Bankenbetrug in Frankfurt: Angeklagter will von nichts gewusst haben

Er habe für seine Familie da sein müssen und kein Geld vom Staat bekommen. Seine Frau habe als Reinigungskraft nicht genug verdient und er selbst habe wegen „Problemen mit dem Führungszeugnis“ (Hehlerei) nicht arbeiten können. Dass er mit seinem Verhalten Teil eines Betrugsnetzwerks sein könne, habe er nicht gewusst: Radoslav H., Bulgare und laut Anklage einer der „regionalen Logistiker“ der Bande, die Banken in ganz Deutschland um einen hohen sechsstelligen Geldbetrag gebracht haben soll, gibt in seiner Einlassung, vorgelesen durch seinen Verteidiger Tobias Schmelz, den teils Unwissenden und setzt auf Mitleid.

Er und fünf weitere Männer sind seit Dienstag vor dem Landgericht wegen des Vorwurfs des bandenmäßigen Betrugs angeklagt. H. und zwei weitere der Angeklagten sollen laut Anklage von Februar 2023 bis Oktober 2024 in 26 Fällen bei jeweils unterschiedlicher Beteiligung zunächst sogenannte „Finanzagenten“ engagiert haben. Die sollen das Geld, das wohl der in Libanon sitzende Kopf der Bande durch betrügerische Anrufe bei zahlreichen Banken ergaunert hatte, von verschiedenen Konten im Rhein-Main-Gebiet abgehoben und an H. und die beiden weiteren „Logistiker“ weitergegeben haben.

Angeklagter will nur 4000 Euro erhalten haben

H. und die anderen reichten das Geld dann laut Anklage als „regionale Logistiker“ an die nächst höhere Ebene, die „bundesweiten Logistiker“ weiter, von denen ebenfalls drei, alle syrische Staatsbürger, im Verfahren angeklagt sind, und erhielten dafür eine Provision. An den Verhandlungstagen am Mittwoch und Donnerstag folgte die Einlassung H.s.

Gemessen an der mutmaßlichen Betrugssumme klingt der Anteil, den H. durch seine „Mitarbeit“ erhalten haben will, wie ein schlechter Witz: Insgesamt nur rund 4000 Euro. Im Wesentlichen gibt H. die Taten entsprechend der Anklage zu, auch wenn er Einzelheiten zurechtzurücken versucht. Er will etwa nicht selbst in manche Bank gegangen sein, sondern das Geld nur weitergegeben haben.

Dass er das alles gemacht habe, habe nur an seiner finanziellen Not gelegen und daran, dass er für seine Familie habe da sein wollen. Der „Beki“ genannte Mitangeklagte Beyhan S., wie H. selbst laut Anklage ein „regionaler Logistiker“, habe ihn einst angeworben mit dem Versprechen auf schnelle Einkünfte.

Zunächst, sagt H,. sei er als Finanzagent eingesetzt worden, habe also auf den Konten eingegangenes Geld abgehoben und gegen eine Provision an S. weitergereicht. „Er sagte, ich solle mir keine Sorgen machen, das sei alles legal.“ Später wurde H. vom „Finanzagenten“ selbst zum „regionalen Logistiker“ und warb neue Geldabholer an. Nach Angaben von H. hat das Geld im Wesentlichen der Mitangeklagte Mohammed A. bekommen, laut Anklage einer der bundesweiten Logistiker.

Die Fälle liefen laut H. nach einem ähnlichen Muster ab, ein Auszug aus den Schilderungen: Er habe etwa zwei Mal im Januar 2024 rund 9900 Euro weitergegeben. Im April sollen die Angeworbene A. und der Übersetzer K. bei einer Bank auf der Zeil 10.000 Euro abgehoben haben, die er, H., dann an die höhere Ebene, den Angeklagten A., weitergeben haben will. Im Oktober sollen nach gleichem Schema wieder 19.900 Euro von verschiedenen Konten im Rhein-Main-Gebiet abgebucht worden sein. Und so weiter und so fort. Seine Provision habe, so gibt H. an, immer zwischen zehn und zwanzig Prozent des abgehobenen Betrags gelegen.

Diskussionen zwischen Verteidigung und Kammer

Am Ende der Einlassung entschuldigt H. sich wieder. Er sitze seit April in Untersuchungshaft, vermisse seine Familie. Welche Menge an Geld insgesamt durch die Betrugsmasche zusammenkam, sei ihm nicht bekannt gewesen. Er habe nur in einer aussichtslosen finanziellen Situation gesteckt. „Ich bin kein schlechter Mensch.“ Ihm sei gesagt worden, es gehe nur um das Geld „von reichen Arabern“. Weil er einen Job gebraucht habe, habe er nicht weiter darüber nachgedacht.

Während der Verhandlung gab es immer wieder Diskussionen zwischen einzelnen Verteidigern und der Kammer. Bereits am Dienstag hatten Rechtsanwalt Tilman Reichling und seine Kollegin Sabrina Müller moniert, bislang keine vollumfängliche Akteneinsicht gewährt erhalten zu haben. Eine Verteidigung und eine Einlassung ihrer Mandanten seien auf dieser Grundlage nicht möglich, eine Unterbrechung des Hauptverfahrens für gut eine Woche sei zwingend angezeigt.

Am Mittwochvormittag wiederholten sie dieses Anliegen. Zwar seien am Dienstagnachmittag die Dateien zur Verfügung gestellt worden, ihr Download habe allerdings bis Dienstagabend nicht funktioniert. Man brauche nun mehr Zeit, um sich in die neuen Akten einzuarbeiten. Die Kammer lehnte den Unterbrechungsantrag nach Beratung ab. Es sei nicht ersichtlich, dass Nachteile in der Verteidigung entstünden. Eine Unterbrechung des Verfahrens sei angesichts des Beschleunigungsgrundsatzes bedenklich.

Verteidigung stellt Befangenheitsantrag

Reichling beantragte daraufhin ein Unterbrechung des Verfahrens um 90 Minuten. Die Richterin stellte diesen Antrag ans Ende der Sitzung zurück, um mit der Einlassung und der Befragung der Angeklagten zu beginnen. Verteidigerin Müller reichte dann, nachdem augenscheinlich alle Akten da waren, einen weiteren Aussetzungsantrag ein. Die Kammer lehnte auch diesen ab.

Reichling wies darauf hin, dass ihm nun, am Mittwochnachmittag „356 Seiten Sonderbände erstmals vorlägen“, in die er sich einzuarbeiten habe. Das Gebot der Verfahrensbeschleunigung dürfe „in einem Rechtsstaat kein Selbstzweck sein“. Später formulierte Reichling dann noch einen Ablehnungsantrag wegen der Sorge der Befangenheit der Kammer. Der Staatsanwalt kommentierte den Antrag als aussichtslos.