
Wenn ein Skandal nur lange genug dauert, gewöhnt man sich irgendwann daran. Dann empört sich kaum noch jemand darüber, man vergisst ihn oder schaut einfach weg. Der Skandal wird zur schulterzuckend akzeptierten Normalität – nicht schön, aber nicht unser Problem. Indem der nach Deutschland emigrierte türkische Journalist Can Dündar und das Maxim Gorki Theater jetzt den Nachbau einer Gefängniszelle mitten in Berlin, direkt vor dem Roten Rathaus aufstellen, weisen sie sehr sachlich auf so einen anhaltenden Skandal hin: Die Kriminalisierung der demokratischen Opposition in der Türkei, einem Land, mit dem die Bundesrepublik eng zusammenarbeitet. Die Installation ist die akkurate Kopie der Gefängniszellen im berüchtigten Silivri-Gefängnis westlich von Istanbul. In der größten Haftanstalt Europas sind nach Dündars Schätzung derzeit etwa 23 000 Oppositionelle inhaftiert – Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Politiker, Intellektuelle, Künstler, Studenten. Silivri ist zum Symbol für die autoritäre Regierung Erdogans geworden.