet. Berlin wurde über die alliierte Luftbrücke versorgt, in Nürnberg endete an diesem Tag der letzte Kriegsverbrecherprozess. Da warben bereits erste Betriebe um Reisegäste: Das Hotel Post in Altötting verkündete seine Wiedereröffnung, die Spielbank Bad Homburg versprach „Roulette à la Monte-Carlo“ und das Skigebiet Sudelfeld meldete 30 Zentimeter Neuschnee.
Mangels der Möglichkeit, Deutschland zu verlassen, handelte der Aufmacher notgedrungen von einer Erkundung „Zwischen Allgäu und Bodensee“. Aber das Traumziel war klar: Ins gelobte Land jenseits der Alpen sollte es so bald wie möglich gehen. Der unbekannte Autor schreibt im Einstieg: „Unser Heimweh nach dem Süden wird vorerst nicht gestillt.“ Und weiter: „Noch sind, außer für ein paar Glückliche, die Grenzen zu jenem Lande verschlossen, wo im dunklen Laub die Goldorangen glühn.“
Ein Satz wie auf dem Sprung. Mit Goethe im Gepäck, natürlich, der Weimarer Klassik, mit Antike und Renaissance als Projektionsflächen. Im Wunsch nach Aufbruch über die Alpen schwang das Sujet der Grand Tour junger Adeliger und Bürger mit, ihre Bildungsreisen im 17. und 18. Jahrhundert, die das Sehnen nach Italien bis heute prägen: nach Rom, Venedig, Florenz, Neapel und Sizilien ging es – und zurück mit verfeinertem Kunstgeschmack, abgestoßenen Hörnern und einem neuen Lebensideal.
Dazu erwies sich nach dem Zweiten Weltkrieg die geografische Nähe, die dosierte Fremdheit, der man sich ohne Furcht hingeben konnte, als Turbo für den Massentourismus. Allein das Straßenleben und das gelockerte Zeitgefühl, Leichtigkeit und Lebensgenuss als Gegenentwürfe zu deutscher Arbeits- und Ordnungsethik: Dieses Paradies war jetzt für alle leicht erreichbar und erschwinglich.