Das Tier in 80 Jahren SZ

Der Einsatz für Lotti ist nur ein Symbol dafür, welchen Stellenwert das Tier an sich in der Süddeutschen Zeitung von jeher genießt. In weiten Teilen der Belegschaft herrschen freundliche Gefühle für unsere Mitgeschöpfe, auch wenn der Nato-Korrespondent in Brüssel einmal aus einer grimmigen Stimmung heraus den Abschuss von allzu vorwitzigen Wölfen forderte. Es mag dies mit seinem Themengebiet der Wehrhaftigkeit zu tun haben, er ist dennoch ein sehr feiner Kerl.

Die Mehrzahl der SZ-Redakteurinnen und -Redakteure scheint, zumindest gefühlt, selbst ein Tier zu haben oder gleich mehrere. Lange Zeit, als es noch das alte Pressehaus in der Sendlinger Straße gab, hingen dort im innenpolitischen Sekretariat Katzenkalender mit Sinnsprüchen neben dem verstimmten uralten Klavier (dem allein der in diesem Jahr leider verstorbene Hermann Unterstöger bei Heribert Prantls Weihnachtssingen klangvolle Töne zu entlocken vermochte). Katzenfreunde glauben an eine besondere, geheimnisvolle Weisheit ihrer Tiere, worauf wir lieber nicht näher eingehen wollen; hier nur der Hinweis, dass das Streiflicht kürzlich erst den Teilnehmer eines Betroffenenforums zitierte. Dieser gab an, er kenne Katzen, „dümmer als ein Kasten voller Hämmer“.

Viele andere Kolleginnen und Kollegen besitzen Hunde. Hunde kommen in der Regel ins Haus, wenn die Kinder groß und durchtrieben genug sind, heilige Schwüre abzugeben, sie würden sich um das Tier kümmern, solange es lebe. Drei, vier Jahre später erfordern bedauerlicherweise ganz andere Phänomene die volle Aufmerksamkeit der nunmehr Halbwüchsigen, „Minecraft“ etwa oder im schlechteren Fall „Call of Duty“, die C-Jugend im Fußball oder die bezaubernde Nelly aus der 10 B. Die Eltern werden fortan bei Eisregen oder Sommerhitze die täglichen Runden mit dem Hund gehen bis zu dessen spätem Ableben.

Eines Tages rief der Chefredakteur aus, ob man hier bei der Zeitschrift „Haus und Hund“ sei oder was?

Unter ganz anderen Umständen fand Strudel Eingang in die Redaktion. Übertragen auf ein Menschenalter wurde der Dackel des feinen Kollegen Jan Bielicki etwa 130 Jahre alt und verteidigte das Büro seines Herrn durch entschlossenes Gebell, das eines Tages den Zorn eines eher caninophoben Chefredakteurs hervorrief. Jan gelang es umso weniger, den Boss zu besänftigen, als er in der legendären Lokalkolumne „Strudels Welt“ regelmäßig über Abenteuer und Befindlichkeit seines Dackels Auskunft gab. Eines Tages rief der Chefredakteur aus, ob man hier bei der Zeitschrift Haus und Hund sei oder was, und ob seine Redakteure nicht Zielführenderes …? Strudel setzte seine Visiten dessen ungeachtet und unbeirrt fort.

Eine sehr geschätzte Kollegin hütet nun selbst einen solchen Bürohund; zudem besaß oder besitzt sie, wir haben leicht die Übersicht verloren, über die Jahre eine beachtliche Menagerie. Dazu gehört ein Falke, von dem sie behauptet, er sei ein Habicht. Oder umgekehrt? Oder der Habicht behauptet, er sei ein Falke? Wir wissen es nicht mehr. Unvergessen jedoch, dass die Kollegin, als die Videokonferenz gerade Einzug in die Beratungen der SZ-Redaktion gehalten hatte, unverdrossen in ihrem Vortrag über das Wochenprogramm fortfuhr, als ihr Graupapagei ihren Kopf als Landeplatz auswählte und von dort zufrieden Zustimmung krächzte.